Großbritannien

Apotheken-Sparpaket sorgt für Empörung

Berlin - 07.11.2016, 16:50 Uhr

Heftige Einsparungen: Das englische Gesundheitsministerium will den Apothekern einen Teil ihres Gehaltes streichen und eine neue Notrufnummer nur für Apotheken einführen. (Foto: Celesio)

Heftige Einsparungen: Das englische Gesundheitsministerium will den Apothekern einen Teil ihres Gehaltes streichen und eine neue Notrufnummer nur für Apotheken einführen. (Foto: Celesio)


Mitte Dezember 2015 hatte das britische Gesundheitsministerium seine Vorschläge für die Weiterentwicklung der Apothekenvergütungen vorgelegt. Es folgten zehn Monate heftiger Diskussionen und banger Spekulationen. Nun ist die Katze aus dem Sack: Die konkreten Pläne liegen vor.

Seit Jahren steht der steuerfinanzierte englische Gesundheitsdienst, der National Health Service (NHS), unter finanziellem Druck. An vielen Ecken und Enden soll nun gespart werden, insbesondere im Apothekenmarkt stehen heftige Einschnitte an. Die angekündigten Sparmaßnahmen mischen das britische Apothekenwesen tüchtig auf. Sie wurden vom Gesundheitsministerium für notwendig befunden, nachdem die Ausgaben für die Apotheken in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent in die Höhe geschnellt waren. Die Zahl der Apotheken in England hat in demselben Zeitraum um 18 Prozent zugenommen. Die Dienstleistungen einer  Durchschnittsapotheke kosten den NHS 220.000 Britische Pfund im Jahr.

An diesen „Speck“ will die Regierung nun ran. Der Vorschlag des Gesundheitsministeriums, unterstützt vom NHS England, vom 17. Dezember 2015 war zunächst wenig konkret. Nun ist das „Community Pharmacy 2016/17 and beyond: final package” da, für den britischen Wirtschaftsverband der unabhängigen Offizinapotheken (National Pharmacy Association, NPA) ein „Schlag ins Gesicht hart arbeitender Apothekenteams und Millionen besorgter Patienten“.

Wo soll gespart werden?

Im Zentrum der Revision stehen die finanziellen Einschnitte bei dem Budget für die Apothekenvergütungen durch den NHS England im Rahmen des Community Pharmacy Contractual Framework (CPCF). Normalerweise setzt die Regierung das Budget für ein Jahr fest. Nun sind es gleich zwei. Damit sollen die Apotheken mehr Planungssicherheit bekommen. Die NHS-Vertragsapotheken sollen für die Jahre zur 2016/17 mit einem Budget in Höhe von 2.687 Milliarden Pfund auskommen. Dies sind 113 Millionen (4 Prozent) weniger als 2015/2016. 2017/18 wird weiter auf 2.592 Milliarden Pfund gekürzt (-3,4 Prozent gegenüber 2015/2016).

„Establishment fee“ wird abgeschafft

Die sogenannte "establishment fee“ wird über mehrere Jahre nach und nach ausgeschlichen. Im Moment bekommt jede Apotheke, die eine bestimmte Menge an rezeptpflichtigen Arzneimitteln abgibt, ein gestaffeltes Fixum. Die Vergütung reicht von rund 23.300 bis 25.100 Pfund pro Jahr. Bereits ab Dezember diesen Jahres werden die Zahlungen deutlich gesenkt. So erhält eine Apotheke mit dem Spitzensatz, die bisher mit gut 2000 Pfund pro Monat rechnen konnte, dann nur noch etwa 1670 Pfund. Das sind 20 Prozent weniger. Ab dem 1. April geht es noch weiter runter auf 1255 Pfund (-40 Prozent gegenüber 2015/2016), und bis 2019/20 soll sie dann komplett ausgelaufen sein.

Auch Bedarfsplanung wird geändert

Um die Versorgungsdichte zu verbessern, sollen Bestands-Apotheken, die mehr als eine Meile von der nächsten Apotheke entfernt sind und nach der Abgabemenge nicht im obersten Quartal liegen, in ein neues Pharmacy Access Scheme (PhAS) eingebunden werden können. Die etwa 1350 Apotheken, die hierfür infrage kommen, erhalten für 2016/17 eine zusätzliche Zahlung von durchschnittlich rund 11.600 Pfund und für 2017/18 etwa 17.600 Pfund pro Jahr. Damit sollen sie die Einschnitte beim Gesamtbudget teilweise abfangen können. Das System soll vom 1. Dezember bis Ende März 2018 laufen.

Single Activity Fee für mehrere Leistungen

Auch bezüglich der Einzelvergütungen für die Services soll sich einiges ändern. So werden diverse Einzelhonorare, etwa für die Abgabe, die Belieferung von Wiederholungsverordnungen und die Monatsgebühr für den electronic prescription service (EPS), in einer einzigen Gebühr zusammengefasst (Single Activity Fee, SAF). Diese soll zunächst bei 1,13 Pfund pro abgegebenem Präparat liegen.

Qualitätsbezogene Vergütung

Darüber hinaus werden ab April 2017 qualitätsbezogene Vergütungen eingeführt, mit denen die Apoheken ihr „Salär“ weiter aufbessern können. Hierfür werden für 2017/18 bis zu 75 Millionen Pfund aus dem CPCF-Budget bereitgestellt. Das ist aber kein Selbstgänger. Apotheken, die Qualitäts-assoziierte Honorare abrechnen wollen, müssen nachweisen, dass sie bestimmte Kriterien erfüllen. Hierzu sollen sie zwei Mal im Jahr evaluiert werden. Das Honorar richtet sich dann danach, wie viele Kriterien sie erfüllen und wie viele „Review Points” sie gesammelt haben.

Notrufnummer für Apotheken

Weiterhin sollen die Apotheken sich mehr in die Notfallversorgung einbringen, und zwar im Hinblick auf Wiederholungsverordnungen für rezeptpflichtige Arzneimittel, aber auch bei der Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen. Dies soll die Notfallversorgung über Ärzte und Krankenhäuser in England spürbar entlasten. In beiden Fällen sollen die Patienten über die Notrufnummer 111 direkt in die nächstgelegene Apotheke dirigiert werden. Bereits ab Januar 2017 will der NHS England beide Modelle in der Praxis evaluieren.

Förderung der klinischen Pharmazie

Außerdem wird ein neuer Pharmacy Integration Fund (PhIF) mit einem Finanzrahmen von 42 Million Pfund für 2016 bis 2018 eingerichtet, der die Apotheken bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen im Bereich der klinischen Pharmazie unterstützen soll.

Auswirkungen ungewiss

Zusammen mit dem Maßnahmen-Paket hat das Gesundheitsministerium ein Dokument vorgelegt, in dem dessen mögliche Auswirkungen beurteilt werden (Impact Assessment Document). Hiernach lässt sich derzeit nicht abschätzen, wie viele Apotheken infolgedessen von der Schließung bedroht sind. Die National Pharmacy Association will die Pläne deswegen gerichtlich anfechten. Ihr Vorsitzender Ian Strachan erklärt: „Es ist beschämend, dass man uns in eine Lage gebracht, in der wir keine andere Option mehr sehen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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