Wachstum der Pharmaindustrie

Deutsche Unternehmen nur im Mittelfeld

München - 07.11.2016, 17:30 Uhr

Wie sind die Zukunftsaussichten für die drei großen deutschen Pharma-Unternehmen? (Quellen: dpa, Merck, Boehringer)

Wie sind die Zukunftsaussichten für die drei großen deutschen Pharma-Unternehmen? (Quellen: dpa, Merck, Boehringer)


Obwohl die führenden deutschen Pharmahersteller Optimismus verbreiten, drohen sie im internationalen Vergleich abgehängt zu werden. Nach Einschätzung von Analysten hinkt das Wachstum von Bayer, Boehringer Ingelheim und Merck hinter den Wettbewerbern her. Das könnte Marktanteile kosten und deren strategische Handlungsmöglichkeiten einschränken.

Die großen deutschen Pharmaunternehmen tun sich schwer, im internationalen Vergleich mit dem Wachstum der Wettbewerber mitzuhalten. Nach einer Untersuchung des auf den Gesundheitsmarkt spezialisierten Analysehauses Evaluate Pharma wird der globale Pharmaumsatz bis zum Jahr 2021 durchschnittlich um 6,3 Prozent zulegen. Dagegen werde es Bayer lediglich auf ein jährliches Wachstum von drei Prozent und Boehringer Ingelheim auf knapp sechs Prozent bringen. Nach Einschätzung des Handelsblatts dürfte es auch dem Darmstädter Merck-Konzern schwer fallen, bei den internationalen Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent mitzuhalten.

Bayer verweist auf starkes Wachstum

Die Chefs der deutschen Pharmakonzerne sehen das naturgemäß anders – und die aktuellen Zahlen scheinen ihnen zumindest für den Augenblick Recht zu geben. So teilte Bayer-Chef Werner Baumann bei der jüngsten Präsentation der Quartalszahlen mit, dass das Geschäft mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gegenüber der Vorjahreszeit um 7,3 Prozent zugelegt habe. Vor allem die neuen Produkte hätten sich gut verkauft. Merck-Chef Stefan Oschmann wagte seinerseits kürzlich erstmals eine Umsatzprognose von mehr als zwei Milliarden Euro für pharmazeutische Neuentwicklungen des Konzerns. Auch Boehringer Ingelheim-Chef Hubertus von Baumbach sieht das Arzneimittelgeschäft vor einer guten Zukunft.

Treffen jedoch die Annahmen von Evaluate Pharma zu, könnten die deutschen Pharmahersteller Marktanteile verlieren und in den kommenden Jahren lediglich im Mittelfeld der internationalen Arzneimittelbranche mitspielen. Während Bayer aktuell noch auf Platz 16 im Ranking steht, sehen die Analysten den Konzern im Jahr 2022 auf Platz 18 abrutschen. Boehringer würde demnach um einen Platz auf Rang 19 fallen.

Shire, BMS und Celgene vorne

Das größte Wachstum legen dem Evaluate Pharma-Report zufolge Shire, Celgene und Bristol Myers Squibb mit jährlichen Zuwachsraten von zehn bis 19 Prozent hin. Allerdings warten auch einige internationale Top-Unternehmen wie Pfizer, Novartis oder Roche nur mit unterdurchschnittlichen Wachstumsraten auf, belegen allerdings gemessen an absoluten Umsatzzahlen die weltweite Spitze beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel.

Auch die strategischen Entscheidungen der drei großen deutschen Pharmaunternehmen deuten nach Einschätzung des Handelsblatts darauf hin, dass deren Geschäfte mit innovativen Arzneimitteln in den kommenden Jahren nur begrenzte Wachstumsraten aufweisen werden. So verweist das Blatt darauf, dass Bayer vor zwei Jahren elf Milliarden Euro für die OTC-Sparte des US-Konzerns Merck & Co (MSD) ausgegeben habe und nun weitere fast 60 Milliarden Euro in den Kauf des US-Agrarkonzerns Monsanto stecken will. Die deutsche Merck dagegen hat 13 Milliarden in das Laborchemieunternehmen Sigma-Aldrich investiert und sich dafür hoch verschuldet. Und Boehringer will für elf Milliarden Euro die Tierarzneisparte von Sanofi übernehmen. Damit, so das Handelsblatt, reduziere sich für die deutschen Pharmaunternehmen die Möglichkeit, ihr Portfolio mit innovativen Arzneimittelkandidaten durch Allianzen oder Zukäufe im Biotechbereich zu erweitern. Vor allem Bayer und Merck hätten aufgrund ihrer hohen Verschuldung in dieser Hinsicht kaum noch Bewegungsfreiheit. Damit könnten sie gegenüber finanzstarken internationalen Pharmakonzernen strategisch noch weiter zurückfallen. Das Blatt schreibt gar, dass die deutschen Pharmagrößen in einen Teufelskreis geraten könnten, der ihre Position im globalen Wettbewerb zunehmend schwäche.

Dabei stehen die Chancen für Wachstum für innovative Pharmaunternehmen grundsätzlich gut. So weist das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers (PwC) darauf hin, dass die Nachfrage nach innovativen Arzneimitteln in vielen weltweiten Märkten deutlich steige. Der globale Pharmamarkt könnte damit bis zum Jahr 2020 auf ein Volumen von 1,6 Billionen Dollar wachsen.

 


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.