Missbrauchsfälle

Länder ermitteln wegen Arzneimittel-Tests an Heimkindern

Essen - 22.11.2016, 08:00 Uhr

Nach einer Studie soll es unter anderem im Essener Franz-Sales-Haus Arzneimitteltests an Heimkindern gegeben haben. (Foto: Franz Sales Haus / Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Nach einer Studie soll es unter anderem im Essener Franz-Sales-Haus Arzneimitteltests an Heimkindern gegeben haben. (Foto: Franz Sales Haus / Wikimedia, CC BY-SA 3.0)


Neuroleptikon gegen „kindliche Verhaltensstörungen“

Aufgedeckt hatte die Pharmazeutin Sylvia Wagner Tests an deutschen Heimkindern. Sie hatte Archive und historische Fachzeitschriften ausgewertet und Belege für bundesweit etwa 50 Versuchsreihen gefunden. Demnach wurden zwischen 1950 und 1975 Impfstoffe, Psychopharmaka und Libido-hemmende Präparate an Kindern getestet. Für diese Arbeit hatte sie auch im Merck-Archiv recherchiert.

Die Pharmazeutin stieß auch auf eine Versuchsreihe in der Jugendpsychiatrie Viersen-Süchteln am Niederrhein. Dort seien 30 Kinder im Alter zwischen 12 und 13 Jahren „aus ungünstigen Verhältnissen“ mit dem Neuroleptikon Dipiperon behandelt worden, in Erwartung, dass sich „kindliche Verhaltensstörungen“ besserten. Der Landschaftsverband Rheinland teilte mit, es habe früher in Einrichtungen immer wieder „Medikamentengaben“ gegeben, aber von Medikamententests sei nichts bekannt.

Bundesländer untersuchen Vorwürfe

Die nordrhein-westfälische Landesregierung kündigte eine Prüfung und Aufarbeitung der Studie an. „Unerlaubte Medikamententests darf es nicht geben – damals wie heute nicht“, sagte das Ministerium dem WDR.

Zuvor hatte schon die Landesregierung in Schleswig-Holstein die Aufarbeitung von zwei Fällen in Schleswig-Holstein angekündigt. In der Schleswiger Jugendpsychiatrie des damaligen Landeskrankenhauses soll ein mittlerweile toter Arzt zwei Medikamente an insgesamt 95 Kindern und Jugendlichen erprobt haben. Die Landesregierung stellte eine Entschädigung in Aussicht.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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