Laut dem Zahnreport 2016 der Barmer GEK wurden 2014 Barmer-Versicherte in Bayern mit 9,4 Prozent am seltensten mit Kronen in der Standardversion versorgt (Metall im Seitenzahnbereich, zahnfarben verblendet im Frontzahnbereich). In Ostdeutschland lag der Anteil bei rund 30 Prozent.
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Patienten entscheiden sich oft für mehr als die Kassenleistung, obwohl Metall und Amalgam stabiler und haltbarer sind als zahnfarbene Varianten. Die Krankenkassen kritisieren, dass Zahnärzte die ästhetischen Ansprüche schüren, weil sie an Privatleistungen besser verdienen.
Die Kassenleistung hat einen schlechten Ruf. In der heute teilweise glitzernden Zahnarzt-Welt ist das Standardmodell nicht sexy. Amalgamfüllung, Metallkrone, herausnehmbare Prothese – will kaum einer, macht man nicht mehr. Ob Füllung, Krone oder Brücke: Patienten wollen es zahnfarben.
Doch ist wirklich immer der Wunsch des Patienten ausschlaggebend, wenn Komfort und Ästhetik im Mund wichtiger werden als Funktionalität und Haltbarkeit? Vermutlich nicht, rügte im Mai Christoph Straub, Chef der zweitgrößten Krankenkasse Barmer GEK. Bei der Vorstellung des Barmer Zahnreports sagte er, ein Grund könne auch „eine mangelnde Aufklärung“ durch den Zahnarzt sein.
Verstoßen Zahnmediziner gegen ihre Pflichten?
Mit dieser Kritik steht Straub nicht allein: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen bemängelt auf Anfrage, die Kassenleistung werde „oftmals schlecht dargestellt, obwohl sie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht“. Man erwarte daher, „dass Zahnärzte eher auf die Vorteile der Standardversorgung hinweisen“. Die ästhetischen Ansprüche, sagt Günther Gabe von der Koordinierungsstelle zahnmedizinische Versorgung im BKK Landesverband Nord-West, würden „teilweise von den Zahnärzten regelrecht geschürt“.
Das ist nicht erlaubt, weil Zahnärzte wie Ärzte laut Gesetz verpflichtet sind, Patienten umfassend aufzuklären, also auch über Risiken, Kosten und Alternativen. Doch Zahnärzte haben durchaus ein finanzielles Interesse daran, Patienten mehr anzubieten als die Standardversorgung, sagt Gregor Bornes, Sprecher der Patientenvertretung für Zahnärztliche Behandlung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Denn dann rechnen sie ganz oder teilweise nach der privaten Gebührenordnung ab. Damit, sagt Bornes, „vermischt sich untrennbar die Motivation des Zahnarztes, eine gute Versorgung anzubieten, mit seinen eigenen finanziellen Interessen“.
Bereits 2013 hatte die Fraktion Die Linke im Bundestag die Anfrage gestellt, ob zuzahlungsfreie Sachleistungen, wie Kassenleistungen offiziell genannt werden, in Zahnarztpraxen immer seltener angeboten werden. Damals hieß es, 2012 seien bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen nur 25 Meldungen eingegangen über Zahnärzte, die sich weigerten, Amalgam einzusetzen.
Linke: Zu viele Möglichkeiten, Patienten über den Tisch zu ziehen
In diesem Jahr fragte Harald Terpe, Bundestagsabgeordneter der Grünen, erneut: „Sind der Bundesregierung in den letzten vier Jahren Fälle bekannt, in denen sich Vertragszahnärzte weigern, zahnärztliche Regelleistungen zu erbringen?“ Die Antwort von Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz: Bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen seien dazu 44 Patientenbeschwerden über Kieferorthopäden eingegangen.
Harald Terpe findet das unbefriedigend: „In der Zahnmedizin gibt es nach wie vor zu viele Möglichkeiten, Patienten über den Tisch zu ziehen. Eine jährliche Abfrage und Veröffentlichung der bundesweit gemeldeten Beschwerdefälle bei zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen wäre sinnvoll.“
Dass etwa Keramik im Mund zwar gut aussieht, aber nicht besser ist als Metall, zeigt eine aktuelle wissenschaftliche Überprüfung. Im Auftrag des obersten Beschlussgremiums von Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen hat die Deutsche Gesellschaft für prothetische Zahnmedizin die Stabilität einer bestimmten Brücken-Variante überprüft. Ergebnis: Adhäsivbrücken aus mittelfesten Keramiken weisen „ein gewisses Frakturrisiko auf“ und werden deshalb nicht Kassenleistung.
Reparaturbedürftige Schönheit
„Das lässt sich auch auf andere Versorgungen übertragen, etwa auf Keramik-Kronen“, sagt Günther Gabe. „Die optisch ansprechende Variante ist reparaturanfälliger als Metall.“ Schon die S3-Leitlinie zu vollkeramischen Kronen und Brücken ergab 2014, dass „deren klinische Bewährung stark vom Einsatzbereich, den verwendeten Materialien und der Einhaltung materialspezifischer Anforderungen abhängt.“
Der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Wolfgang Eßer, betont die Aufklärungspflicht: „Die Regelversorgung ist wissenschaftlich abgesichert. Wenn ein Zahnarzt nur eine Versorgungsmöglichkeit anbietet, sollten Patienten kritisch werden und sich eine zweite Meinung einholen.“ In sämtlichen Beschwerdefällen, so das Bundesgesundheitsministerium, „wurden die betroffenen Kieferorthopäden eindringlich auf ihre vertragszahnärztlichen Pflichten“ hingewiesen und „ihnen für den Wiederholungsfall disziplinarische Maßnahmen bis hin zum Zulassungsentzug angekündigt“.
Die KZBV hat eine Entscheidungshilfe zu Zahnfüllungen zusammengestellt. Zusammen mit dem Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden, der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie sowie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde haben sie außerdem ein Informationsblatt zum Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Leistung sowie ein Musterformular für mehr Transparenz bei Privatleistungen erarbeitet.
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