Zahnersatz

Schöner ist nicht unbedingt besser

Düsseldorf - 22.11.2016, 16:25 Uhr

Wenn Zahnärzte zum Bohrer greifen, stehen sie – wie die Patienten – oft vor der Entscheidung: Möglichst schön – oder möglichst haltbar? (Foto: Walenga Stanislav)

Wenn Zahnärzte zum Bohrer greifen, stehen sie – wie die Patienten – oft vor der Entscheidung: Möglichst schön – oder möglichst haltbar? (Foto: Walenga Stanislav)


Linke: Zu viele Möglichkeiten, Patienten über den Tisch zu ziehen

In diesem Jahr fragte Harald Terpe, Bundestagsabgeordneter der Grünen, erneut: „Sind der Bundesregierung in den letzten vier Jahren Fälle bekannt, in denen sich Vertragszahnärzte weigern, zahnärztliche Regelleistungen zu erbringen?“ Die Antwort von Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz: Bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen seien dazu 44 Patientenbeschwerden über Kieferorthopäden eingegangen.

Harald Terpe findet das unbefriedigend: „In der Zahnmedizin gibt es nach wie vor zu viele Möglichkeiten, Patienten über den Tisch zu ziehen. Eine jährliche Abfrage und Veröffentlichung der bundesweit gemeldeten Beschwerdefälle bei zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen wäre sinnvoll.“ 

Dass etwa Keramik im Mund zwar gut aussieht, aber nicht besser ist als Metall, zeigt eine aktuelle wissenschaftliche Überprüfung. Im Auftrag des obersten Beschlussgremiums von Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen hat die Deutsche Gesellschaft für prothetische Zahnmedizin die Stabilität einer bestimmten Brücken-Variante überprüft. Ergebnis: Adhäsivbrücken aus mittelfesten Keramiken weisen „ein gewisses Frakturrisiko auf“ und werden deshalb nicht Kassenleistung.

Reparaturbedürftige Schönheit

„Das lässt sich auch auf andere Versorgungen übertragen, etwa auf Keramik-Kronen“, sagt Günther Gabe. „Die optisch ansprechende Variante ist reparaturanfälliger als Metall.“ Schon die S3-Leitlinie zu vollkeramischen Kronen und Brücken ergab 2014, dass „deren klinische Bewährung stark vom Einsatzbereich, den verwendeten Materialien und der Einhaltung materialspezifischer Anforderungen abhängt.“

Der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Wolfgang Eßer, betont die Aufklärungspflicht: „Die Regelversorgung ist wissenschaftlich abgesichert. Wenn ein Zahnarzt nur eine Versorgungsmöglichkeit anbietet, sollten Patienten kritisch werden und sich eine zweite Meinung einholen.“ In sämtlichen Beschwerdefällen, so das Bundesgesundheitsministerium, „wurden die betroffenen Kieferorthopäden eindringlich auf ihre vertragszahnärztlichen Pflichten“ hingewiesen und „ihnen für den Wiederholungsfall disziplinarische Maßnahmen bis hin zum Zulassungsentzug angekündigt“.

Die KZBV hat eine Entscheidungshilfe zu Zahnfüllungen zusammengestellt. Zusammen mit dem Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden, der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie sowie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde haben sie außerdem ein Informationsblatt zum Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Leistung sowie ein Musterformular für mehr Transparenz bei Privatleistungen erarbeitet.

Laut dem Zahnreport 2016 der Barmer GEK wurden 2014 Barmer-Versicherte in Bayern mit 9,4 Prozent am seltensten mit Kronen in der Standardversion versorgt (Metall im Seitenzahnbereich, zahnfarben verblendet im Frontzahnbereich). In Ostdeutschland lag der Anteil bei rund 30 Prozent.



Tanja Wolf, Freie Medizinjournalistin
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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