Nach US-Wahl

Trumps kompliziertes Verhältnis zu Obamacare

Stuttgart - 22.11.2016, 11:05 Uhr

Annäherung, wenn auch keine Liebe auf den ersten Blick: Der zukünftige US-Präsident Donald Trump bei seinem ersten Treffen mit Amtsvorgänger Barack Obama. (Foto: dpa / picture alliance)

Annäherung, wenn auch keine Liebe auf den ersten Blick: Der zukünftige US-Präsident Donald Trump bei seinem ersten Treffen mit Amtsvorgänger Barack Obama. (Foto: dpa / picture alliance)


Für Amerikaner ist es laut einer Umfrage das dringendste Thema: Die Gesundheitsversorgung. Im Wahlkampf erklärte Donald Trump noch, er wolle Obamas Reform komplett rückgängig machen, jetzt entdeckte er doch positive Seiten. Und seine Familie hat geschäftliches Interesse an „Obamacare“.

Jeder fünfte US-Amerikaner sprach sich laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur „Reuters“ dafür aus, dass ihr zukünftiger Präsident Donald Trump sich in den ersten hundert Tagen im Amt zunächst auf das Gesundheitssystem konzentrieren soll. Das Thema, was noch vor dem zweitplatzierten Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der Einwanderung abschnitt, bewegt aufgrund der hohen Kosten des US-Gesundheitswesens viele Bürger. Doch in seiner ersten Videobotschaft vom Montag, in der er beispielsweise das Ende des Freihandelsabkommens „Transpazifische Partnerschaft“ mit asiatischen Ländern ankündigte, fiel die Gesundheitsreform ganz unter den Tisch.

Ziel des derzeitigen US-Präsidenten Barack Obama war es, möglichst alle Bürger des Landes krankenzuversichern. Mit dem „Affordable Care Act“ schuf er praktisch eine Krankenversicherungspflicht, die vonseiten der Republikaner scharf angegriffen wurde: Versicherungen wurden verpflichtet, alle Neukunden unabhängig von deren Vorerkrankungen aufzunehmen und bestimmte Erkrankungen abzudecken. Durch eine allgemeine Krankenversicherungspflicht werden auch Gesunde verpflichtet, einzuzahlen – und so zugunsten erkrankter Menschen die Beiträge niedrig zu halten. Ansonsten drohen Strafzahlungen von bis zu 2 Prozent des Einkommens.

Obamacare bietet Chancen – und ist teuer

Während vor fünf Jahren noch mehr als 40 Millionen US-Bürger keine Krankenversicherung besaßen, schlossen mehr als 11 Millionen seitdem einen Vertrag über Obamacare ab. Weitere rund 10 Millionen konnten durch Ausweitungen Unterstützung durch das Gesundheitsfürsorgeprogramm Medicaid zusätzlich versichert werden.

Doch selbst die günstigsten Tarife von Obamacare sind mit monatlich rund 500 US-Dollar für viele Amerikaner zu teuer. Hinzu kommen hohe Selbstbehalte, die die Versicherungsmöglichkeit für Gesunde unattraktiv machen – sodass diese lieber die Strafzahlungen hinnehmen. Immer mehr Versicherungsanbieter steigen aus, und die restlichen erhöhen ihre Prämien teils um 40 bis 60 Prozent.

Trumps Familie verdient an Obamacare

Neben der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko war eines der zentralen Versprechen von Trump, Obamacare mit „etwas, was funktioniert“ abzulösen. Doch bislang hat er nicht erklärt, was dies sein könnte – sondern ist hingegen nur wenige Tage nach der Wahl von seinem Versprechen abgerückt.  

Einige Teile von Obamacare wolle er doch erhalten, erklärte Trump: So die Mitversicherung von erwachsenen Kindern sowie den Einschluss von Kunden mit Vorerkrankungen. Bei den Bürgern käme dies ohnehin gut an: Nur gut jeder Dritte sprach sich in einer Umfrage Ende Oktober für eine Abschaffung des Gesetzespaketes von Obama aus. Und auch Obama unterstützt Trump bei einer Reform von „Obamacare“, wie er kürzlich sagte – wenn dieser es in eine positive Richtung weiterentwickelt.

Wie nun eine Recherche des US-amerikanischen Portals für Gesundheitsnachrichten „STAT“ aufgedeckt hat, hat die Familie von Donald Trump Verbindungen zu Obamacare. Der Bruder seines Schwiegersohns und Wahlkampf-Managers Jared Kushner ist Mitgründer von „Oscar Health“, ein inzwischen auf 2,7 Milliarden US-Dollar geschätztes Startup im Gesundheitssektor, dessen Dienstleistungen auf Obamas „Affordable Care Act“ basieren. „Oscar Health“ verkauft laut „STAT“ Obama-Care-Policen in mehreren US-Staaten. Der 31-jährige Investmentbanker Joshua Kushner, der als „Wunderkind“ gefeiert wird, unterstützte im Wahlkampf allerdings nicht den Vater seiner Schwägerin, sondern dessen Gegnerin und Obamacare-Anhängerin Hillary Clinton, die er womöglich auch gewählt hat.


Doch einer seiner laut „STAT“ „treuesten Investoren“, Peter Thiel, hat gleichfalls Millionen in „Oscar Health“ investiert – und gleichzeitig Trump groß unterstützt und auf dem Parteitag der Republikaner gesprochen. Zusammen mit Joshuas Bruder Jared Kushner sitzt er nun im Übergangsteam des zukünftigen US-Präsidenten. Eine Abschaffung von Obamacare käme beiden daher wohl ungelegen – auch da „Oscar Health“ nach Verlusten von 105 Millionen US-Dollar laut Bloomberg dieses Jahr in drei Bundesstaaten bereits 128 Millionen US-Dollar abschreiben musste.  



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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