Dekongestiva

Kaum Evidenz, aber viel Erfahrung für Nasenspray und Co.

Stuttgart - 25.11.2016, 17:30 Uhr

Rezeptfreie Schnupfenmittel aus der Apotheke: die Studienlage ist dürftig. (Foto: detailblick-foto / Fotolia)

Rezeptfreie Schnupfenmittel aus der Apotheke: die Studienlage ist dürftig. (Foto: detailblick-foto / Fotolia)


Nasentropfen und Nasensprays gehören in Apotheken zu den Blockbustern der Erkältungssaison. Dazu kommen systemische Dekongestiva, wie Pseudoephedrin, die sich Deutschland nur in Kombinationspräparaten finden. Ein Cochrane-Review hat die Evidenz zu diesen Wirkstoffen unter die Lupe genommen.

Auch wenn so manche Werbung etwas anderes suggeriert, eine Erkältung selbst lässt sich nicht behandeln. Man kann lediglich die Symptome lindern. Zwar an sich harmlos, aber für viele sehr störend, ist dabei die verstopfte Nase. Zahlreiche Präparate, die Abhilfe schaffen, stehen ohne Rezept zur Verfügung, sogenannte Dekongestiva. In Deutschland werden vor allem lokal wirksame Mittel eingesetzt, als Tropfen oder Spray meistens mit den Wirkstoffen Oxymetazolin und Xylometazolin. Systemisch können zum Beispiel Pseudoephedrin, Phenylpropanolamin oder Phenylephrin verwendet werden. Sie finden sich aber hierzulande nur in Kombinationspräparaten.

Aber wie steht es um die Evidenz dieser Arzneimittel? Da sich frühere Reviews vor allem mit den Kombinationen beschäftigten, wollten die Autoren einer aktuellen Arbeit wissen, welche Evidenz für die Dekongestiva alleine existiert. Also inwiefern wissenschaftlich belegt ist, dass Nasenschleimhaut-abschwellende Mittel Erkältungssymptome lindern können – und zwar im Vergleich zu Placebo.

In Analyse einbezogen wurden 15 randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien mit insgesamt 1838 Teilnehmern. Sechsmal wurde nur eine einzelne Dosis verabreicht, in neun Studien wurden die Effekte einer Mehrfachgabe untersucht. 

Primärer Endpunkt „verstopfte Nase"

Primärer Endpunkt war zum einen die verstopfte Nase, so wie sie von den Patienten subjektiv empfunden und anhand eines Symptom-Scores bewertet wurde, zum anderen das  Allgemeinbefinden. Sekundäre Endpunkte waren der gemessene Luftstrom (nasal airway resistance) in der Nase, unerwünschte Wirkungen und Komplikationen wie Sinusitis oder Infektionen der unteren Atemwege. Und auch die Zeit bis zur vollständigen Genesung und bis zur Rückkehr an den Arbeitsplatz oder in die Schule wurden herangezogen

Ein kleiner Effekt ist anhand der Studien nachweisbar

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Mehrfachgabe Nasenschleimhaut-abschwellender Mittel bei Erwachsenen einen kleinen positiven Effekt auf das Symptom „verstopfte Nase“ hat, zumindest dem subjektiven Empfinden der Studienteilnehmer nach. Inwiefern dieser Effekt klinisch relevant ist, ließe sich aber nicht sagen, schreiben die Autoren in ihrer Zusammenfassung. Die Evidenz reiche nicht aus, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen. Ebenso wenig könne man eine Aussage treffen, ob die topische oder die systemische Anwendung vorteilhafter ist. Dazu reiche die Zahl der Studien nicht aus, heißt es.

Noch dünner wird es dann bei der Einmalgabe: Hier könne man überhaupt keine Schlussfolgerungen ziehen. Die Evidenz reiche dafür nicht, heißt es in dem Review. Dabei bereitete den Cochrane-Autoren vor allem die große Heterogenität der Untersuchungen Probleme. Große Unterscheide bei der Erfassung der Endpunkte – sowohl bei der Art und Weise, wie sie erfasst wurden, als auch welche Endpunkte überhaupt dokumentiert wurden – macht es schwer bis unmöglich die Resultate der einzelnen Studien zusammenzufassen.

Hinsichtlich der Sicherheit kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die kurzfristige Anwendung Nasenschleimhaut-abschwellender Mittel zumindest bei Erwachsenen als sicher erachtet werden kann. Denn das Risiko für unerwünschte Wirkungen war nicht signifikant höher als unter Placebo. Für die Anwendung bei Kindern fehlt nach Ansicht der Autoren jegliche Evidenz – sowohl was die Wirksamkeit, als auch was die Sicherheit betrifft. 

Was heißt das für die Praxis?

Nasensprays und systemische Dekongestiva helfen bei verstopfter Nase. Dafür gibt es ausreichend Erfahrung und die Wirkung ist aufgrund des Wirkmechanismus der Sympathomimetika plausibel erklärbar. Auch Institutionen wie Stiftung Warentest beispielsweise halten abschwellende Nasensprays bei Schnupfen für geeignet, das heißt sie sehen den Nutzen dieser Mittel als erwiesen an.

Dieser Cochrane Review ist ein schönes Beispiel dafür, dass „es gibt keine Evidenz“ nicht gleichzusetzen ist mit „es gibt keine Wirkung“. Es bedeutet einzig und allein, dass die Wirkung nicht anhand von anerkannten wissenschaftlichen Kriterien belegt werden kann, zum Beispiel weil die entsprechenden Studien fehlen. Wird sich das irgendwann ändern? Eher nicht. Es sei denn, es findet sich jemand, der aussagekräftige Untersuchungen zu patentfreien Wirkstoffen finanziert.

Zu der Frage lokal oder systemisch lässt sich sagen: In Deutschland gibt es keine systemischen Dekongestiva als Monopräparate. Daher spielen sie, wenn den Patienten allein die verstopfte Nase stört, hierzulande keine Rolle. Kommen andere Symptome dazu, können manche Kombinationen im Einzelfall sinnvoll sein – mit der entsprechenden Beratung und unter Abwägung des individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnisses. 


Nasenschleimhaut-abschwellende Mittel

Lokal:

  • Oxymetazolin: Nasivin, Wick Sinex 
  • Xylometazolin: Olynth, Otriven, Nasic und Generika 
  • Tramazolin: Rhinospray, Infectoschnupf

Systemisch:

  • Pseudoephedrin:  Aspirin Complex, Boxagrippal, Gripphexal, Olytabs, Ratiogrippal, Rhinopront Kombi, Spaltgrippal, Wick Duogrippal
  • Phenylpropanolamin: Basoplex, Wick Daymed
  • Phenylephrin: Cetegrippal, Doregrippin, Geloprosed, Wick Daymed Kombi

Beispiele, kein Anspruch auf Vollständigkeit; Lauertaxe Stand 15.11.2016



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

Es lebe die Evidenz!

von Dr.med. Manneck am 28.11.2016 um 16:34 Uhr

Das klingt doch sehr nach Bertelsmann-Stiftung.
P.s. Nachts ist es kälter als draußen, besonders im Winter!
Deshalb auch "Erkätungszeit".

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Ein weiterer Hinweis zu den genannten Präparaten

von Dr. Peter Meiser am 28.11.2016 um 11:02 Uhr

Die meisten der genannten Handelspräparate enthalten Konservierungsmittel. Wenn man schon, entsprechend der derzeitigen Datenlage, vorwiegend symptomatisch therapiert, sollte man auf den Einsatz von Konservierungsmitteln verzichten, um das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen (Reizung, Schwellung! der Nasenschleimhaut etc.) zu senken.
Diese Empfehlung sollte auch von der DAZ an seine Leser weitergegeben werden.

Lokale Sympathomimetika sind gegenüber systemisch wirksamen wegen der anwendungs- und dosisbedingt deutlich geringeren systemischen Exposition zu bevorzugen. Auch hier ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung durchzuführen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wirkstoffe

von R. Rabe am 26.11.2016 um 10:16 Uhr

Ein erwartbares und beruhigendes Ergebnis. Wir können wenigstens hier weitermachen wie gewohnt.

Hinweis an die Autoren: Olyth, Otriven und Co. enthalten Xylometazolinhydrochlorid, nicht wie oben beschrieben Oxymetazolin.

Allen Lesern einen schönen 1.Advent

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