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Wegen Manipulationsvorwürfen
Gröhe will Kassen-Finanzausgleich überprüfen
Machen Kassen ihre Kunden krank, um mehr Gelder zu erhalten? Techniker-Chef Jens Baas gab „Schummeleien“ bei Kodierungen zu, Kritiker sehen das Verhalten der Kassen als Skandal. Nun hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ein Gutachten in Auftrag gegeben – was aber auf sich warten lassen wird.
Der Vorwurf wiegt schwer: Krankenkassen sollen ihre Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, als sie sind. Denn die mehr als 200 Milliarden Euro Beitragsgelder, die jährlich mittels des „Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs“ an sie verteilt werden, werden teils in Abhängigkeit bestimmter Diagnosen vergeben. So sollen Kassen, die überdurchschnittlich alte oder kranke Patienten versichern, mehr Mittel erhalten.
Klar ist, dass Kassen finanzielles Interesse daran haben, dass ihren Versicherten möglichst viele der relevanten Diagnosen gegeben werden. Doch arbeiten sie dabei korrekt – oder versuchen sie, Ärzte Diagnosen vergeben zu lassen, die nicht angemessen sind? Es gibt zumindest Anzeichen, dass einiges schiefläuft: Der Techniker-Chef Jens Baas räumte ein, dass wohl alle Kassen „schummeln“. Und die AOK Rheinland/Hamburg akzeptierte kürzlich eine Strafe samt Millionen-Rückzahlung, da Diagnosen ihrer Patienten nachträglich geändert wurden. Das ist im Regelfall selbst dann verboten, wenn nur Fehler korrigiert werden sollen.
System soll „manipulationssicher“ gemacht werden
Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nun reagieren: Ein „Sondergutachten“ des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes soll für Aufklärung sorgen. Es soll die Auswirkungen des Finanzausgleiches laut FAZ „überprüfen sowie die Folgen relevanter Vorschläge zur Veränderung des Morbi-RSA empirisch abschätzen“ – denn mehrere Kassen hatten eigene Gutachten vorgestellt. Außerdem sollen die Gutachter Vorschläge erarbeiten, wie das System „manipulationssicher“ gemacht werden könne“.
Allerdings werden die Ergebnisse erst bis zum 30. September 2017 vorliegen – und somit nach der Bundestagswahl. Viele Krankenkassen, die sich beim Finanzausgleich benachteiligt sehen, hatten eine schnelle Abhilfe angemahnt.
Staatsanwaltschaft bei den Kassenärzten
In der Kritik sind unter anderem so genannte Betreuungsstrukturverträge, mit denen Kassen unter anderem offenbar auch Anreize zur Vergabe von Diagnosen setzen. Das Bundesversicherungsamt hat Zweifel, ob diese verbreitete Praxis rechtens ist. Laut „Ärzte-Zeitung“ ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin bei der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) „wegen Betrugs und Bestechlichkeit“ in Bezug auf einen Betreuungsstrukturvertrag mit der Barmer GEK.
KV-Vize Uwe Kraffel hatte laut der Zeitung bereits Anfang Dezember auf der Vertreterversammlung erklärt, sie hätten ein „reines Gewissen“. Mit der Barmer sei die Vereinbarung abgeschlossen worden, Abrechnungen der vergangenen Jahre noch einmal zu überarbeiten – „im Sinne einer Konsolidierung der Daten, nicht im Sinne einer Verfälschung von Diagnosen oder gar eines Upgrading“. Er habe es als „Problem“ bezeichnet, dass die Aufsichtsbehörden die Betreuungsstrukturverträge für nicht zulässig halten.
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