Arzneimittelpreisverordnung

Wie teuer dürfen Zytos aus Klinikapotheken sein?

Berlin - 09.01.2017, 14:40 Uhr

Gesetzliche Kassen tun alles, um möglichst wenig für Zytozubereitungen aus Apotheken zu bezahlen. Dafür versucht eine Krankenhausapotheke möglichst viel für die Versorgung privat versicherter Krebskranker zu bekommen. (Foto: bencoma /Fotolia)

Gesetzliche Kassen tun alles, um möglichst wenig für Zytozubereitungen aus Apotheken zu bezahlen. Dafür versucht eine Krankenhausapotheke möglichst viel für die Versorgung privat versicherter Krebskranker zu bekommen. (Foto: bencoma /Fotolia)


Klinikapotheken dürfen auch Privatversicherte ambulant mit Zytostatikazubereitungen versorgen. Dabei sind sie nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden, sondern dürfen höhere Preise als öffentliche Apotheken berechnen. Das hat das Landgericht Bremen entschieden. Der PKV-Verband ist alarmiert und sieht die Politik gefordert.

Wenn Krankenhausapotheken Arzneimittel abgeben, sind sie von den Preisen und Spannen, die die  Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) vorgibt, ausgenommen. Das sieht § 1 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV vor. Die Regelung soll den Klinikapotheken insbesondere einen günstigen Einkauf ermöglichen.

Doch was ist, wenn Klinikapotheken Arzneimittel für die ambulante Versorgung abgeben – und dann auch noch an privat Versicherte? Bislang war es Praxis, bei Beihilfeberechtigten und Privatpatienten die Arzneimittelpreisverordnung als Obergrenze der Abrechnung anzuerkennen.

Nun gab es allerdings in Bremen einen Krankenhausträger, der meinte, er könne auch mehr verlangen. Bei drei Behandlungsfällen kamen insgesamt über 213.000 Euro für die Chemo-Therapien zusammen. Hätten öffentliche Apotheken die Zubereitungen geliefert und die Rechnungen gestellt, wären es mehr als 43.500 Euro weniger gewesen – denn sie sind an die Vorgaben für die Zuschläge nach § 5 Abs. 6 AMPreisVO gebunden.

Zweifel nach Intensivprüfung

Die private Versicherung hatte zunächst die von ihren Versicherten beglichenen Rechnungen übernommen. Doch bei einer späteren Intensivprüfung stellte sie fest, dass die Preise weit über der Arzneimittelpreisverordnung lagen. Die Versicherung ließ sich Rückforderungsansprüche von ihren Versicherten abtreten und klagte gegen den Krankenhausträger. Sie machte einen zivilrechtlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend – und klagte sogar die ganze Summe für die Zyto-Zubereitungen ein. Denn der Versicherer vertrat die Auffassung, die Krankenhausapotheke hätte gar keine Zytostatika an privat versicherte Patienten abgeben dürfen. Die Regelung des § 14 Abs. 7 Satz 2 Apothekengesetz (ApoG), welche die Abgabe von Medikamenten an Patienten im Rahmen der ambulanten  Behandlung im Krankenhaus ausnahmsweise zulasse, beziehe sich nur auf gesetzlich Versicherte.

Sollte das Gericht das anders sehen, forderte die klagende Versicherung zumindest den Differenzbetrag zwischen dem in Rechnung gestellten und dem Betrag, den eine Offizinapotheke hätte verlangen können.

Gesundheitsministerium will Klinikapotheken im Blick behalten

Doch das Landgericht Bremen wies die Klage ab. Das Urteil erging bereits im August vergangenen Jahres, wurde aber erst kürzlich bekannt. Gerade mal eine Seite lang sind die Entscheidungsgründe. Das Gericht stellt zunächst klar, dass Verträge über die Abgabe der Zyto-Zubereitungen wirksam seien. Die Krankenhausapotheke habe die Versorgung übernehmen dürfen. Dem Apothekengesetz sei eine Differenzierung zwischen der Versorgung privat und gesetzlich Versicherter fremd.

Aber auch die Preisfestsetzung durch die Beklagte sei nicht zu beanstanden. Dazu heißt es knapp, aber deutlich: „Die Begrenzung der Apothekenzuschläge des § 5 Abs. 6 AMPreisV gilt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV nicht für Krankenhausapotheken. In Anbetracht dieser klaren gesetzlichen Anordnung ist kein Raum für eine Analogie. Die Beseitigung der vom Kläger beklagten Ungleichbehandlung von Offizinapotheken und Krankenhausapotheken müsste, soweit gewollt, durch den Gesetzgeber erfolgen". 

Rechtsstreit geht in die nächste Instanz

Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Beim Oberlandesgericht Bremen ist Berufung eingelegt. Dennoch hat der Verband der Privaten Krankenversicherung die Entscheidung genutzt, um im Rahmen seiner Stellungnahme zum Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung zu fordern. Das ursprünglich vom Gesetzgeber bezweckte Privileg der Krankenhäuser, Arzneimittel günstig einzukaufen, werde mit dem Urteil des Landgerichts Bremen „pervertiert“. Es sei davon auszugehen, dass der Fall schnell von anderen Krankenhäusern aufgegriffen werde. Diese Annahme stützt der PKV-Verband aus Erfahrungen der Vergangenheit – Stichworte sind hier etwa überhöhte Zimmerzuschläge oder die zusätzliche Berechnung von Entlassungstagen für Privatversicherte.

Es bedürfe daher einer entsprechenden Klarstellung. § 1 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV sollte nach Auffassung des Verbands so geändert werden, dass nur solche Arzneimittelabgaben von der Geltung der Arzneimittelpreisverordnung ausgenommen sind, für die die Krankenkassen oder ihre Verbände für ihre GKV-Versicherten Abgabepreise vereinbart haben. Damit wären Beihilfeberechtige und Privatversicherte von der Anwendungsausnahme nicht umfasst, die  Einkaufsvorteile für Klinikapotheken blieben jedoch erhalten.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte gegenüber DAZ.online, dass es die Entwicklung im Blick behalten werde. Unmittelbare Änderungspläne gibt es aber nicht. Zunächst will man abwarten, wie in den nächsten Instanzen entschieden wird.

Urteil des Landgerichts Bremen vom 12. August 2016, Az.: 4 O 964/15



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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