Phytopharmaka bei Erkältung

„Leitlinien und Cochrane-Reviews sind nicht zufriedenstellend“

Schladming - 19.01.2017, 15:00 Uhr

Professor Robert Fürst stellt in Schladming Phytotherapeutika vor, für die es gute Daten gibt. (Foto: wes / DAZ.online)

Professor Robert Fürst stellt in Schladming Phytotherapeutika vor, für die es gute Daten gibt. (Foto: wes / DAZ.online)


Bei Fragen zur Evidenz sind Cochrane-Reviews und Leitlinien wichtige Quellen. Bei pflanzlichen Arzneimitteln gegen Erkältung sind sie allerdings nicht besonders nützlich – findet zumindest Professor Robert Fürst. Sie würden den Besonderheiten der Phytopharmaka nicht gerecht, erklärte der Pharmazeutische Biologe auf dem Pharmacon in Schladming.

Für Phytopharmaka gelten dieselben Qualitätskriterien wie für chemisch synthetische Wirkstoffe. Das heißt, auch hier muss die Wirksamkeit anhand von randomisierten, kontrollierten klinischen Studien belegt werden. Einziger Unterschied sind die Wirkstoffe, die bei pflanzlichen Arzneimitteln Vielstoffgemische darstellen. Das erschwert die Vergleichbarkeit verschiedener Arzneimittel.

Pauschale Aussagen wie „Efeu wirkt bei Husten“ lassen sich daher nicht treffen, erklärt der pharmazeutische Biologe Professor Robert Fürst auf dem Pharmacon in Schladming. Und auch „Efeuextrakt hilft bei Husten“ ist seiner Ansicht noch zu allgemein. Allein Schlüsse wie „der Efeuextrakt von Firma XY hat in einer Studie seine Wirksamkeit bewiesen“ seien legitim, denn die Heterogenität der einzelnen Extrakte sei einfach zu groß.

Vergleicht Cochrane Äpfel mit Birnen?

Die in der Wissenschaft eigentlich sehr angesehen Cochrane-Reviews tragen diesem Umstand allerdings in der Regel keine Rechnung. Die Präparate sind zum Teil sehr uneinheitlich. So werden beispielsweise in einem Review zu Echinachea aus dem Jahre 2014 24 Studien einbezogen. Die Präparate enthalten aber nicht nur unterschiedliche Extrakt-Arten, wie Presssaft oder ethanolische Auszüge, sondern diese Auszüge stammen auch noch aus verschiedenen Pflanzenteilen und sogar von unterschiedlichen Stammpflanzen. Darüber hinaus ist keines der erwähnten Präparate in Deutschland auf dem Markt. Zwar kamen die Autoren zu dem Schluss, dass Echinacea positive Effekte bei der Prävention von Erkältungen hat, ob das Ergebnis dieses Reviews aber eins zu eins auf Fertigarzneimittel, die in Deutschland auf dem Markt sind, übertragbar ist, stellt Fürst infrage.

Und auch die Aussagen in den Leitlinien zu Phtytopharmaka bei Erkältung sind in seinen Augen nicht zufriedenstellend. Systematisch erfasst werden sie nämlich dort in der Regel nicht. Es fehle an vielen Stellen ein Grundverständnis für die Phytoptherapie, findet Fürst. So werden zwar Studienergebnisse erwähnt, aber klare Therapie-Empfehlungen findet man nicht. Dazu kommt: zwei der drei bei Atemwegsinfekten relevanten Leitlinien – Rhinosinusitis und Halsschmerzen – sind abgelaufen, lediglich bei Husten gibt es eine aktuelle Fassung. Hier erhofft sich Fürst aber in Zukunft Besserung. Denn mittlerweile sei die Gesellschaft für Phytotherapie an der Erarbeitung der Leitlinien beteiligt.

Es gibt gute Daten für Phytopharmaka 

Dabei gibt es laut Fürst durchaus Phytopharmaka mit guten Daten im Bereich der Erkältungskrankheiten. Für eine ganze Reihe von Präparaten konstatiert Fürst eine Verkürzung der Krankheitsdauer um zwei bis drei Tage.

Bei Atemwegsinfekten allgemein gelte das zum Beispiel für Esberitox® oder Echinacin® – für letzteres allerdings nur bei Erwachsenen. Bei Sinusitis haben Sinupret® forte und Sinupret® extract sowie Gelomyrtol® nachgewiesene positive Effekte. Gleiches gelte auch für Soledum®, das aber für Fürst kein „echtes“ Phytopharmakon darstellt, da es einen Reinstoff enthält. Für Umckaloabo® sieht Fürst gute Daten bei bakterieller Sinusitis und bei Halsschmerzen, allerdings hat das Präparat für diese Indikationen keine Zulassung. Doch auch im zugelassenen Anwendungsgebiet „Bronchitis“ überzeugt Fürst dieser Auszug aus Pelargonium sidoides. Bei Husten helfe zudem Bronchipret® TE und Bronchipret® TP (Thymian plus Efeu bzw. Primel) sowie die beiden Efeublätter-Trockenextrakt-Produkte Prospan® und Hedelix®. Will man bereits im Vorfeld einer Erkältung etwas tun, ist nach Fürsts Ansicht Angocin® (Kapuzinerkresse + Meerrettich) eine gute Wahl, mit Einschränkung auch Echinacin®. Für dieses Präparat gibt es zwar eine positive Studie, an der hätten aber nur Mitarbeiter des Herstellers teilgenommen, was die Aussagekraft begrenze. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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