Beratungs-Quickie

Orale Notfallkontrazeption

Stuttgart / München - 19.01.2017, 12:00 Uhr

Nur eine Tablette nehmen Frauen nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr zur Nortfallverhütung ein. (Foto: lydiakrumpholz / Fotolia)

Nur eine Tablette nehmen Frauen nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr zur Nortfallverhütung ein. (Foto: lydiakrumpholz / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über das Notfallkontrazeptivum ellaOne für eine junge Frau.  

Formalien-Check

Im Notdienst am Feiertag, morgens kurz nach acht, kommt die junge Frau mit Freund im Schlepptau zur bayerischen Apotheke. Durch die Klappe reicht sie ein Kassenrezept.

Verordnet ist EllaOne® 30 mg Tablette (N1) zulasten der GKV. Seit dem 16. März 2015 ist die „Pille danach“ mit den Wirkstoffen Ulipristalacetat (UPA) oder Levonorgestrel (LNG) in deutschen Apotheken rezept­frei erhältlich. Handlungsempfehlungen zur rezeptfreien Abgabe der „Pille danach“ siehe Leitlinie der BAK. EllaOne® wurde aus der Verschreibungspflicht entlassen. Eine Verordnung auf Kassenrezept und die Erstattungsfähigkeit zulasten der GKV sind nach § 24a Absatz 2 SGB V bis zum vollendeten 20. Lebensjahr (= bis zum 20. Geburtstag) möglich.

Aut-Idem ist nicht angekreuzt, preisgünstige Importe sind zu beachten.

Das Rezept ist eindeutig, aber nicht vollständig. Es ist kein Gebührenstatus-Feld angekreuzt. Die zum Zeitpunkt der Rezepteinlösung Achtzehnjährige muss die gesetzliche Zuzahlung leisten. Auch die Notdienstgebühr ist von der Patientin zu tragen, da das Feld „Noctu“ nicht angekreuzt ist.

Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig. Das Rezept sollte aus pharmazeutischer Sicht jedoch nur innerhalb von fünf Tagen beliefert werden.

Beratungs-Basics

EllaOne® enthält den Progesteron-Rezeptor-Modulator Ulipristalacetat (UPA). Der Wirkstoff inhibiert die Bindung von Progesteron und verhindert oder verzögert dadurch die Ovulation, auch wenn der LH-Anstieg bereits erfolgt ist. Falls die Ovulation bereits stattgefunden hat, ist Ulipristalacetat nicht mehr wirksam. Das Arzneimittel ist für alle Frauen im gebärfähigen Alter, einschließlich Jugendlicher, geeignet.

Da der Zeitpunkt der Ovulation nicht vorhergesagt werden kann, muss die Einnahme der Tablette (entspricht 30 mg Ulipristalacetat) so bald wie möglich und nicht später als 120 Stunden (fünf Tage) nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr beziehungsweise Versagen der Kontrazeption erfolgen. Die Wirksamkeit ist am größten, je früher die Einnahme erfolgt. Das Arzneimittel kann zu jedem Zeitpunkt des Menstruationszyklus eingenommen werden.

Wenn innerhalb von drei Stunden nach Einnahme der Einmaldosis Erbrechen auftritt, sollte eine weitere Tablette eingenommen werden. Nach der Anwendung kommt es häufig zu Bauchschmerzen, Übelkeit, Unwohlsein und Erbrechen. Es empfiehlt sich daher, vor der Einnahme der Tablette etwas zu essen.

Andere unerwünschte Wirkungen sind affektive Störungen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen sowie Schwindelgefühl und Müdigkeit. Die Reaktionsfähigkeit und Fahrtüchtigkeit kann eingeschränkt sein. Häufig kommt es zu Unterleibsschmerzen und Spannungen in der Brust. Außerdem kann nach der Einnahme die folgende Menstruationsblutung einige Tage früher oder später und verstärkt auftreten. Bei Ausbleiben der Monatsblutung von mehr als sieben Tagen sollte eine frauenärztliche Untersuchung erfolgen.

UPA sollte nicht bei schweren Leberfunktionsstörungen oder instabilem Asthma angewendet werden.

Die wiederholte Anwendung einer Notfallkontrazeption innerhalb desselben Menstruationszyklus sollte unterbleiben. Neben einer unerwünschten hohen Hormonbelastung können daraus schwere Zyklusstörungen resultieren.

Erbrechen und Durchfall (chronisch entzündliche Darmerkrankungen) mindern die Bioverfügbarkeit und damit die Wirksamkeit der „Pille danach“.

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten.

CYP3A4-Induktoren wie Johanniskraut-Präparate und Carbamazepin können die Wirksamkeit von EllaOne® beeinträchtigen. Der pharmazeutische Unternehmer rät unter diesen Voraussetzungen von der Einnahme von Ulipristalacetat ab. Patienten sollten in diesem Fall gynäkologische Hilfe suchen.

Frauen können nach der Einnahme von EllaOne® die Anwendung hormoneller Kontrazeption beginnen oder fortsetzen. Sie sollten jedoch bis zur nächsten Menstruationsblutung mit einer zuverlässigen Barrieremethode verhüten, da die Wirkung Gestagen-haltiger Arzneimittel durch UPA beeinträchtigt sein kann.

Kann eine bestehende Schwangerschaft nicht ausgeschlossen werden, ist (in der Selbstmedikation) vor Anwendung der „Pille danach“ ein Schwangerschaftstest (und der Verweis an den Arzt) notwendig. Im Falle einer Schwangerschaft ist die „Pille danach“ wirkungslos: UPA führt in einer Einzeldosis von 30 mg nicht zum Abbruch einer bestehenden Schwangerschaft. Bisher gibt es keinen Hinweis, dass das Präparat bei bestehender Schwangerschaft dem Embryo schadet. Tierexperimentelle Daten in Bezug auf die Reproduktionstoxizität sind momentan jedoch noch nicht ausreichend.

Es gibt Hinweise darauf, dass die „Pille danach“ bei einem höheren Körpergewicht oder BMI weniger wirksam ist. Die EMA kommt in ihrem Bewertungsbericht zu dem Schluss, dass die Daten begrenzt und nicht eindeutig seien. Notfallkontrazeptiva könnten weiterhin von allen Frauen verwendet werden, unabhängig vom Körpergewicht der Frau oder ihrem BMI. Entsprechende Hinweise wurden jedoch in die Produktinformationen aufgenommen.

UPA tritt in die Muttermilch über. Stillenden Frauen ist eine Stillpause von einer Woche anzuraten. Während dieser Zeit muss die Muttermilch abgepumpt und verworfen werden.

Darf`s ein bisschen mehr sein?

•    Die Kundin sollte auf bisherige Verhütungsmethoden angesprochen werden.

•    Ihr sind wirksame Kontrazeptionsmethoden zu empfehlen, denn die Notfallkontrazeption kann keine regelmäßige Verhütungsmethode ersetzen.

•    Nach der Notfallkontrazeption ist eine Barrieremethode zu verwenden, bis die nächste reguläre Monatsblutung einsetzt, da ein schnelles Wiedereinstellen der Fertilität nach der Behandlung mit UPA wahrscheinlich ist.

  • Weitere Tipps zur Beratung gibt es hier.

Die Kundin ist ziemlich abgeklärt. Sie habe das Präparat schon einmal genommen und wisse alles über die Einnahme.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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