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Warnung der Versandapotheken
ABDA hält Staatshaftung für „dummes Zeug“
Ein Rx-Versandverbot würde dazu führen, dass Deutschland „in Staatshaftung genommen“ werde und Schadenersatz leisten müsse, meint der Versandapotheken-Verband BVDVA. Die ABDA sieht diese Drohung gelassen. Da werde „dummes Zeug geredet“, sagte Justiziar Tisch auf dem Pharmacon.
Am Dienstag dieser Woche hatte der Bundesverband der
Versandapotheken BVDVA in einer Pressemitteilung geschrieben, Deutschland drohe
„gegenüber internationalen Marktteilnehmern in Staatshaftung genommen zu
werden“, sollte ein Verbot des Versands mit verschreibungspflichtigen Medikamenten
hierzulande umgesetzt werden.“ Es drohten hohe Schadenersatzzahlungen an die
betroffenen Versandapotheken, die Klagen vorbereiten würden. Der Verband habe
ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das er den Bundestagsabgeordneten „in
Kürze“ vorstellen werde.
Am gestrigen Donnerstagabend nutzten der Präsident der
Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, und der ABDA-Justiziar Lutz Tisch
die traditionelle „Berufspolitische Veranstaltung“ auf dem noch bis heute in
Schladming stattfindenden Pharmacon-Kongress, um ihre Sicht auf diesen Aspekt
zu äußern. Und die ist eindeutig: Für Kiefer handelt es sich um das „Werfen von
Nebelkerzen“, für Tisch ist es „dummes Zeug, das da geredet wird“. Voraussetzung
für eine Staatshaftung sei, dass ein Mitgliedstaat offen gegen
Gemeinschaftsrecht verstoße. Das sei aber beim Rx-Versandverbot keineswegs der
Fall. Schließlich habe der Europäische Gerichtshof 2003 selbst geurteilt, dass
der Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel untersagt werden könne. Dazu
komme, dass aktuell 21 von 28 EU-Staaten den Rx-Versand untersagt haben.
Gefahren aus Europa
Doch Tisch machte in Schladming auch klar, dass er sehr wohl große Gefahren für das deutsche Apotheken- und Gesundheitswesen und für die Freien Berufe insgesamt von der EU ausgehen sieht. Durch die Globalisierung und den Einfluss großer internationaler Kapitalgesellschaften habe sich die Einstellung durchgesetzt, nur durch Liberalisierungen könne Europa wettbewerbsfähig bleiben. Dazu komme, dass der Einfluss der in Süd- und Mitteleuropa vorherrschenden römisch-rechtlichen Rechtstradition zugunsten der angelsächsischen zurückgedrängt worden sei. Diese Rechtstradition kenne aber das Konstrukt der Freien Berufe gar nicht und sei generell nicht so sehr vom Gedanken der Gefahrenabwehr geprägt wie die römisch-rechtliche. Deswegen fehle es oft am grundsätzlichen Verständnis für den Sinn und Zweck deutscher Regulierungen.
Man solle sich keiner Illusion hingeben, warnte Tisch: Die EU-Kommission sei „hoch motiviert, unser System zu schleifen“. Das zeige beispielsweise das Dienstleistungspaket, in dem sich viel von der Argumentation des jüngsten EuGH-Urteils zur Arzneimittelpreisbindung wiederfinde.
In drei Jahren wieder vor dem EuGH
Ebenfalls keine Illusionen macht sich Tisch über die zu erwartenden Reaktionen auf ein Rx-Versandverbot. „Dieses Gesetz wird sowieso beklagt werden“, so der ABDA-Justiziar. Die betroffenen Versandapotheken werden die neue Regelung wieder vor den Europäischen Gerichtshof bringen wollen. Tisch rechnet damit, dass sich die höchsten europäischen Richter innerhalb von etwa drei Jahren nach Inkrafttreten mit dem Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel beschäftigen werden.
Hürde Notifizierung
Auch zum Notifizierungsverfahren, das ein Rx-Versandverbot durchlaufen muss, äußerte sich Tisch auf Nachfrage aus dem Auditorium. Es sei richtig, dass in der zugrundeliegenden EU-Richtlinie „schwarz auf weiß“ nur von „technischen Vorschriften“ die Rede sei, deren Einführung angezeigt werden muss. Es habe sich auf Basis dieser Vorschrift aber eine Rechtsprechung dahingehend entwickelt, dass alle Vorschriften, die den freien Warenverkehr beeinträchtigen könnten, das Notifizierungsverfahren durchlaufen müssen.
Entscheidend sei aber ohnehin, dass das Bundesgesundheitsministerium das Rx-Versandverbot nur mit der Notifizierung für möglich hält. Für Tisch stellt das Notifizierungsverfahren auch keine grundsätzliche Hürde für ein Rx-Versandverbot dar. Der entsprechende Gesetzentwurf müsse drei Monate auf einer Online-Plattform veröffentlicht werden, bevor er in Kraft treten kann (Stillhaltefrist). Wenn es in dieser Zeit qualifizierte Stellungnahmen gibt, verlängert sich die Zeit bis zur Einführung des Gesetzes, weil der Mitgliedstaat erläutern muss, welche Maßnahmen er aufgrund der Stellungnahme zu ergreifen gedenkt. Befürchtungen, das Notifizierungsverfahren sei nur ein Trick, um das Rx-Versandverbot doch noch scheitern zu lassen, wiesen Tisch und Kiefer zurück. „Das ist kein politisches Manöver“, so Kiefer. Das BMG sei entschlossen, das Verbot umzusetzen.
4 Kommentare
Diskussion...naja...
von gabriela aures am 22.01.2017 um 14:08 Uhr
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"Justitiar" Tisch
von Bernd Küsgens am 21.01.2017 um 10:51 Uhr
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"Justitiar" Tisch
von Heiko Barz am 20.01.2017 um 18:52 Uhr
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Dummes Zeug
von Frank ebert am 20.01.2017 um 11:26 Uhr
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