Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.01.2017, 08:00 Uhr


Wieder eine Woche mit Tippelschritten, aber in eine Richtung. Es gibt nur ein Ziel: Rx-Versandverbot. Auch wenn Zauderer, Zögerer und Bedenkenträger immer wieder neue Hürden sehen. Auch wenn der „Spiegel“ uns „aggressiv“ nennt. Nicht kirre machen lassen! Die kleine Froststarre ist dem eisigen Wetter geschuldet. Das Tauwetter kommt bestimmt.

16. Januar 2017

„Fernabsatz hat nichts mit Digitalisierung zu tun“, sagt der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Andreas Kiefer. „Fernabsatz“ – ein Wort, das mit Sicherheit in die Kategorie der wunderschönen gepflegten deutschen Worte gehört. „Fernabsatz“ – in der heutigen Umgangssprache so geläufig wie „Ferngespräch“, nämlich gar nicht. Es gab vor 17 Jahren sogar einmal ein Fernabsatzgesetz, das allerdings nach zwei Jahren wieder aufgehoben und ins Bürgerliche Gesetzbuch integriert wurde. Also, „Fernabsatz“ ist schlicht Versandhandel: Ware per Postkarte, Telefon oder Internetportal bestellen und per Paketpost versenden. Versandhandel gab’s schon zu Zeiten von Neckermann-, Quelle- und Otto-Versand, als das Wort Digitalisierung noch gar nicht erfunden war. Also, hat Versandhandel irgendetwas mit Digitalisierung zu tun? Um Himmelswillen nein! Und damit hat er Recht, der BAK-Präsident. Nur, mein liebes Tagebuch, hätte er „Versandhandel“ gesagt, wär’s verständlicher gewesen. Zum Hintergrund: Versandapotheken und SPD-Gesundheitspolitiker versuchen, das Rx-Versandverbot in Zeiten der Digitalisierung als „anachronistisch und unrealistisch“ zu brandmarken. Quatsch! Genauso könnte man sagen, das Rx-Versandverbot sei in Zeiten der Spätzlesierung von Berlin anachronistisch – mehr Spätzle auf Berliner Speisekarten haben nichts mit Rx-Versandverbot zu tun. Außerdem: Spätzle sind rezeptfrei.

Das gibt Aufwind: Über die Hälfte der Deutschen (51 Prozent) unterstützen die Initiative von Bundesgesundheitsminister Gröhe, ein Rx-Versandverbot einzuführen. Und nur ein Drittel ist dagegen. Das ergab eine vom Institut für Demoskopie Allensbach selbst finanzierte Umfrage, nach Angaben des Instituts hatten da weder Versender noch ABDA ihre Finger drin. Mein liebes Tagebuch, das ist doch schon fast eine Adelung: Ein Rx-Versandverbot ist der richtige Weg. Die überwiegende Mehrheit (zwei Drittel) der deutschen Bevölkerung  ist dafür oder hat zumindest nichts dagegen, dass sie ihre Rezepte in Zukunft nur noch in einer Apotheke vor Ort einlöst. Diese Mehrheit möchte die Vor-Ort-Apotheken erhalten und vor der ausländischen Konkurrenz schützen. Deutlicher kann man es kaum sagen. Hallo SPD, hallo ihr Grünen, wie wär’s da mal mit Umdenken?

17. Januar 2017

Bis zum 16. Januar sollte die Bundesregierung der EU-Kommission mitteilen, wie sie sich nach dem EuGH-Urteil zum Thema Rx-Boni positioniert. Die EU-Kommission möchte also wissen, ob und wie der jetzt europarechtswidrige Paragraf (die Arzneimittelpreisverordnung gilt auch für ausländische Versandapotheken) aus dem Sozialgesetzbuch entfernt wird. Angesprochen sind das Bundesgesundheits- und das Bundeswirtschaftsministerium. Und beide haben geantwortet: Wir sind uns noch nicht einig, wir brauchen mehr Zeit! Mein liebes Tagebuch, dass das geplante Rx-Versandverbot im Antwortschreiben nicht erwähn wurde, muss nichts Schlechtes bedeuten; vermutlich will man das offiziell erst mitteilen, wenn man sich darüber in der Koalition einig ist.

Da hat SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kurz nachgedacht und kann sich sogar fürs Rx-Versandverbot erwärmen, wenn im Gegenzug Chroniker von Zuzahlungen befreit würden – aber die Krankenkassen bleiben stur. Der GKV-Spitzenverband lässt in einem Statement wissen: Wir sind gegen ein Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel. J. M. von Stackelberg, Vizechef des GKV-Verbands, argumentiert: „Ein Versandhandelsverbot wäre im 21. Jahrhundert nicht zeitgemäß…“ Mein liebes Tagebuch, wo lebt Herr von Stackelberg eigentlich? Es geht doch hier nicht darum, ob etwas  „zeitgemäß“ ist oder nicht. Es geht hier um Arzneimittelsicherheit und letztlich um den Erhalt einer flächendeckenden Versorgung zu gleichen, fairen Preisen für alle. Päckchen verschicken ist uralt, zeitgemäß ist zu erkennen, dass es besser ist, Waren der besonderen Art nicht durch die Gegend zu karren, sondern vor Ort zu erwerben. So sieht’s aus!

Während Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml von Lauterbachs Chronikerbefreiungsvorschlag nichts hält und meint, ein Rx-Versandverbot sollte es ohne den SPD-Kompromiss der Zuzahlungsbefreiung geben, kann sich SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke, eigentlich ein Gegner des Versandverbots, für den Lauterbach-Vorschlag erwärmen und sich dies sogar als Weg zum Ziel eines Rx-Versandverbots vorstellen. „Wir sind dabei einen Kompromiss zu finden“, sagt Franke. Da freut sich mein liebes Tagebuch, Herr Franke. Ein Rx-Versandverbot hat doch gute Chancen, ist zeitgemäß, passt zur SPD (faire Preise für alle und sichere Arzneiversorgung) und lässt sich relativ rasch umsetzen – wenn Sie und Ihre SPD mitmachen! Worauf warten Sie?

18. Januar 2017

Aber die SPD will (noch) nicht, ein Rx-Versandverbot ist mit ihr nicht drin, wie auf einer Sitzung der gesamten SPD-Bundestagsfraktion deutlich wird. Selbst Lauterbachs Annäherung findet kaum Zuspruch, im Gegenteil, die Mehrheit der Genossen kritisiert ihn für sein Vorpreschen: Es fehlen die konkreten Lösungsvorschläge. Ja, Herr Lauterbach, gut gemeint, dumm gelaufen. Mein liebes Tagebuch, was echt weh tut: Solange sich Union und SPD nicht geeinigt haben, geht’s mit dem Referentenentwurf zum Rx-Versandverbot nicht weiter. So frostig wie es draußen in dieser Woche war, so tiefgefroren ruht der Gröhe-Entwurf im Eis. Wir warten auf Tauwetter!

Es hat gedauert. Jetzt hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet und ab März ist es soweit: Cannabis gibt’s auf Rezept, die Kassen bezahlen, wenn der Arzt den Medizinalhanf für die ultima ratio in der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen (z. B. Schmerz- oder Multiple-Sklerose-Patienten) hält. Die Patienten freuen sich. Und die ABDA auch: „In Zukunft können Patienten Rezepturarzneimittel aus Cannabis in kontrollierter pharmazeutischer Qualität aus der Apotheke bekommen“, sagt der BAK-Präsident Kiefer. Mein liebes Tagebuch, jetzt heißt es Platz schaffen im BtM-Schrank für „Cannabis flos“ und mal die Regeln für BtM-Rezepte wiederholen. 

19. Januar 2017

Das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn der Rx-Versand nicht verboten wird: DocMorris kooperiert mit „Bild“. Will heißen: Wer Bild liest, bekommt einen 7,50-Euro-Gutschein, den er beim niederländischen Versender einlösen kann. Außerdem verspricht DocMorris einen Rx-Rabatt von 2,50 Euro pro Arzneimittelpackung, pro Rezept bis zu 15 Euro, dazu portofreies Einsenden des Rezepts und Lieferung innerhalb von 48 Stunden (puh, dauert das lang!). Mein liebes Tagebuch, da möchte man den  Zauderern nur zurufen: Na, SPD und Grüne, wie gefällt euch das? Soll so in Zukunft unsere Arzneiversorgung aussehen? Rezepte einsenden. Warten. Bonus sichern? Geldverdienen auf Rezept? Bitte, macht euch nicht lächerlich.   

Auf die Akutversorgung durch Apotheken vor Ort möchte keiner verzichten, auch nicht liberale Wirtschaftsjournalisten, nicht die SPD und nicht die Grünen. Aber sie alle jubeln die Sparmöglichkeiten durch Boni und Rabatte hoch, als läge darin das Wohl und Wehe unserer Nation. Doch allen, die glauben, dass der Wettbewerb bei Rx-Arzneimitteln das Glückseligmachende auf Erden sei, die Schere, mit denen endlich, endlich alte Apothekenzöpfe abgeschnitten werden, all denen sei zugerufen: Wer die süßen Äuglein des Wettbewerbs in Form von Schnäppchen und Boni will, muss auch die hässliche Fratze ertragen, nämlich immer weniger Apotheken mit immer schlechteren Leistungen. Auf dem schon heute auf Kante genähten Apothekenmarkt wirken sich selbst moderate Umsatzverluste von „nur“ zehn Prozent katastrophal aus: Bis zu 4400 Apotheken wären in ihrer Existenz bedroht, die Rentabilität der verbleibenden Apotheke würde ausgehöhlt, wie Kollege Thomas Müller-Bohn in der letzten DAZ vorrechnet. Mein liebes Tagebuch, wann kapieren das die Politiker, die das Gesetz blockieren: Boni und bewährte Versorgung geht nicht. Und das sind keine Fake-News und nicht postfaktisch, sondern einfach nur Fakt.   

20. Januar 2017

Die Verbraucherzentralen haben sich die Nahrungsergänzungsmittel vorgeknöpft, also Lebensmittel, die im Gewand von Arzneimitteln daherkommen, die aber, da Lebensmittel, nicht auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft sind und auch keiner Zulassung bedürfen. Aber Nahrungsergänzungsmittel (NEM) können Einfluss auf die Therapie mit Arzneimitteln haben und Wechselwirkungen hervorrufen. Um hier mehr Transparenz zu schaffen, haben die Verbraucherzentralen ein neues Online-Informationsportal geschaffen. Auf klartext-nahrungsergänzung.de findet man rechtliche Hintergründe und Infos zu gesundheitlichen Risiken von NEM. Mein liebes Tagebuch, NEM werden nicht nur in Drogerie- und Supermärkten verkauft, sondern gehen auch in Apotheken in großer Zahl über den HV-Tisch. Das neue Online-Portal ist gut gemacht. Auch als Apotheker findet man dort viele nützliche Infos. Ob es allerdings gleich eine Zulassungspflicht mit Sicherheitsprüfung für NEM braucht, wie sie die Verbraucherzentralen fordern, darüber sollte man nochmal nachdenken.

Der Bundesverband der Versandapotheken hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, wonach ein Rx-Versandverbot dazu führen würde, dass Deutschland „in Staatshaftung“ genommen werde. „Dummes Zeug“, meint ABDA-Justiziar Tisch. Die Voraussetzungen dafür lägen gar nicht vor. Allerdings gibt er sich auch keinen Illusionen hin: Die Versender würden ein Versandverbot sowieso beklagen. Seine Prognose: Der EuGH muss sich in drei Jahren mit dem Rx-Versandverbot erneut beschäftigen. Mein liebes Tagebuch, und wenn schon! Entscheidend ist: Das Gesundheitsministerium hält das Verbot für möglich und setzt es entschlossen durch.

EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis aus Litauen hat den Gesundheitsausschuss des Bundestags besucht. Der Mann ist in gewisser Weise „vom Fach“, er ist von Haus aus Chirurg, sollte  Gesundheitsfragen also nahestehen. Der Gesundheitsausschuss konnte den Kommissar zu seiner Meinung über das EuGH-Urteil befragen. Und, mein liebes Tagebuch, ist ein Rx-Versandverbot europarechtlich haltbar? Was meint der Kommissar? Dem Vernehmen nach wollte sich der Kommissar so genau nicht festlegen. Immerhin, es sei legitim, sich über Problemlösungen Gedanken zu machen,  Ups, scheint wirklich schwer zu sein, diese Frage.

Auch im Bundestag kommt man zur Frage eines Rx-Versandverbots nicht recht weiter. Die Abgeordneten setzten sich in einer virtuellen Debatte (Reden wurden schriftlich zu Protokoll gegeben) mit dem Antrag der Linksfraktion auseinander, der ein Rx-Versandverbot vorsieht. Die Beiträge zeigen: Noch sind Union und SPD meilenweit auseinander. Während die SPD-Politikerin Dittmar bei einem Versandverbot sogar Probleme mit dem Botendienst sieht und Rx-Boni lieber verbieten oder deckeln möchte (aber was nun und wie?), ist für den CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich der einfachste und schnellste Weg ein Rx-Versandverbot.  Und die Linken-Politikerin Vogler setzt auf die Apotheke vor Ort: Arzneimittel gehören in fachkundige Apothekerhand und nicht in den Pakettransporter. So. Ist. Es.

21. Januar 2017

Der „Spiegel“ schießt „aus allen Rohren“ gegen die Apotheke, eine „aggressive“ Berufsgruppe, vor der sogar die Sozialdemokraten eingeknickt seien: Lauterbach habe eine spektakuläre Wende vollzogen, die Genossen gäben dem massiven Druck der Lobby nach. Die ABDA-Kampagne, bei der „das Verkaufspersonal“ der Apotheke die Kunden belehrt, dass bald ein Apothekensterben bevorstehe, kanzelt der „Spiegel“ ab: Bei der Kampagne handele es sich eher um Fake News als um Aufklärung. Was beim Magazin angekommen ist: „Wie die Apotheker den Versandhandel mit Medikamenten verhindern wollen“, heißt es unzutreffend im Inhaltsverzeichnis. Mein liebes Tagebuch, kein Wort zum EuGH-Urteil, kein Wort zu den Folgen. Oberflächlicher geht’s nimmer.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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14 Kommentare

Auch die Großen werden diesen Kampf verlieren

von Thomas Luft am 24.01.2017 um 12:41 Uhr

Denn der 1,- Euro-Effekt skaliert dummerweise und die Personalkosten sind nach dem Wareneinkauf der zweitgrößte Posten. Eine durchschnittliche deutsche Apotheke hat ca. 30.000 Packungen Rx im GKV-Bereich pro Jahr. Alleine das würde dann mal eben 30.000 Euro Ertrag(!) kosten. Wohlgemerkt ERTRAG, nicht UMSATZ. Bei einem durchschnittlichem Betriebsergebnis von 136.000 Euro "verschenkt" der Inhaber also über 20% seines "Gewinns". Dieser Gewinn (für alle Nicht-Apotheker) muss übrigens a) noch versteuert werden und b) müssen aus diesem Gewinn noch Kranken- und Rentenversicherung bezahlt werden.

Bei großen Apotheken, erhöht sich die Packungszahl natürlich und entsprechend erhöht sich der Rabatt-Effekt. Mit entsprechend höheren Personalkosten wird auch die Großapotheke wirtschaftlich deutlich geschwächt!

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AW: Auch die Großen werden diesen Kampf

von Thomas Luft am 24.01.2017 um 13:12 Uhr

Sorry, der erste Satz muss natürlich heißen: "Denn der 1,- Euro-Effekt skaliert dummerweise NICHT..."

Es wäre schön, wenn die Redaktion die Möglichkeit der Bearbeitung der eigenen Beiträge ermöglichen würde.

nicht postfaktisch

von Karl Friedrich Müller am 23.01.2017 um 7:35 Uhr

Gestern hatte ich den positivsten Notdienst meiner langen Selbstständigkeit, weil viele Kunden zum Ausdruck gebracht haben, wie sehr sie sich freuen, dass ich (also eine Apotheke vor Ort) da bin und mich um sie kümmere, meinen Sonntag "opfere".
Das hat meine Seele gestreichelt. Solche Rückmeldungen braucht es in dieser Zeit ganz besonders.

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Blutspiegel - Sic transit gloria speculi

von Andreas P. Schenkel am 22.01.2017 um 21:34 Uhr

Vor ein paar Wochen hat der Spiegel in seiner Jubiläumsausgabe noch treuherzig versichert, dass es vorbei sei mit den bequemen Nischen, aus denen die Journalisten die Welt betrachten und sich nie herausbewegten. Man habe gelernt. Von wegen - Pustekuchen!

Wie toll das doch klang: Man habe eine so tolle Abteilung, die mehrfach alle Fakten auf Stichhaltigkeit und Korrektheit teste. Dann wurde der besagte Artikel anscheinend an dieser ach so famosen Abteilung vorbeigeschmuggelt.

Angesichts der vielen üblen Fehler ist man ja fast versucht, so allerlei pejorativ gemeinte Attributierungen wie z.B. das "Verkaufspersonal" mit Flapsigkeit eines Autors kurz vor der Redaktions-Deadline zu exkulpieren.

Nur eine Auswahl des gesammelten Quatsches:

Typisch ist mal wieder, alle Arzneimittelausgaben Deutschlands denen anderer EU-Länder gegenüberzustellen (selbstverständlich unkommentiert), um den deutschen Apothekern mittelbar zu unterstellen, sie seien an allen Gesundheitsausgaben die Hauptschuldigen.

Dann wird auf erhebliche Umsatzsteigerungen von 12% innerhalb von zwei Jahren verwiesen, mit der Folgerung, die Apotheken seien ja Goldgruben. Umsatz ist nicht Gewinn: Umsatz steigt auch, wenn Monatsrationen von neuen Hepatitis-C-Arzneien 20.000 € kosten, diese Therapien über 3 Monate laufen und in einem Jahr 10 dieser Patienten in der Apotheke auftauchen. Umsatzplus ist 600.000€ (3 x 20.000€ x 10), Mehr-Ertrag ist ca. (3 x 6€ x 10), also 180 €. Für die Finanzierung dieser Arzneimittel, sofern nur direkt zu beziehen und sofort zu bezahlen: ein paar Wochen im Bank-Kontokorrent = horrend!

Richtig schlimmer Schmieren-Journalismus ist es, die SPD zu zeihen, sie lasse (die vom Spiegel-Autor herbei-imaginierte) Oma, die beim Arzneiversand ja ach so spart, über die Klinge springen. Warum soll ein einem Solidarsystem wie der GKV die Gesamtheit der Beitragszahler jemandem eine Rückvergütung finanzieren, die ihm nicht zusteht? Warum sollen wir alle (der Wähler, der GKV-Versicherte, der Spiegel-Kunde ...) dulden, dass jemand aus seiner Krankheit, deren Bewältigung ihm zu Recht das Solidarsystem finanziert, auch noch unberechtigterweise ein Geschäft machen darf?

Dann tut der Spiegel auch noch so, als verdiene die Apotheke an Rezepturen ein Heiden-Geld, verschweigt aber, dass auch die jetzige Erhöhung nicht verhindern wird, dass Rezepturen in mindestens 99,99% aller Fälle keinerlei Gewinn abwerfen, sondern auch weiterhin wie bisher ein Verlustgeschäft sind. Auch es so hinzustellen (ohne es explizit zu behaupten), als sei der Nacht- und Notdienst-Fonds ein ertragreicher Topf, ist hart an der Grenze zu Fake-News.

A propos: Wer so einen Artikel veröffentlicht, sollte mit Fake-News-Zuschreibungen sehr vorsichtig sein. Ich habe solche böswillig zusammengeschusterten Artikel schon mehrfach im Spiegel gelesen, und es macht mich mit jedem Mal mißtrauischer, was die Recherche-Leistung und die journalistische Qualität dieses Blättchens angeht. Mag sein, dass die Artikel unterhaltsam sind, auch dieser ist ja launig geschrieben. In mir keimt jedoch der Verdacht, dass dies zum Selbstzweck verkommen ist und es dem Spiegel auf wahrhaftigen Inhalt gar nicht mehr so ankommt.

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AW: Blutspiegel - Sic transit gloria speculi

von Albert Bonell am 27.01.2017 um 9:34 Uhr

Dieser Verdacht ist inzwischen bei mir so sehr ein Keim wie der Versandhandel ein zartes Pflänzchen.

Faktenlöcher

von Reinhard Rodiger am 22.01.2017 um 16:01 Uhr

Mir fehlt jedes Zeichen dafür, die gegebene Chance zu nutzen.Sie besteht darin, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Ruf nach Fakten und der quasi innovativen Öffnung der Politik.Niemand stützt Gröhe mit Argumenten.Man kann zwar sagen,die Fakten sind bekannt, doch solange jeder irgendwas rausposaunen kann ,ohne valide Antwort ,bleibt etwas hängen.
Die von Professoren , Gutachtern und Presse angebotenen "Fakten" sind einseitig und warten auf Antwort.Uns wird Lobbyismus vorgeworfen und die von den anderen synchronisierte Fehlinformation bleibt im Bewusstsein.

Im Unterschied zu früher ist erstmals ein Sog erkennbar, überhaupt einen Diskurs zu beginnen. Es wird gefragt! Nur, das muss beantwortet werden. genauso wie die Anmache.
Es reicht nicht, etwas als "Dummes Zeug" zu bezeichnen oder gar nichts zu sagen, weil irgendwann schon mal etwas gesagt wurde.Die Kenntnis des Zusammenspiels ist verbreitet mangelhaft.
Das Problem ist, vordergründiger Plausibilität glaubhaft UND faktisch die Folgen gegenüberzustellen.Es geht also um den Beleg des hier noch nicht Geschehenen.Hierzu gibt es Beispiele aus anderen Ländern, in denen das schon Realität ist.

Ohne das Stopfen von Faktenlöchern wird es nicht gehen.


» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Faktenlöcher

von Christian Timme am 22.01.2017 um 17:32 Uhr

Ihre Kunden sind das Kapital was in dieser Diskussion mit der Politik zählt. Sie haben alles Info-Material der Welt, nur keiner trägt und fügt es für ihre Kunden in der Apotheke zusammen, optimiert und stellt es den engagierten Apotheken zur Verfügung. Ich erlaube mir auf die Clips in YouTube von Ann-Katrin Kossendey-Koch zu verweisen, der TV-Spot von Wort&Bild, der Bosbach Spot ohne den NRW-Bezug, DAZ-Serie Europa Deine Apotheken usw. Eine uninspirierte ABDA an der Spitze und 34 MO, Sandkastenspiele, Diskussionen bis der Tod eintritt, wird sich das in 2017 etwa ändern?. Wie schrieb ein Apotheker: Lieber Gott, lass Hirn vom Himmel regnen ...

AW: Faktenlöcher

von Reinhard Rodiger am 22.01.2017 um 19:31 Uhr

@ Christian Timme Sie haben ja Recht, vieles ist frontnah zu machen.Da gibt es viel griffiges Material(zB Karlsruher Apotheker mit nachdruckbaren Flyers) Aber eben nicht alles ist vor Ort lösbar.Es ist immer eine Notlösung, Führungsaufgaben nach unten zu delegieren. Das Problem ist, dass andere Ebenen zu überzeugen sind.Dazu zähle ich vor allem die SVR-Gutachter. Von dieser Seite kommt nur: warum gibt es hierzu keine Kommentare? Die Politik braucht Fakten zur Untermauerung. Das ist nun mal keine Frontaufgabe.

Spiegel und off-topic

von gabriela aures am 22.01.2017 um 14:18 Uhr

Guten Morgen, meine Lieben !

What the fuck is Spiegel ?

Schlimmstenfalls rufen die nächsten Wochen wieder die Call-Center-Abo-Werber an, um uns ein Super-Angebot für dieses
abgehalfterte Bättchen zu machen (denen geht halt die Leserklientel aus).
Falls der "Artikel" auch online steht, gibt es wieder die üblichen Schmierlappen-Kommentare derer, die weder lesen noch verstehen wollen.
Darüber rege ich mich nicht mehr auf.
Sonder mehr über das, was heute hier "off-topic" ist :
Die "Berufspolitische Diskussion" am Donnerstag abend in Schladming :
Die diesjährige "Diskussion" hat ihren Namen leider nicht verdient und viele Anwesende eher verwirrt und unbefriedigt entlassen, wie ich aus manchen Gesprächen im Anschluß mitbekommen habe .
Und daß völlig wertfreie Nachfragen manchen Verbandschef völlig entgleisen lassen ...(oder er mag mich nur einfach nicht, kann ja auch sein)

Den Löwenanteil der Zeit durften zuerst Herr Tisch juristische Hintergründe erläutern und dann hat der HGF Dr. Schmitz einen Vortrag gehalten, der sich zwischen
Widerlegen der Vorwürfe der Basis ( sorry, aber so wenig Kritik, sondern vielmehr so viel Unterstützung und Ruhe wie seit dem 19. Oktober hat die ABDA doch seit Jahren nicht mehr erleben dürfen !) und einer Nachhilfestunde in Sozialkunde mit dem Titel "Der Weg von der Idee zum fertigen Gesetz" bewegte.
Ja, danke, jetzt wissen wir, daß die ABDA viel tut, sich nicht nur mit sich selbst beschäftigt, der Entscheidungsprozeß einer der demokratischsten überhaupt ist und das Ringen der 17+17 Kammern und Verbände zwar dauern kann, aber auch ein Ausdruck der transparenten Demokratie ist. Und wie lang und unter Umständen steinig der Weg vom Entwurf zum Gesetz ist und wo die ABDA da beratend ihre Meinung kundtun darf.

Diskutiert wurde mangels Zeit, Gelegenheit oder auch Thema recht wenig und bevor es "interessant" werden konnte, war's auch schnell vorbei.

Klar ist, wie Herr Tisch verdeutlicht hat, daß die Gefahren für unser System und somit auch unsere Betriebe in den nächsten Jahren eher größer werden und das Urteil des EuGH wohl mehr ein erster "Gruß aus der Küche" denn der Hauptgang ist.

Darum frage ich eben HIER und JETZT :
Wie bereitet sich unsere Standesvertetung darauf vor ?
Wird nur die Bedrohung konstatiert und dann mal sehen was kommt und ob es schlimmer hätte kommen können ?
Oder wird jetzt bereits daran gearbeitet, die deutsche Gesetzgebung noch VOR einem weiteren Eingriff der EU rechtssicher zu gestalten ?
Jetzt ist das vermutlich ohne großes mediales Getöse möglich, tritt der Schadensfall ein, dann gerät die Journaille wieder außer Rand und Band - erleben wir ja seit dem 19. Oktober nahezu tagtäglich.
Vergleichen wir das doch mal mit einer Stadtverwaltung eines Ortes in einem Hochwasser-Risikogebiet mit entsprechenden dramatischen Fluterfahrungen:
Man kann entweder
aus der letzten Flut lernen und vorsorglich entsprechende (bauliche) Schutzmaßnahmen für den Ort anpacken, solange alles sicher ist
oder einfach feststellen, daß es in Zukunft sicher nochmal Überschwemmungen geben wird und den Bürgern zum Kauf von Gummistifeln raten.

Welchen Weg geht die Standesvertretung ?
Warten wir auf die nächsten Einschnitte und verfallen dann in schockstarre Hoffnung oder versuchen wir heute vorsorglich, unser System abzusichern ?

Auch die Thematik und vor allem Problematik des eRezeptes und der Umgang der Standesvertretung damit vermisse ich in der Standes(-Informations-)Politik.

Für unseren BAK Präsidenten ist das Thema Digitalisierung vor allem in Labor und Rezeptur von Interesse, um hier Prozesse zu vereinfachen (so zumindest seine Äußerungen in der Runde).
Ähh..
Nö, Herr Dr. Kiefer, das sind beileibe nicht die Knackpunkte bei Digitalisierung und eRezept, sonder vielmehr absolut nachrangig -da stehen ganz andere Gefahren vor der Tür !

Im kurzen privaten Gespräch im Anschluß wurde mir erklärt, daß die Standesvertretung das eRezept natürlich auf dem Schirm hat und ich solle mich halt (gefälligst) bei Fragen an meinen Verband wenden .
Danke für DEN Tip aus Thüringen !

HALLO !
Herrschaften, wir leben im digitalen Informationszeitalter, es verbreiten sich via Social Media Informationen, Meinungen und daraus resultierend auch Stimmungen im Nano-Sekunden-Takt und ihr denkt immer noch in den mittelalterlichen Mustern der Standesfürsten ?
Wir können lesen und schreiben, die Erde ist keine Scheibe und sogar Weibsvolk darf studieren und wählen !

Schon mal daran gedacht, daß genau diese Mentalität seit Jahren für den Unmut zwischen gefühlt "Oben" und "Unten" führt ?
Schon mal darüber nachgedacht, daß die "Basis" Eure Entscheidungen umsetzen muß und Euch kein Zacken aus der Krone bricht, Euch mal Meinungen und auch Ideen von außerhalb Eures exklusiven 17+17 Clubs durch den Kopf gehen zu lassen -
und manche Informationen bereits im Vorfeld zu kommunizieren ?
Schon mal darüber nachgedacht, daß nicht jede Frage, jede "Einmischung von unten" darauf abzielt, Euch in die Pfanne zu hauen, sondern aus dem Interesse an unserem Beruf und seiner Zukunft !!! resultiert ?


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Gelassenheit hilft weiter

von Ulrich Ströh am 22.01.2017 um 12:06 Uhr

Also,ich rate mal zur Gelassenheit im Umgang mit dem Spiegelartikel...
Ist übermorgen eine Marginalie im Zeitgeschen.

Und kann man auch als so sehen,dass die ABDA-Arbeit geadelt wird...
Kommt nur auf den Blickwinkel an.

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Spieglein, Spieglein an der Wand ... wer der Lücke folgt ...

von Christian Timme am 22.01.2017 um 11:34 Uhr

Spieglein an schiefer Wand. Ausgehauchtes Spiegelbild, warst mal die Schönste im ganzen Land, geh nur weiter noch, ein letzter Schritt ... bis endlich Spieglein nicht mehr ist.

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Hohlspiegel

von Dr Schweikert-Wehner am 22.01.2017 um 11:04 Uhr

Der Spiegel hat seinen Artikel mit einer Graphik zu den hohen Arzneimittelpreisen in D. geschmückt, als hätten die Apotheken daran Schuld. Bekanntlich ist durch das Umsetzen der Rabattvertraege das Gegenteil der Fall. Ich kuendige nach 30 Jahren mein Spiegel und das Mein Spiegel Abo. Einen solchen postfaktischen, polemischen und undifferenzierten Artikel hatte ich im Spiegel vorher nie gelesen.

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Grüne

von Frank Ebert am 22.01.2017 um 9:21 Uhr

Warum sollte Frau Schulz-Asche anderes sein als ihre Kolleginnen. Im Moment verstehen die Grüne doch nicht die einfachsten Sachen. Peter , Göring-Eckhard (Trump hatte wenigstens eine Gegenkandidatin), Künast und Roth. Also warum sollte ausgerechnet Frau Schulz-Asche klar denken können? Und die SPD? Es ist unglaublich, was diese knapp 20Prozent Partei in den letzten drei Jahren durchgesetzt bzw. verhindert hat. Ps: die Gewinne im Medikamentenhandel können ja dann in Waffendeals fließen.

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Ergänzung zu Müller-Bohn

von Karl Friedrich Müller am 22.01.2017 um 9:02 Uhr

Es nützt nichts, wenn der niedergelassenen Apotheke "erlaubt" wird, beispielsweise 1€ Rabatt auf Rx zu geben, wenn ausländische Versandapotheken viel mehr gewähren.
Diese Möglichkeit kann man aus dem Szenario gleich streichen. Der Kunde wird entweder trotzdem online bestellen, oder falls er (weil er nicht anders kann, oder es sowieso will) die Apotheke vor Ort aufsucht, verschenkt die Apotheke unnötigerweise 1€ (pro AM?).
Die Apotheke vor Ort ist immer die benachteiligte. Deshalb bleibt nur, darauf zu pochen, dass die KK die Einhaltung der Lieferverträge einfordern, notfalls dazu gezwungen werden, dazu ein Rx Versandverbot.
1 € vor Ort gewähren zu wollen, bedeutet nur eine Verschärfung des Konkurrenzkampfs der niedergelassenen Apotheken, wobei die großen im Vorteil sind und die kleinen verlieren werden. Die beabsichtigte Wirkung, kleine Apotheken "auf dem Land" erhalten zu wollen, wird so nicht erreicht. Im Gegenteil.

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