Hat Apotheker Zubereitungen gestreckt?

Onkologe unterstützt Staatsanwalt bei Zyto-Ermittlungen

Essen - 31.01.2017, 13:35 Uhr

Schwere Vorwürfe: Der Apotheker soll Zytostatika gestreckt haben. Der Apotheker schweigt noch immer zu den Vorwürfen (Foto: DAZ.online)

Schwere Vorwürfe: Der Apotheker soll Zytostatika gestreckt haben. Der Apotheker schweigt noch immer zu den Vorwürfen (Foto: DAZ.online)


In mehr als 40.000 Fällen soll ein Bottroper Apotheker Zyto-Rezepturen gestreckt haben. Die Untersuchungen hierzu erweisen sich jedoch als schwierig: Für den Nachweis von Schäden für Patienten erwägt die Staatsanwaltschaft Exhumierungen, doch bislang konnte sie keine verstorbenen Patienten identifizieren, bei denen sie aussichtsreich wären.

Es geht nicht nur um ungerechtfertigte Einnahmen in Höhe von 2,5 Millionen Euro, sondern insbesondere um eine Gefahr für Leib und Leben: Ein Bottroper Zyto-Apotheker soll bei mehr als 40.000 Rezepturen der monoklonalen Antikörper Nivolumab, Denosumab, Ramucirumab und Bevacizumab sowie des Zytostatikums Nab-Paclitaxel gepanscht haben. Seit gut zwei Monaten sitzt er in Untersuchungshaft und macht von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Nach Aussage der Essener Staatsanwaltschaft, die wegen des Vorwurfs der Körperverletzung bis hin zu möglichen Tötungsdelikten sowie gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt, ist ein Ende der Ermittlungen derzeit noch nicht abzusehen. Wie eine Sprecherin gegenüber DAZ.online bestätigte, sind Exhumierungen „weiterhin im Bereich des Möglichen“. Sie könnten helfen, möglicherweise Fälle zu finden, bei denen verfälschte Rezepturen zu gesundheitlichen Problemen bei Patienten geführt haben.

Suche nach bestimmten Todesfällen

Die Staatsanwaltschaft habe Hinweise von einem „namhaften Onkologen“ erhalten, dass sich die Suche nach bestimmten Todesfällen lohne – mit „ganz bestimmten Tumoren, Medikamenten und speziellen Krankheitsverläufen“, erklärt die Pressesprecherin. Zusätzlich dürften die Todesfälle noch nicht so weit zurückliegen. Genauere Angaben will sie allerdings nicht machen. „Wir haben bislang keinerlei Rückmeldungen erhalten, dass es solcherlei Arten von Todesfällen gegeben hat“, sagt die Sprecherin.

Vorsichtshalber wurden außerdem schon vor einigen Wochen Blutproben genommen, um möglicherweise mit späteren Analysen Fehlverhalten nachzuweisen. Diese seien „ordnungsgemäß eingelagert“, doch sei die Staatsanwaltschaft derzeit „nicht zuversichtlich“, dass Auswertungen der Blutproben tatsächlich weiterhelfen könnten. „Das ist nach wie vor eine Vorsorgemaßnahme“, betont die Sprecherin. 

Mindestens dreistellige Zahl von Patienten

Die Auswertung der Unterlagen des Apothekers und der Liste der von ihm behandelten Patienten dauere an. Wie viele der Krebspatienten von möglicherweise gefälschten Zyto-Zubereitungen betroffen sein könnten, ist weiter unklar – „auf jeden Fall“ zumindest eine dreistellige Zahl, erklärt die Sprecherin auf Nachfrage. Die Recherche gestalte sich schwierig – auch da die Patienten ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden müssen, bevor sie der Staatsanwaltschaft Auskunft geben können.

Der Apotheker soll teils auch in Straßenkleidung im Labor gearbeitet und zurückgegebene Infusionsmittel mehrfach verwendet haben. Die gegen ihn verhängte Untersuchungshaft wird laufend auf ihre Notwendigkeit geprüft, doch laut der Staatsanwaltschaft wird sie wohl noch nicht so bald enden. „Wenn es nach uns geht, sollte das noch eine Weile dauern“, erklärt die Sprecherin gegenüber DAZ.online.

Studienprobleme kein Fall für die Staatsanwaltschaft

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte im Dezember, dass sie Kenntnis davon erhalten habe, „dass auch Prüfpräparate für klinische Studien in der betreffenden Apotheke hergestellt bzw. rekonstituiert worden sind“. Hiervon betroffene Studien-Sponsoren sollten dies der zuständigen Bundesoberbehörde „unverzüglich anzeigen“

„Wir wissen, dass der Apotheker an Studien teilgenommen hat“, bestätigt nun die Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. Dies betreffe jedoch wohl nicht den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs – und unklar sei, ob es direkte Gefahren für Probanden gegeben habe. „Ob da jemand zu Schaden kommt, das können wir so wenig beurteilen wie bei den anderen Patienten“, erklärte die Sprecherin. „Das ist nicht unsere Baustelle.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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