Mordversuch mit Rizin

Wie wirkt das Gift aus dem Weimarer Tatort?

Stuttgart - 06.02.2017, 15:30 Uhr

Rizin wird im Samen des Wunderbaums (Ricinus communis) gebildet. (Foto: M. Schuppich / Fotolia)

Rizin wird im Samen des Wunderbaums (Ricinus communis) gebildet. (Foto: M. Schuppich / Fotolia)


Kein spezifisches Antidot

Gegen eine Vergiftung mit Rizin gibt es kein spezifisches Antidot – wie es auch im Tatort richtig dargestellt wurde. Die Mortalitätsrate ist allerdings heute unter rechtzeitiger, adäquater (intensivmedizinischer) Therapie nur noch sehr gering – das Robert-Koch-Institut schätzt sie auf 0,4 Prozent. Unbehandelt liegt sie bei 8 Prozent.

Nach oraler Aufnahme wird empfohlen, innerhalb einer Stunde eine Magenspülung durchzuführen. Außerdem sollte so früh wie möglich Aktivkohle gegeben werden, gegebenenfalls auch Abführmittel. Tödliche Verläufe werden ab einem Verzehr von drei Samen beschrieben. Daraus lässt ich eine letale Dosis ab 1 mg Rizin pro Kilogramm Körpergewicht ableiten. Da der Rizingehalt der Samen sehr schwankend ist, unter anderem abhängig vom Reifegrad, ist die Zahl der geschluckten Bohnen kein Prädiktor für den Schweregrad der Vergiftung.

Werden ganze Bohnen geschluckt, treten übrigens keine Symptome auf. Die harte Schale verhindert, dass Rizin freigesetzt wird. Da Rizin kurze Zeit nach der Resorption via Endozytose in die Zellen aufgenommen wird, ist der direkte Nachweis im Blut nicht möglich. Das Robert-Koch-Institut schreibt Rizin ein hohes terroristisches Potenzial zu, da es leicht verfügbar, leicht zu gewinnen und gut bekannt ist. Rizin könnte somit als Aerosol verteilt oder injiziert werden. Auch die Vergiftung von Wasser oder Lebensmitteln wäre möglich.

Biowaffe, „Regenschirm-Attentat" und Antikörper

Rizin war Bestandteil des Biological Warfare-Programms der USA und wurde zur Entwicklung der sogenannten W-Bombe (W als Codewort für Rizin) im 2. Weltkrieg genutzt. Eingesetzt wurde sie dann letztendlich aber nicht. Aber auch Morde oder Mordversuche mit Rizin – neben dem im Tatort –  sind beschrieben. Zum Beispiel der Anschlag auf den bulgarischen Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markov 1978 in London. Mittels einer präparierten Regenschirmspitze (sogenannter Bulgarischer Regenschirm) wurde ihm eine Metallkugel mit Rizin ins Bein injiziert. Der Vorfall ist auch als Regenschirm-Attentat bekannt. Die Möglichkeiten für einen Großeinsatz von Rizin erscheinen laut RKI jedoch eher begrenzt. Für einen Einsatz in Aerosolform wären außerordentlich große Mengen nötig, um einen flächendeckenden Effekt zu erzielen, heiß es dort.

Im Tatort gab es übrigens ein Happy End. Das Opfer überlebte, weil er spezifische Antikörper entwickelte. Wird eine Rizin-Exposition überlebt, sind diese tatsächlich nachweisbar. Über die klinische Bedeutung dieser Antikörper gibt es allerdings laut Robert-Koch-Institut keine Daten. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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