Schreiben an Gröhe

KBV will Software für Medikationsplan entwickeln

Berlin - 10.02.2017, 07:00 Uhr

Kommerzielle Software sei teuer – deshalb wolle die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) selber Software für alle Kassenärzte herstellen, argumentiert ihr Vorstand Andreas Gassen. (Foto: dpa)

Kommerzielle Software sei teuer – deshalb wolle die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) selber Software für alle Kassenärzte herstellen, argumentiert ihr Vorstand Andreas Gassen. (Foto: dpa)


Bislang müssen Kassenärzte oft teure Gebühren für ihre Software-Updates bezahlen, mit denen sie Medikationspläne erstellen und ändern können. Die KBV plant nun einen Systemwechsel: In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe fordert sie, den gesetzlichen Auftrag zur Software-Entwicklung zu bekommen.

Bislang kontrolliert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nur, ob Softwareanbieter die Funktionalitäten zum Medikationsplan richtig umsetzen – zukünftig würde sie die Software gern selber entwickeln. Wie KBV-Sprecher Roland Stahl gegenüber DAZ.online bestätigt, hat sich die Ärztevertretung in einem Brief mit dem Vorschlag an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gewandt, einen gesetzlichen Auftrag hierzu zu bekommen. Am liebsten ist den Kassenärzten offenbar eine entsprechende Änderung am derzeit in der Beratung befindlichen Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG).

Seit dem 1. Oktober 2016 sind alle Kassenärzte in Deutschland verpflichtet, ihren Patienten auf Wunsch einen Medikationsplan auf Papier auszustellen, wenn sie mindestens drei von der Kasse erstattete, systemisch wirkende Arzneimittel bekommen. Doch der Preis für Updates der Praxis-Software hat unter Ärzten für viel Unmut gesorgt: Die Anbieter verlangten zur „Umsatzmaximierung“ seiner Meinung nach „viel Geld“, beschwerte sich laut „Ärztezeitung“ KBV-Chef Andreas Gassen Anfang Januar bei den Softwarefirmen.

Diese wiesen die Vorwürfe jedoch postwendend von sich und betonten, dass die Veränderungen mit einem hohen Aufwand einhergegangen seien. So habe allein die Entwicklung des Barcodes, der zur leichteren Digitalisierung alle Informationen des Medikationsplans per Scan bereithalten soll, mehrere Workshops beansprucht, erklärte er gegenüber der „Ärztezeitung“.

Zukünftig will nun die KBV selbst vermehrt Software entwickeln – da sich Kosten sparen ließen, wie Sprecher Stahl gegenüber DAZ.online betont. „Dafür müssten wir einen Gesetzesauftrag erhalten“, sagt er – denn die Hersteller würden sich voraussichtlich mit Händen und Füßen dagegen wehren und die Tätigkeiten der KBV als Markteingriff sehen. Er hofft, dass Entwicklungen von der Kassenärzte-Organisation sich über die bestehenden Umlagen der Ärzte finanzieren ließen.

„Wir haben nicht das Ziel, ein Softwareunternehmen aufzubauen“, betont er jedoch. Sinnvoll könnte es sein, dass die Organisation der Kassenärzte beispielsweise Schnittstellen weiterentwickelt, die den Austausch zwischen Software verschiedener Anbieter entwickelt – Wechsel seien bislang sehr aufwändig. Zwar hat die KBV mit der „KV Telematik GmbH“ bereits ein Tochterunternehmen, dass beispielsweise Software für die seit vergangenem Jahr in Betrieb genommen Terminservicestellen erstellt hat, doch lägen noch keine Pläne für weitere Tätigkeiten in der Schublade.

„Wir sind noch ganz am Anfang der Diskussion, ob uns der Gesetzgeber hier unterstützt“, erklärt Stahl. Allerdings habe es aus Reihen der Abgeordneten bereits ein „Nachdenken“ gegeben, glaubt er. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Von wegen "umsonst"

von Günther Grosse am 12.02.2017 um 18:36 Uhr

Die Frage ist,ob das Ganze für Ärzte tatsächlich preiswerter würde. Eine Irreführung ist es natürlich, wenn Gassen laut Pressemeldung behauptet, dass die KBV Ärzten das Modul "umsonst" zur Verfügung stellen würde.Denn ohne Zweifel benötigt auch die KBV für ein solches Großprojekt eine teure Infrastruktur, die von den Beiträgen der Ärzte finanziert werden muss. "Umsonst" wäre die KBV-Software also nicht, nur würden die Kosten hierfür - reichlich intransparent - aus dem von Ärzten finanzierten Beitragstopf der KBV finanziert werden. Dies wäre übrigens bei einer Apotheken-Software entsprechend der Fall - so wie z.B. die PZ auch nicht "umsonst" in der Apotheke landet, sondern von Kammer- und Verbandsbeiträgen finanziert wird, die Apothekerinnen und Apotheker aufzubringen haben.

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KBV Wahlkampf - Herr Gassen und die Mauer nach Mexiko

von Alexander Wilms am 11.02.2017 um 15:39 Uhr

Die Ärztezeitung berichtet ebenfalls am 10.02., dass sich Herr Gassen sehr wohl die Entwicklung einer kompletten Praxissoftware vorstellen kann - er habe "da viel Fantasie". Leider bleibt Herr Gassen uns die Antwort schuldig, was genau er entwicklen möchte und um welche Schnittstellen es hier geht. Zwar ist es richtig, dass Schnittstellen erlauben, verschiedene Systeme miteinander zu koppeln und auch leichter auszutauschen. IT-Fachleute wissen aber auch um die Probleme, die Schnittstellen so mit sich bringen - eingeschränkter Bedienkomfort, Inkompatibilitäten und Performance-Einbußen. Und es steht zu befürchten, dass sich manche Software-Hersteller zukünftig dann eben nicht die neuen Funktionen extra bezahlen lassen, sondern die Schnittstellen-Anbindung zur KBV-Software.

Natürlich kann man darüber nachdenken, ob eine öffentliche Körperschaft nicht die EDV-Umsetzung gesetzlicher Aufgaben übernehmen kann. Dies wäre sicherlich dann gerechtfertigt, wenn die private Wirtschaft dies nicht übernehmen will oder kann. Davon sind wir aber derzeit weit entfernt. Es gibt einen lebhaften Wettbewerb, der Innovationen wie webbasierte Software, Software für Apple-Rechner oder mobile Geräte hervorbingt, wie die Newcomer der letzten Jahre beweisen. Mit einer "Monopol-Software" der KBV wäre dies nicht zu erwarten. Das eigentliche Ärgernis ist doch, dass sich einige Anbieter gesetzliche Änderungen extra bezahlen lassen. Es sollte ein leichtes für die KBV sein, hier vom Gesetzgeber eine entsprechende Regelung zu erwirken.

Ob eine KBV-Software tatsächlich eine Kostenersparnis für die Ärzteschaft bringen würde, ist erst noch zu beweisen. Die Entwicklung eines Praxissysstems verschlingt etwa 40 Mannjahre Entwicklung, mit Kosten im mittleren einstelligen Millionenbereich. Eine Quersubventionierung ist wettbewerbsrechtlich nicht zulässig, so dass die Kosten für die Software doch von ihren Nutzern getragen werden müsste. Dazu kämen Kosten für eine eigene Support-Organisation.
Die von Herrn Gassen beklagte fehlenden Schnittstellen für einen Wechsel von einem zum anderen Praxissystem existiert bereits seit Jahren (xDT-Standard) und wird von allen Anbietern unterstützt. Dass sich eine Praxis dazu entscheidet, eine ungeliebte Software zu behalten, liegt eher an den bereits getätigten Investitionen oder dem Aufwand, der durch ein Umstellungsprojekt entsteht.

Angesichts der anstehenden KBV-Vorstandswahlen liegt die Analogie zur Forderung nach einer "Mauer nach Mexiko" nahe, die kürzlich in einem anderen Wahlkampf so erfolgreich war. Warum gerade die KBV, die an der von Herrn Gassen beklagten Situation erheblichen Anteil trägt, es zukünftig so viel besser machen soll, wird nicht erklärt. Es bleibt zu hoffen, dass man nach der Wahl zu einer konstruktiven Diskussion zurückkehrt.

Disclaimer: Alexander Wilms ist Geschäftsführer der RED Medical Systems GmbH, dem Anbieter der webbasierten Arztsoftware RED Medical, die ihren Kunden alle gesetzlichen Änderungen ohne Aufpreis zur Verfügung stellt.

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Austricksen einer Erpressungs-Abhängigkeit: Ein Modell für die Apothekerschaft!

von Wolfgang Müller am 10.02.2017 um 9:02 Uhr

Ein bemerkenswerter, vollkommen richtiger Ansatz der Ärzte. Anstatt sich weiter von fachfremden Dienstleistern erpressen zu lassen, gibt es doch nur zwei Möglichkeiten: Auf die Dienstleistung ganz zu verzichten (was hier nicht geht, denn irgendwann MÜSSEN die Ärzte die Medikationspläne ja liefern), oder eben: selber machen. D. h., bei einem Unternehmen wie den KBVen eben eine eigene Abteilung aufbauen, um die betreffenden, bei den Ärzten tatsächlich zur dreisten Unverschämtheit neigenden EDV-Dienstleister (sehe ich bei unseren übrigens eher nicht so dramatisch) zumindest teilweise überflüssig zu machen. Oder denen überhaupt erst mal zu zeigen, wie es RICHTIG geht.

Die Schaffung einer solch unabhängigen Verhandlungs-Position kann extrem befreiende Wirkung haben. Man denke nur einmal an die traumhafte Situation, die wir Apotheken gegenüber der unsäglichen TELEKOM und den althergebrachten "Telefonanlagen-Anbietern" hätten, wenn wir in dem ganzen Voice-Over-IP-Service-Schlamassel erkennten, dass wir sie DEFINITIV gar nicht mehr bräuchten. Und vielleicht sogar zur Überzeugung kämen, dass weder Fax noch "Festnetzanschluss" ÜBERHAUPT nötig sind (gar nicht SOOO absurd, wie es erstmal klingt).

Im speziell pharmazeutischen Bereich fallen mir noch viel traumhaftere Umstürze gegenüber maßlos verwöhnten, oft geradezu HOHEITLICH auftretenden "Dienstleistern" ein:

Man stelle sich nur mal vor, Die wackere Deutsche Apothekerschaft trennte sich von der Doktrin, wohl als letzte zivilisierte Nation Rezeptur-Ausgangsmaterial Wareneingangsprüfungen unterziehen zu müssen. Und jede Rezeptur BEWUSST mit hohen Verlusten herstellen zu MÜSSEN: Welch eine starke, selbstbewusste Position würden die sowieso schon immer weniger verbleibenden Selbständigen Apotheker sich dadurch im entsprechenden Geräte-, Literatur-, Fortbildungs-, Inspektions-, Beratungs- und sonstigen Dienstleistungsmarkt schaffen! Ein Traum!

Und auch die immer gefährlicher werdenden Personalengpässe (auch eine Nachfrageüberhang-Problematik, genau wie bei den EDV-Anbietern der Ärzte), die kurioserweise in einzelnen Fällen inzwischen ja auch schon eine gewisse hoheitliche Dreistigkeit befördern, würden sich schlagartig normalisieren.

In der Tat: DAS ALLES lässt sich aus der hervorragenden Nachricht von den Ärzten herausziehen, dass die ihren ureigenen gordischen Knoten " Verarsche durch die Praxis-EDV-Anbieter" zerschlagen wollen. Sind wir im Moment noch sicher von unsere All-Apotheker-"Dachorganisation" eingehegten Apotheker-Selbständigen mit unseren "Verbänden" vielleicht doch auch irgendwann mal zu solch einer mutigen, unternehmerischen Haltung und o. g. Entscheidungen Manns/Fraus genug? Bei eigentlich für uns noch viel Überlebens-wichtigeren Themen, als es die M-Plan-EDV für die ÄRzte ist? Erste zaghafte Anzeichen deuten in diese Richtung . wenn man so in trauter Verbands-Runde sitzt ...... je größer die Abhängigkeit und Verzweiflung zumindest einiger Kleinerer und Mittlerer wird ...... spannend.

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