- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Keine grundsätzliche Pr...
EuGH-Urteil zu Brustimplantaten
Keine grundsätzliche Prüfpflicht bei Medizinprodukten
Im Skandal um reißanfällige Brustimplantate der französischen Firma PIP sinken die Chancen der Frauen, Schmerzensgeld vom TÜV Rheinland zu bekommen. Der EuGH urteilte am heutigen Donnerstag, dass Stellen wie der TÜV nicht grundsätzlich verpflichtet sind, Medizinprodukte wie Implantate selbst zu prüfen oder unangekündigte Inspektionen durchzuführen.
Der Skandal um Brustimplantate aus billigem
Industrie-Silikon der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP)
beschäftigt seit Jahren die Gerichte. Allein in Deutschland wurden die
Implantate Tausenden Frauen eingesetzt, weltweit waren Hunderttausende
betroffen. Ein Frau, die sich die Brustimplantate auf ärztlichen Rat hatte entfernen
lassen, forderte vom TÜV Rheinland 40.000
Euro Schmerzensgeld. Der TÜV Rheinland hatte nämlich das
Qualitätssicherungssystem des französischen Implantat-Herstellers zertifiziert
und überwacht. Hinweise darauf, dass das mittlerweile insolvente Unternehmen
billiges Industrie-Silikon in die Kissen füllte, fand der Prüfverein nach
eigenen Angaben nicht. Nach Ansicht der Frau, hätte der TÜV aber mit überraschenden
Kontrollen in den PIP-Betriebsstellen und durch Überprüfungen der Implantate den
Pfusch erkennen können. Mit dieser Argumentation zog sie vor Gericht und durch sämtliche Instanzen.
EuGH folgt Argumentation der Frau nicht
2015 legte der Bundesgerichtshof dem Europäische Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung europäischer Vorgaben bei der Kontrolle von Medizinprodukten vor, darunter auch die Vorgaben zu Silikonimplantaten. Der EuGH urteilte nun am heutigen Donnerstag, dass Stellen wie der TÜV nicht grundsätzlich verpflichtet sind, Medizinprodukte wie Implantate selbst zu prüfen oder unangekündigte Kontrollen bei den Herstellern durchzuführen. Nur wenn Hinweise vorliegen, dass ein Medizinprodukt den vorgeschriebenen Anforderungen nicht genügt, muss die Prüfstelle demnach „alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen“, um sicherzustellen, dass der Hersteller seine Verpflichtungen einhält.
Alle Wege zu Entschädigungen versperrten die EU-Richter den Frauen jedoch nicht: Nationale Gerichte könnten feststellen, dass Prüfstellen unter Umständen gegenüber Patienten haftbar sind, wenn sie ihre Pflichten verletzt haben. Dabei müssten die Richter sich auf nationales Recht stützen, weil diese Frage in der relevanten EU-Richtlinie nicht geklärt sei (Rechtssache C-219/15).
TÜV und Frauen-Anwälte zufrieden
Sowohl Vertreter klagender Frauen als auch der TÜV Rheinland selbst werteten das EuGH-Urteil positiv. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil und sehen uns in den entscheidenden Punkten bestätigt“, teilte der TÜV mit. Anwalt Christian Zierhut, der fast 100 betroffene Frauen in Deutschland vor Gericht vertritt, sagte der Deutschen Presse-Agentur, grundsätzlich sei die Tür der Haftung jetzt offen. Jetzt müsse man beweisen, dass es da Hinweise gab, dass die Implantate den vorgeschriebenen Anforderungen nicht genügten.
Für Peter Liese, den gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion der Christdemokraten (EVP) im Europäischen Parlament zeigt das aktuelle EUGH-Urteil, wie dringend es ist, dass das europäische Recht klargestellt wird: „Hersteller von sensiblen Medizinprodukten müssen in Zukunft unbedingt von unangemeldeten Kontrollen überwacht werden, damit sich solche Skandale nicht wiederholen”. Über eine entsprechende Verschärfung hätten sich die Verhandlungsführer von Europäischem Parlament, Ministerrat und Kommission bereits verständigt. Im April wird das Plenum des Europäischen Parlaments über die Vorlage abstimmen.
1 Kommentar
Gegen den Verbraucher
von Karl Friedrich Müller am 17.02.2017 um 6:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.