Tag der seltenen Erkrankungen

Seltene Krankheit, seltene Behandlung

Berlin - 28.02.2017, 17:05 Uhr

Ein Leben, versteckt vor der Sonne: Patienten mit EEP leiden an einer seltenen Form der Lichtunverträglichkeit. (Foto: Fotolia)

Ein Leben, versteckt vor der Sonne: Patienten mit EEP leiden an einer seltenen Form der Lichtunverträglichkeit. (Foto: Fotolia)


Für Patienten mit einer seltenen Lichtunverträglichkeit ist jeder sonnige Tag eine Tortur. Seit zwei Jahren gibt es ein Medikament dagegen – doch nur die wenigsten werden damit behandelt. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung ist verärgert.

Ursula Simmerkus muss sich seit ihrer Geburt vor der Sonne verstecken. Sie trägt auch bei Höchsttemperaturen eine lange Baumwolljacke, Lederhandschuhe, einen mit Silberfolie beschichteten Schutzschirm. Die 50-Jährige leidet an einer seltenen Krankheit: Erythropoetische Protoporphyrie, kurz EPP. Bei der Gartenarbeit, bei Ausflügen mit ihren Kindern oder auf dem Weg zur Arbeit: Gelangt Sonnenlicht auf ihre Haut, erleidet sie höllische Schmerzen. „Es fühlt sich an, als ob man die Hände auf eine glühende, gusseiserne Platte legt“, sagt sie.

Mit einer Lichtallergie, die zum Beispiel Hannelore Kohl hatte, hat EPP nichts zu tun. Simmerkus’ Krankheit beruht auf einem seltenen Gendefekt, der eine Stoffwechselstörung verursacht. Ein Vorläufer des roten Blutfarbstoffs, Protoporphyrin, reichert sich im Körper an und löst die Lichtunverträglichkeit aus. 

Zum heutigen europäischen Tag der seltenen Erkrankungen erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „Wir lassen Menschen mit seltenen Krankheiten nicht alleine.“ Doch für EPP-Patienten wie Ursula Simmerkus klingt das wie ein schlechter Scherz. Seit mehr als zwei Jahren gibt es ein Medikament gegen die Symptome von EPP. Das Implantat heißt Scenesse und gibt stetig den Wirkstoff Afamelanotid ab. Er stimuliert die Melaninproduktion, macht die Haut dunkler – und so widerstandsfähiger gegen Sonnenlicht.

Im Dezember 2014 wurde es von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen. Nach langen Querelen zwischen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Hersteller Clinuvel dürfen seit vergangenem Jahr endlich auch in Deutschland Patienten damit behandelt werden. Doch Ursula Simmerkus wartet immer noch auf das Medikament. Wie kann das sein?

Strenge Auflagen für das einzige Medikament

Nur schätzungsweise 400 Menschen in Deutschland leiden an EPP. Wie bei vielen seltenen Erkrankungen ist es deshalb schwierig, ausreichend viele Patienten für Studien zu finden, die die Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Medikaments belegen. Weil Patientenvertreter dennoch auf Scenesse setzten, hat die EMA das Medikament zugelassen – unter strengen Auflagen.

Der Hersteller Clinuvel musste spezielles Schulungsmaterial für Ärzte vorbereiten, ein Patientenregister und ein Studienprotokoll zur Verfügung stellen. Damit sollen Wirksamkeit und Sicherheit des Medikaments langfristig nachgewiesen werden. Allein dieser Prozess hat 18 Monate gedauert. Hersteller und Bfarm schieben sich gegenseitig die Schuld für die Verzögerung zu.

Nicht ausreichend Behandlungsplätze

Vor allem aber muss der Hersteller Kliniken als spezielle Behandlungszentren ausbilden und zertifizieren. Dafür kommen laut Hersteller nur acht Kliniken infrage, weil die Anforderungen der Zulassungsbehörden an die Ausstattung sehr hoch seien. An der Uniklinik Düsseldorf werden bereits seit vergangenem Jahr Patienten mit Scenesse behandelt. In Chemnitz, Berlin und Münster sollen ab März weitere behandelt werden, sagt Clinuvel-Sprecher Lachlan Hay. Er geht davon aus, dass alle rund 400 EPP-Patienten in Deutschland von diesen vier Zentren versorgt werden könnten. „Aber wir brauchen noch Zeit, um die Kapazitäten aufzustocken“, sagt er. Wie lange das noch dauern wird, könne er nicht sagen.

Bislang gibt es nicht ansatzweise genug Behandlungsplätze für alle EPP-Betroffenen in Deutschland. Auch aus der Selbsthilfegruppe bekämen nur einige wenige eine Behandlung mit Afamelanotid – und diejenigen hätten schon ein schlechtes Gewissen gegenüber denjenigen ohne Behandlungsplatz, berichtet Simmerkus. „Aber das ist Quatsch! Diejenigen, die uns nicht behandeln, müssen ein schlechtes Gewissen haben.“

Patientenbeauftragter Laumann ist verärgert

Die Behandlung ist langwierig und teuer, rund alle zwei Monate muss sie wiederholt werden. Das Implantieren, die anschließende Beobachtung und die  aufwendige Dokumentation kosten viel Zeit und Geld. Auf diesen Kosten wollen die Ärzte nicht sitzen bleiben. Deswegen hätten einige von den Kassen ihrer Patienten eine schriftliche Erklärung gefordert, dass die Kosten erstattet werden, berichtet Karl-Josef Laumann, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Doch manche Krankenkassen hätten eine solche Erklärung gegenüber ihren Versicherten abgelehnt – und somit für enorme Verwirrung gesorgt. Denn übernehmen müssten sie die Kosten in jedem Fall, bestätigt auch der GKV-Spitzenverband.

„Was mich so ärgert ist, dass Menschen dennoch für die Behandlung kämpfen müssen und kein Beteiligter im Gesundheitssystem bereit ist, über seine Schatten zu springen“, sagt der Patientenbeauftragte Karl-Josef Laumann.

Für Ursula Simmerkus, ist die Situation schwer zu ertragen. „Ich verstehe es bis heute nicht“, sagt sie. „Es geht hier nicht darum, ein oder zwei Mal in den Süden zu fahren. Es geht hier darum, meinen Alltag leben zu können.“



Timo Stukenberg, Freier Autor
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

Jugendliche leiden stark

von Annette Bühring am 07.03.2017 um 20:04 Uhr

Es ist schlimm meinen Sohn nach den letzten Sonnenstrahen leiden zu sehen. Im Frühjahr ist es besonders schlimm, da er das Licht noch unterschätzt. Starke Schmerzmittel sind nötig und ich habe Angst, dass sie ihn schädigen. Ein Implantat für einen 16 Jährigen mit der Statur eines Erwachsenen würde einem Pubertierendem viel Leid ersparen. Schulsport draussen und sportliche Wahlfächer fürs´s Abitur sind leider unmöglich.

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Seltene Krankheit, seltene Behandlung - Nur Taten helfen!

von Elke Hauke am 02.03.2017 um 21:01 Uhr

In der Tat - seit Frühjahr 2014 - ein halbes Jahr vor der Zulassung im Dezember warten wir auf die Behandlung, die ein Leben ohne Leiden für Menschen mit EPP ermöglicht. Dies hat die Studie und die Erfahrungen der Menschen, die in der Schweiz behandelt wurden und werden, gezeigt. Doch dieses einzige Medikament wurde mit so hohen Auflagen durch die EMA belegt wie kaum ein anderes Medikament. Das EPP-Labyrinth hat endlose Gänge und Hindernisse. Mitspieler sind Verwaltungen, Behörden, Pharmaunternehmen, Ärzte und Kliniken, Patienten.... ohne dass Spielregeln und Verantwortlichkeiten transparent gemacht werden und zielorientiert sind: der Patient sollte der Gewinner sein. Wozu sonst Forschung und entwicklung von Medikamenten. Dazu ein Zitat aus der Pressemittielung vom Patientenbeauftrager K.J. Laumann zum "Tag der seltenen Krankheiten" vom 28.3.2017: "Was mich so ärgert ist, dass Menschen dennoch für die Behandlung kämpfen müssen und kein Beteiligter im Gesundheitssystem bereit ist, über seinen Schatten zu springen. Hier sind alle Beteiligten gefordert, schnell Lösungen zu finden." Ein Trost für die Patienten oder ein Hoffnungsschimmer? Auf jeden Fall fühlen sich Patienten und Selbsthilfe von Hernn Laumann verstanden und unterstützt. Taten müssen folgen!
Elke Hauke/ 1. Vorstand der Selbsthilfe EPP e. V.

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Ist daß Deutschland?

von Erika & Arun Barman am 02.03.2017 um 16:40 Uhr

Erika und Arun Barman, am Do. 02.03.2017
Patienten ein Medikamenten zu verweigern daß ihnen Hilft ein weitgehend normales und Schmerzfreies Leben zuführen.
Wir sind Eltern einer EPP Tochter und haben ihre Schmerzen gegen die es keine Hilfe gab von frühester Kindheit an miterlebt. Und ihre Freunde als sie das Medikament bekam, es waren die kleinen Dinge wie ohne schwere Verbrennungen zum Arbeitsplatz zu gehen, ein Spaziergang im Park bei Sonnenschein. Und daß will man den Patienten wieder nehmen! Und die EPP Kinder ?

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"Alleine gelassen"

von C. Hauke am 02.03.2017 um 11:22 Uhr

Ich kann nur zustimmen, dass ich mich in den letzten 1 1/2 Jahren sehr allein gelassen gefühlt habe im Kampf endlich einen normalen Alltag bestreiten zu können und weniger Schmerzen ertragen zu müssen. Immer und immer wieder wird man vertröstet, muss sich neu erklären und scheinbar versteht Niemand der Verantwortlichen wie wichtig Scenesse für uns Betroffene ist. Die Zuständigkeit herauszufinden woran die tatsächliche Vergabe scheitert, wird von Behörde zu Behörde zu den Ärzten zu der Pharmafirma geschoben und wieder zurück. - und wir EPP-Patienten sind am verzweifeln und haben weiterhin Angst und Schmerzen.

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Das Thema "Forschen hilft heilen" beim gestrigen Tag der seltenen Erkrankungen

von Ursula Simmerkus am 01.03.2017 um 20:21 Uhr

Da kann ich nur Lachen! Für uns EPP-Patienten ist bereits erforscht worden und seit zwei Jahren das einzigste Medikament was nachweislich hilft unser Leben erträglicher und schmerzfreier zu leben, wird uns verweigert. Was nützt den Patienten von sehr seltenen Erkrankungen die kostspielige Forschung, wenn das Erforschte dann den Betroffenen nicht zur Verfügung gestellt wird? Leider hat Niemand an den zuständigen Stellen unsere angeborene Stoffwechselerkrankung, sonst könnte Dieser eher nachvollziehen welche unerträglichen Schmerzen wir immer wieder bekommen! Niemand der zuständigen Stellen fühlt sich in der Lage an dieser unerträglichen Situation etwas zu ändern oder hat nicht das Rückgrat dazu Entscheidungen zu den treffen!
Bitte an Alle die uns unterstützen möchten an dieser Situation was zu ändern, unterschreibt und verbreitet unsere online Petition! Danke auch im Namen aller EPP- Patienten. Auch auf unserer Homepage www.epp-deutschland.de
Ursula Simmerkus, Beirat Selbsthilfe EPP e.V.

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Der komplette Wahnsinn

von MIchael Möhlen am 01.03.2017 um 16:39 Uhr

Wie hier auf dem Rücken er Betroffenen (eine schlecht Partie) Schach gespielt wird ist mir unbegreiflich!
1. Wenn Krankenkassen die Kostenübernahme ablehnen ist das widerrechtlich, wenn nicht sogar Körperverletzung.
2. Warum kann es so schwer sein, die Kostenübernahme zu bestätigen, wenn sie doch so garantiert ist?
Nur, weil jemand an einer seltenen Krankheit leidet, ist er deswegen machtlos? Es wird Zeit, dass endlich etwas passiert!

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Behandlung endlich ermöglichen

von Markus Dürr am 01.03.2017 um 11:35 Uhr

Es ist schon erstaunlich und verwirrend, warum es in Deutschland so unglaublich schwierig ist, die Behandlung für uns Patienten zu ermöglichen. Wer so wie ich in Süddeutschland lebt hat ohnehin schlechte Karten, zur Behandlung fährt man alle 2 Monate um 400km, wenn man denn wenigstens behandelt werden würde!
Wie im Artikel sehr deutlich wird geht es uns Patienten nicht darum mal in den Urlaub zu fahren, sondern unser alltägliches Leben bewältigen zu können.

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Hilfe Jetzt!!!!

von A. Voß am 01.03.2017 um 10:32 Uhr

Die Umstände für die betroffenen Menschen sind unhaltbar. Die Patienten brauchen umgehend den Zugang zum Medikament. Das Frühjahr rückt immer näher und damit auch die Angst vor Sonne und Schmerzen.
Jeder soll in Würde den Alltag meistern und nicht permanent an die Konsequenzen denken müssen!

BITTE HELFEN SIE !!!

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Petition "Licht für Alle"

von Jasmin Barman-Aksözen am 01.03.2017 um 9:00 Uhr

Der Artikel bringt die unmögliche Situation der Patienten mit der ultra-seltenen Lichtkrankheit EPP (Erythropoietische Protoporphyrie) auf den Punkt. Die deutsche Patientenorganisation Selbsthilfe EPP e.V. hat daher eine online-Petition gestartet, als Möglichkeit zur Unterstützung und Informationsplattform:
www.change.org/de/lichtkrankheit
Für Rückfragen steht der Verein gerne zur Verfügung: vorstand@epp-deutschland.de
Dr. Jasmin Barman-Aksözen, Wissenschaftlicher Beirat Selbsthilfe EPP e.V.

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