Lieferengpässe

AkdÄ-Präsident fordert mehr Produktion in Europa

Stuttgart - 06.03.2017, 11:00 Uhr

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, der Vorsitzende der AkdÄ, fordert mehr Arzneimittelproduktion in Europa. (Foto: AkdÄ)

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, der Vorsitzende der AkdÄ, fordert mehr Arzneimittelproduktion in Europa. (Foto: AkdÄ)


Um Defekten vorzubeugen, fordert der Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Wolf-Dieter Ludwig mehr Arzneimittelproduktion in Europa. Er schlägt sowohl Anreize als auch scharfe Sanktionen wie Zwangslizenzen für Hersteller vor – auch sollten exklusive Rabattverträge teils untersagt werden. 

Für Lieferengpässe sind viele Faktoren verantwortlich – Rabattverträge, die Abhängigkeit von Importen, ungeregelte Exporte, finanzielle Anreize und mehr. Klar ist, dass sie ein regelmäßiges Ärgernis für Apotheker sind – und für Patienten zunehmend zur Gefahr werden, wenn sie optimale Therapien verhindern. Gegenüber der Südwest-Presse fordert Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) nun finanzielle Anreize, um Defekten zu begegnen.

Die zunehmende Verlagerung der Rohstoff-Herstellung für Arzneimittel ins Ausland, insbesondere nach Asien, würde auch aufgrund unzureichender Investitionen in Produktionsstätten teils Lieferengpässe verursachen – oder Qualitätsmängel. Seiner Einschätzung nach hat dies in erster Linie ökonomische Gründe – billigere Löhne und geringere Aufwendungen für Produktionsstätten verleiten immer mehr Hersteller, außerhalb Deutschlands zu produzieren. 

Anreize die Produktion zurückzuholen

Nach Meinung von Ludwig sollte die Produktion „unbedingt“ nach Europa zurückgeholt werden. Doch bräuchte es Anreize, um die Hersteller hierzu zu motivieren. „Von Seiten der Politik muss über finanzielle Anreize für Hersteller nachgedacht werden, um insbesondere unverzichtbare Medikamente wieder verstärkt in Europa zu produzieren“, forderte der Mediziner. „Das können etwa Aufschläge auf den derzeit gültigen Preis sein.“

Gleiches wünscht er sich für die Großhändler, damit diese Lagerkapazitäten sowie die Bevorratung deutlich verbessern. Außerdem fordert er mehr Informationen zur Lieferfähigkeit. „Neben der Verlagerung der Produktionsstätten wieder zurück nach Europa halten wir auch die rechtzeitige und vor allem verpflichtende Meldung von drohenden Liefer- und Versorgungsengpässen durch die pharmazeutischen Unternehmer beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für dringend notwendig“, erklärte Ludwig. „Die derzeit veröffentlichte Liste zu Lieferengpässen ist unvollständig, da sie nur eine Übersicht aus freiwilligen Meldungen der Zulassungsinhaber nach definierten Kriterien enthält.“

Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) bezeichnete BfArM-Präsident die freiwilligen Meldungen der Pharmafirmen als „bereits sehr wichtige Schritte hin zu mehr Transparenz und Versorgungssicherheit für die Patientinnen und Patienten“. Das BfArM beobachte jedoch „sehr genau“, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen – oder ob beispielsweise eine Meldeverpflichtung eingeführt werden sollte. 

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Zwangslizenzen sollen erwogen werden

AMK-Präsident Ludwig will jedoch noch weitergehen – und das Arzneimittelgesetz überarbeiten: Er will die gesetzlichen Vorgaben für Hersteller verschärfen. „Die bereits einmal geplante Eingriffsbefugnis der Landesbehörden bei drohenden Lieferengpässen wurde leider im Gesetz bisher nicht umgesetzt“, erklärte er gegenüber der „Südwest Presse“.

Im Notfall sollten bei Versorgungsengpässen auch Zwangslizenzen erwogen werden. „Schließlich muss über empfindliche Sanktionsmaßnahmen nachgedacht werden, wenn die pharmazeutischen Unternehmer dann der von uns geforderten Meldeverpflichtung nicht nachkommen sollten.“ Bei „unverzichtbaren Medikamenten ohne geeignete Alternativen“, wie beispielsweise bei der Therapie lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen, ist nach Ansicht von Ludwig darüber hinaus noch ein anderer Punkt essenziell: Er fordert, dass in diesen Fällen immer Rabattverträge mit mehreren Anbietern abgeschlossen werden.

Auch der Branchenverband „Pro Generika“ sieht in der Stärkung der heimischen Produktion einen Weg, das Problem der Lieferengpässe nachhaltig zu lösen. Der Verband präsentierte vor einigen Wochen eine von ihm in Auftrag gegebene Studie, in der die Unternehmensberatung Roland Berger die Abhängigkeit Deutschlands von ausländischen Antibiotika-Herstellern untersucht hat. In der Untersuchung wurden auch Überlegungen angestellt, unter welchen Umständen die heimische Antibiotikaproduktion gestärkt werden könne.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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