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Ohne Arzneiversand läuft nichts mehr – sagt die SPD. Und der GKV-Spitzenverband schreit nach dem Versandhandel: Die Vor-Ort-Apotheken schaffen es nicht mehr, wir brauchen den Versand! Drehen die Sozen durch? Leiden die Kassen unter Realitätsverlust? Rauchen die zusammen Cannabis? Das kleine Plus für Rezeptur und Doku kann uns da nicht trösten. Egal, die Welt kann uns mal: Unser schniekes neues Häuschen in Berlin wird gebaut.
6. März 2017
Uns, also den Apotheken, geht’s gut, mein liebes Tagebuch, richtig gut. Und wir blicken optimistisch in die Zukunft: Uns kann keiner. Und deshalb bauen wir uns ein kleines Häuschen für 35 Mio. Euro. Wir haben’s ja – und irgendwann ist auch das alte Palais in der Jägerstraße verkauft. Wir freuen uns auf einen schnieken achtstöckigen Bürotower mit Plenarsaal, Konferenzflächen und Dachterrassen. Aber Hallo, alles vom Feinsten. Am 2. März war der feierliche Spatenstich an der Heidestraße in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs. Und in zwei Jahren darf unsere ABDA schon die Ledersessel ihrer neuen Büros besetzen. Was die Politik davon hält? Ist uns piepegal. Wem das Häuschen nicht passt, soll wegschauen. Wie heißt es doch so nett und frei nach Schiller: Sie standen auf ihres Daches Zinnen, sie schauten mit vergnügten Sinnen, auf die Apothekenlandschaft hin. „Dies alles ist uns untertänig“, begannen sie zu Politik und Medien, „gestehet, dass wir glücklich sind!“
O.k., ist ja auch hoch komplex die gesamte Materie: Ist ein Verbot von Rx-Versand gut oder schlecht, was bringt’s, geht’s auch anders und so weiter. Rund fünf Monate hat der Großhandelsverband Phagro gebraucht, um sich endlich mal deutlich hinter die Apotheken zu stellen, das Rx-Versandverbot zu unterstützen. Puh, ist ja auch nicht so einfach, nicht wahr? Während die Genossenschaften Sanacorp und Noweda von Anfang an für ein Rx-Versandverbot votierten, musste der Großhandelsverband erst noch überlegen: Werden mit einem Rx-Versandverbot unsere Umsätze mit den niederländischen Versendern schrumpfen? Nein, lieber Phagro, diese Umsätze bleiben dann im Land, wie schön!
Das Ende naht, mein liebes Tagebuch, das Ende der unsäglichen Impfstoff- und Zyto-Ausschreibungen. Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz werden diese Kassenpraktiken abgeschafft, die zu Lieferengpässen und weniger Versorgungsqualität führten. Das nährt die Hoffnung, dass endlich wieder Impfstoffe verfügbar sind, wenn man sie braucht, und Krebspatienten zuverlässig mit Zytostatika versorgt werden können. Auch wenn der „Stern“ meint, Gröhe würde „mal wieder die Apotheken beschenken“! Will der „Stern“ nicht wissen, dass Kassen mit Zytostatikaherstellern Rabattverträge aushandeln dürfen? Außerdem: Apotheker und Kassen müssen sich in der Hilfstaxe auf neue Preise verständigen. Von Geschenken an die Apotheker kann da nicht die Rede sein.
Lieferengpässe sind ein echtes Ärgernis. Für die Patienten, wenn die optimale Therapie verhindert wird, aber auch für uns Apothekers, weil wir nicht liefern können. Jetzt meldet sich der Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, zu Wort. Er sieht Gründe für Lieferengpässe u. a. darin, dass Arzneimittel-Rohstoffe mehr und mehr im Ausland hergestellt werden. Er fordert, mehr Arzneimittelproduktion nach Europa zurückzuholen und er möchte auch, dass exklusive Rabattverträge weitgehend untersagt werden. Mein liebes Tagebuch, das sind vernünftige Vorschläge! Endlich mal wieder einer, der die Lieferengpässe anprangert. Warum fordern das nicht unsere Berufsvertreter? Unsere ABDA ist mir bei diesem Thema ehrlich gesagt zu kleinlaut.
7. März 2017
Amazon will auch Arzneimittel verschicken, aber so richtig kompatibel scheinen die Apotheken für den Großversender nicht zu sein. Und ohne Apotheke geht es auch für Amazon nicht. In Berlin versuchte das Päckchenunternehmen mit der Versandapotheke Aponeo einen Deal zu machen, sprich einen Lieferservice aufzubauen. Aber Aponeo winkte ab: Logistisch und kaufmännisch sei das nicht interessant, zu schlechte Konditionen. Und in Berlin liefert Aponeo eh am gleichen Tag aus. Mein liebes Tagebuch, Amazon wird vermutlich weiter nach einer geeigneten Apotheke suchen, die sich auf solche Deals einlässt. Bundesweit arbeiten übrigens einige andere Versandapotheken im OTC-Bereich mit Amazon zusammen. Da kann man sich einen netten Warenkorb zusammenstellen: Beispielsweise ein Voltaren forte Schmerzgel, einen Elektroschocker, ein Pfefferspray, einen Akku-Bohrschrauber und eine DVD wie „Fifty Shades of Grey“ – kann man alles zusammen bei Amazon bestellen. So geht digitaler Versandhandel, liebe Gesundheitspolitiker von SPD und Grünen: Das Arzneimittel liegt im virtuellen Selbstbedienungsregal bei Amazon neben Bohrmaschine und DVD. Von Beratung keine Spur! Das ist die schöne SPD- und Grünen-Welt des „unverzichtbaren“ Arzneiversandhandels – ohne den es heute eurer Ansicht nach nicht mehr geht. Super cool, oder!?
Immer wieder das Gleiche: DocMorris will seine Geschäfte auf dem deutschen Markt machen, sich aber nicht an unser Recht halten. Der Versender meint, dass er sich nicht nach unseren Vorschriften richten muss, weil er nicht auf deutschem Boden sitzt – aber ultranah an der deutschen Grenze. Einer Apothekerin fiel auf, das der Versender keine Telefonnummer beim Freibriefumschlag für Rezepte von den Kunden abfragt, obwohl das die Apothekenbetriebsordnung vorschreibt. Sie zog vor Gericht und bekam Recht, zumindest eine einstweilige Verfügung gegen DocMorris. Das Landgericht war der Meinung, dass sich DocMorris an die Apothekenbetriebsordnung halten müsse. Mein liebes Tagebuch, DocMorris wird zwar vermutlich nur mild gelächelt haben und sich dagegen wehren – aber warum eigentlich? Hier geht es doch um den Schutz der Gesundheit – will DocMorris etwa nicht für den Gesundheitsschutz seiner Patienten eintreten? Nur große Klappe und nichts dahinter?
8. März 2017
Endlich! Unser Präsident redet Klartext. Mit einer Pressemitteilung hat sich die ABDA zur Blockadehaltung der SPD beim Rx-Versandverbot zu Wort gemeldet. Den SPD-Vorschlag, nun auch inländischen Apotheken die Vergabe von Boni zu erlauben, sieht Schmidt überaus kritisch: „Diese Idee ist ebenso untauglich wie gefährlich.“ Und die Wettbewerbssituation würde sich weiter verschärfen, weil Präsenzapotheken in die Rabattschlacht gezwungen würden: „Da gießt man Öl ins Feuer statt zu löschen. Wer diese Idee propagiert, will offensichtlich das bewährte System der Arzneimittelversorgung in Deutschland schleifen.“ So isses! Und Schmidt sagt auch deutlich, dass der SPD-Vorschlag arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv sei: ein Spezialgesetz für das Wohlergehen einzelner Großunternehmen jenseits der grünen Grenze. Mein liebes Tagebuch, das gehört in die BILD-Zeitung! Direkt unter den Beitrag über Martin Schulz!
Sie lassen nicht locker, die Wirtschaftsweisen. Ihr Vorsitzender Christoph Schmidt will einen „sanften Wettbewerb“ für Apotheken, sagte er im Interview von DAZ.online. Und dieses Sanfte geht bei ihm so: Die Kassen bezahlen den Apotheken nur noch den Großhandelseinkaufspreis. Punkt. Kein 8,35-Euro-Honorar, keine 3-Prozent-Pauschale. Die Apotheken dürfen sich dann über eine „Service-Pauschale“, die zwischen null und zehn Euro liegt, ihren Verdienst beim Kunden holen. Für den Wirtschaftsweisen ist es auch schnurzegal, ob das eine inhabergeführte kleine Apotheke ist oder eine Kettenapotheke. Eine Kettenapotheke könnte auf dem Land eventuell sogar noch besser versorgen, meint der Wirtschaftsprofessor. Mein liebes Tagebuch, grauenvoll – was hat er geraucht? Ab in die Tonne mit diesen Gutachten. So sind sie, diese Ökonomen, die die Feinheiten des Apothekenmarkts nicht kennen.
Mein liebes Tagebuch, aufgepasst! Heute gibt es einen Grundkurs zum Thema: Wie wir uns den Arzneimittelmarkt schönreden und sehen, dass es fast keine Lieferengpässe gibt. Unsere Referenten sind das Dream-Team schlechthin: Christopher Hermann von der AOK Ba-Wü und Karl Lauterbach, DER Gesundheitsexperte der SPD. Grundlage des Grundkurses: eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der AOK. Entschuldige mein liebes Tagebuch, schon jetzt muss ich laut lachen. Zu den Ergebnissen der Umfrage: In 80% der Fälle musste der Apotheker das gewünschte Präparat oder das Rabattarzneimittel bestellen, sagten die Patienten. 40% der Befragten wurde ein Austauschpräparat angeboten, weil das gewünschte Arzneimittel nicht verfügbar war. Und 11 Prozent der Befragten sagten, dass der Arzt sogar ein neues Rezept ausstellen musste, weil das alte Rezept wegen eines Lieferengpasses nicht erfüllt werden konnte. Fazit des AOK-Rabatt-Chefs Hermann: Die Arzneimittelversorgung über Apotheken sei „absolut gesichert“! Es gebe nur „punktuelles Lieferversagen“ bei der Versorgung durch Apotheken. Mein liebes Tagebuch, ich schmeiß mich weg. Mehr schön reden geht schon nicht, oder? Wenn 40 Prozent der Versicherten ein Austauschpräparat angeboten werden muss, ist das „punktuell“. Immerhin, im Krankenhausbereich klemmt’s noch schlimmer, so schlimm, dass Schönreden nicht mehr hilft. Hier fordert der AOK-Chef, dass alle Akteure, auch die Apotheken, regelmäßig ihre Lagerbestände melden müssten – worüber Lauterbach nachdenken wolle. Das wäre allerdings nicht mehr lustig.
9. März 2017
Rx-Versandhandelsverbot – das muss man sich als Karren vorstellen, der mit allen vier Rädern im Schlamm steckt. Und die SPD zieht an der einen Seite, um ihn rauszuholen, die Unionsparteien an der anderen. Es bewegt sich nichts. Das weitere Fachgespräch zwischen Apothekern, Versandapothekern und Vertretern der Regierungskoalition hat keine Lösung gebracht. Die Union steht zu den Apothekern und will das Verbot. Aber die SPD bleibt bei ihrem irrwitzigen Vorschlag des Boni-Deckels, nämlich: Rx-Versand bleibt, keine Zuwendungen bei der Arzneimittelabgabe, ausgenommen bis zur Bagatellgrenze von einem Euro. Mein liebes Tagebuch, das würde wegen des Wettbewerbs defacto einem Dauer-Bonus von einem Euro gleichkommen, d. h. unser Honorar sinkt auf 7,35 Euro. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Idee europarechtlich überhaupt möglich wäre. Warum sollte sich DocMorris an die 1-Euro-Grenze halten? Der EuGH hat den ausländischen Versendern bestätigt, dass sie sich nicht mehr an die Preisbindung halten müssen.
Der ungebremste Arzneiversandhandel ist für die SPD eine Herzensangelegenheit. Sie kämpft dafür wie eine Löwenmutter für ihr Baby. Ist ja auch ihr Baby: SPD-Ulla wollte ihn unbedingt. Und jetzt sind sich sogar der linke und der konservative Flügel (ja, so was gibt es bei der SPD) der SPD-Bundestagsfraktion einig. Gemeinsam stemmen sie sich gegen ein Rx-Versandverbot. Sie meinen, der Versandhandel werde genauso benötigt wie die Apotheke vor Ort. Mein liebes Tagebuch, warum sind die Sozen für unsere Argumente taub? Warum schaffen wir es nicht, dieser Fraktion den Wert der Apotheke vor Ort bei Rx-Arzneimitteln zu vermitteln?
Bald lassen wir die Topitecs und Unguatoren dieser Erde viel lieber schnurren! Mein liebes Tagebuch, der Bundestag hat Ja gesagt: Wir bekommen für Rezepturen eine Fixpauschale von 8,35 Euro extra (allerdings geht der Kassenabschlag weg). Außerdem werden die Arbeitspreise um einen sagenhaften Euro erhöht. Das bringt Leben in die Rezeptur. Und bei der Doku von BtM- und T-Rezepten gibt es bald statt 0,26 Euro satte 2,91 Euro (warum ausgerechnet 2,91 und nicht 2,92 oder so, das wissen die Götter). 100 Mio. Euro gibt es somit für die Apotheken jährlich mehr, also im Durchschnitt pro Apotheke 5000 Euro. Und – zufrieden? Oooch, mein liebes Tagebuch, ja, schon, irgendwie, na ja. Und was ist, wenn der Ein-Euro-Bonus der SPD kommt? Bei einer Durchschnittsapotheke, die 37.500 Rx-Packungen im Jahr abgibt, heißt das mit einem Schlag ein Rückgang des Betriebsergebnisses von 31.500 Euro (1 Euro Bonus pro Rx-Packung entspricht 0,84 Euro netto, ohne Mehrwertsteuer). So sieht’s aus. Da hilft auch das Plus von 5000 Euro aus Rezeptur- und Doku-Erhöhung nicht weiter.
10. März 2017
Der GKV-Spitzenverband singt das hohe Lied des Versandhandels! Er möchte ihn unbedingt erhalten, es bestehe Bedarf. Z. B. weil immer mehr Apotheken schließen, auch auf dem Land. Der Versandhandel könne diese Lücken schließen. Mein liebes Tagebuch, jetzt werden wir von der GKV auch noch für dumm verkauft! Da tut die GKV alles, dass die Vor-Ort-Apotheke ausgequetscht wird wie eine Zitrone und wenn dann einige Apotheken über die Wupper gehen, schreit die GKV nach dem Versandhandel: die Vor-Ort-Apotheken schaffen es nicht mehr, wir brauchen den Versand. Verrückte Welt, oder? Übrigens, dass Apotheken schließen, hat nach Ansicht der GKV nichts mit dem Versandhandel zu tun oder den Boni, nein. Es gebe einen allgemeinen Trend hin zu größeren Apotheken, sie seien einfach wirtschaftlicher. Und noch eins: Der Botendienst der Apotheke könne den Versandhandel nicht ersetzen, meint der GKV-Verband. Mein liebes Tagebuch, wir sind einem unfairen Wettbewerb mit ausländischen Versendern ausgeliefert, wir werden retaxiert, wir bekommen jahrelang keine Honorarerhöhung – und wenn einige von uns das nicht überleben, heißt es: Ihr schafft es nicht, wir brauchen den Versandhandel. Danke Politik, danke GKV, wir sind Eure Deppen der Nation.
9 Kommentare
Cannabis Halleluja
von Wolfgang Müller am 13.03.2017 um 18:58 Uhr
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Eintrag ins Klassenbuch: Lauterbach stört dauernd!
von Heiko Barz am 12.03.2017 um 15:59 Uhr
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Systemkritik
von Reinhard Rodiger am 12.03.2017 um 13:32 Uhr
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RX-Versandverbot
von Dr. Radman am 12.03.2017 um 11:49 Uhr
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Alles
von Frank Ebert am 12.03.2017 um 11:26 Uhr
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AW: Anything goes?
von Christian Timme am 12.03.2017 um 14:58 Uhr
Fingerspitzengefühl
von Ulrich Ströh am 12.03.2017 um 10:44 Uhr
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Punktlandung
von Karl Friedrich Müller am 12.03.2017 um 9:07 Uhr
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Zur Strukturierten Partei(bande) Deutschland unter S... und Sankt Martin ...
von Christian Timme am 12.03.2017 um 8:55 Uhr
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