Antibaby-Pille

Wie lange senkt die Pille das Krebsrisiko?

Aberdeen / Stuttgart - 24.03.2017, 17:00 Uhr

Die Pille ist sicher für Langzeitanwenderinnen. Und wirkt sogar protektiv bei einigen Krebsarten. (rainbow33 / Fotolia)

Die Pille ist sicher für Langzeitanwenderinnen. Und wirkt sogar protektiv bei einigen Krebsarten. (rainbow33 / Fotolia)


Die Antibaby-Pille: Wovor schützt sie noch – außer vor ungewollten Schwangerschaften? Vor Krebs? Die Pille senkt das Risiko für Endometrium-, Ovarial- und Colonkarzinom und erhöht es für Brustkrebs und Tumorerkrankungen der Zervix. Und nach Absetzen des Verhütungsmittels? Wie wirkt sich die jahrelange Hormondosis langfristig aus? Erkranken die Frauen häufiger an Krebs?

Hunderte Millionen Frauen haben sie schon genommen. Und schätzungsweise 100 bis 150 Millionen Frauen verhüten heutzutage täglich damit: Die Anti-Babypille. Ob ein anderes Arzneimittel über die Jahrzehnte mehr diskutiert wurde? Ist die Pille sicher – wie sieht es mit dem Krebsrisiko aus? Frauen scheinen hinsichtlich des Risikos für Endometrium-, Ovarial- und Colonkarzinom von der täglichen Estrogen-Gestagen-Dosis zu profitieren. Am Brust- und Zervixgewebe hingegen steigt durch die Antibabypille das Risiko für maligne Erkrankungen. Viele Frauen verunsichert die immer wieder aufkeimenden Debatten um ihr Verhütungsmittel. Schaden sie langfristig ihrer Gesundheit durch hormonelle Kontrazeptiva?

Mehr Krebs, weniger Krebs – aber für wie lange?

Trotz intensiver Studien sind auch nach Jahrzehnten der Antibabypille immer noch Fragen offen. Wissenschaftler der University of Aberdeen haben sich nun einiger angenommen. Der protektive Nutzen hinsichtlich Endometrium-, Ovarial- und Colonkarzinom ist bekannt. Doch – wie lange profitieren Frauen von diesem positiven Effekt? Außerdem: Wie ist es um die späteren Lebensjahre der Frauen bestellt? Erhöht die Einnahme kombinierter Estrogen-Gestagen-Präparate die Gefahr für manche Tumorerkrankungen auch nachdem sie abgesetzt wurden? Und wie sieht die Krebs-Gesamtbilanz aus bei früheren Pillen-Nutzern? Erkranken sie im Gesamten häufiger oder seltener an malignen Tumoren?

Diese Fragen analysierte Lisa Iversen anhand eines beeindruckenden Patientenkollektivs über einen nicht weniger beeindruckenden Zeitraum: 46.022 Frauen wurden in den Jahren 1968 bis 1969 im Rahmen der UK Royal College of General Practitioners’ Oral Contraception Study rekrutiert und deren Daten über teilweise mehr als 44 Jahre ausgewertet. Die Daten wurden bezüglich des Alters der Probandinnen, zahlenmäßiger Gleichheit, der sozialen Schicht und des Status Raucher oder nicht standardisiert.

Es gab zwei große Gruppen: Die „Immer“ und die „Nie-“Anwenderinnen der Antibabypille, die Raten jeweils für das allgemeine und ein spezifisches Tumorrisiko betrachtet. 

Bis 30 Jahre nach Einnahme: geringeres Risiko für Endometrium-, Ovarial- und Colonkarzinom 

Über 884.895 Beobachtungsjahre entwickelten 4661 der „Immer-Pille“-Anwenderinnen mindestens einen Tumor. Die kontinuierliche Einnahme kombinierter hormonellen Kontrazeptiva korreliert nach Angaben der Wissenschaftler mit einem geringeren Risiko für Endometrium-, Ovarial- und Colonkarzinom und für Krebserkrankungen des lymphatischen und blutbildenden Systems. Von diesem Nutzen scheinen die Frauen über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren zu profitieren.

Ein höheres Risiko für Lungenkrebs hatten Frauen, die mit der Antibabypille verhüteten nicht. Dieses konnte nur für Pillen-Anwenderinnen nachgewiesen werden, die zum Zeitpunkt des Studienbeginns geraucht hatten, fanden die Wissenschaftler um Lisa Iversen heraus. Allerdings gestehen die Forscher diesen Daten auch eine limitierte Aussagekraft zu: Das Rauchverhalten wurde nach Studienbeginn nicht für jede Probandin nochmals überprüft und die Daten hierzu aktualisiert.

Erhöhtes Risiko für Brust- und Zervixkrebs endet nach fünf Jahren

Dass Frauen ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs und Zervixkarzinome haben, wenn sie mit kombinierten Hormonpräparaten verhüten, ist bekannt. Unbekannt war bislang, wie lange sich diese negativen Effekte auswirken. Bleibt Frauen gar lebenslang die erhöhte Gefahr für eine Krebserkrankung erhalten? Dieser gesundheitliche Nachteil scheint sich fünf Jahre nach Absetzen der Pille zu verlieren. Bei den „Nie“-Anwenderinnen der Pille, entwickelten 2341 Frauen mindestens eine tumoröse Erkrankung über den Zeitraum von 388.505 Beobachtungsjahren. Bei den „Immer-Pille“-Anwenderinnen bekommen 0,005 Frauen Krebs pro Beobachtungsjahr. Von Frauen, die nie mit einem hormonellen Präparat verhütet haben, erkranken 0,006 pro Beobachtungsjahr an einem malignen Tumor.

Ergebnis und die Grenzen der Daten

Welche Faktoren konnten die Ergebnisse der Untersuchung, die nun im American Journal of Obstetrics & Gynecology veröffentlicht wurden, noch verzerrt haben? Die Wissenschaftler hatten keine Informationen über den Lebensstil der Frauen: Diätverhalten, Alkoholkonsum, sportliche Betätigung, Body-Mass-Index (BMI) oder Angabe zur ersten Menarche, Menopause oder familiären Hintergründen.

Außerdem könnten die Ergebnisse nicht ohne Weiteres weltweit übertragen werden. Das Kollektiv der Probandinnen stammte aus dem Vereinigten Königreich.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Frauen sich keinem langfristigen Krebsrisiko aussetzen, wenn sie sich bei der Verhütung für die Antibaby-Pille entscheiden. Auch nach Absetzen der Antibaby-Pille gebe es nach ihren Daten keine Hinweise, dass Frauen in späteren Lebensjahren häufiger an Krebs erkrankten. In der Tat sei es so, dass orale hormonelle Kontrazeptiva vor einigen Krebserkrankungen wahrscheinlich schützen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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