Wirtschaftsstandort Deutschland

Pharmafirmen investieren wieder in deutsche Standorte

28.04.2017, 11:50 Uhr

Der Wirtschaftsstandort Deutschland gewinnt wieder an Attraktivität. (Foto:  made_by_nana / Fotolia)

Der Wirtschaftsstandort Deutschland gewinnt wieder an Attraktivität. (Foto:  made_by_nana / Fotolia)


Während deutsche Unternehmen lange Zeit neue Produktionen vor allem im osteuropäischen und asiatischen Ausland aufbauten, ist mittlerweile ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Zahlreiche Firmen kehren nach Deutschland zurück und investieren hier in ihre Fertigung. Die Entwicklung ist auch in der Pharmabranche zu beobachten. 

Die Digitalisierung macht es möglich – sie bringt die Produktion nach Deutschland zurück. So fasst Ralph Appel, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung seines Vereins sowie der Hochschule Karlsruhe und des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) zusammen. Wenngleich das Gros der Rückkehrer auf Unternehmen des Fahrzeugbaus entfällt, zieht es zunehmend auch die Chemie- und Pharmaindustrie zurück in die Bundesrepublik, berichtet die Tageszeitung Die Welt. Gestützt wird diese Beobachtung durch eine Untersuchung des Mannheimer Beratungsunternehmens Camelot vom April vergangenen Jahres, wonach die Pharmaindustrie wieder verstärkt in Deutschland investiert. Während sich die Branche damals optimistisch über die Aussichten auf dem deutschen Markt äußerte, zeigte sie Vorbehalte gegenüber der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Märkten wie China und Russland.

Ein Rückkehrer auf drei Verlagerer

Nach Angaben der Hochschule Karlsruhe verharren Produktionsverlagerungen der deutschen Industrie ins Ausland auf einem sehr geringen Niveau. Lediglich neun Prozent der Betriebe des deutschen Verarbeitenden Gewerbes hätten von 2013 bis Mitte 2015 Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert – kaum mehr als beim bisherigen Tiefstand von 2012. Gleichzeitig seien Rückverlagerungen von Produktionskapazitäten leicht angestiegen. So treffe die zunehmende Rückkehrwilligkeit von deutschen Unternehmen bereits auf drei Prozent der Firmen zu. „Das klingt im ersten Moment nicht viel“, zitiert Die Welt VDI-Manager Appel. „Bezogen auf das gesamte verarbeitende Gewerbe sind das aber immerhin 500 bis 550 Rückverlagerungen pro Jahr.“ Je nach Betriebsgröße komme damit ein Rückkehrer auf drei Verlagerer.

Dem Bericht nach verlässt die Mehrzahl der Rückkehrer dabei Standorte in Asien, um sich erneut nach Deutschland zu orientieren, gefolgt von den Kernstaaten der Europäischen Union und Nordamerika. Die meisten dieser Unternehmen seien im Fahrzeugbau tätig, wo die Quote laut der Studie bei rund zwölf Prozent liege. Im Bereich Chemische Erzeugnisse/Pharma kommen demnach auf 16 Verlagerungen sechs Rückkehrer.

Motive für Rückverlagerungen im Zeitvergleich (Mehrfachnennungen möglich) (Grafik: Fraunhofer ISI)

Mangelnde Flexibilität und Qualitätsprobleme

Als Hauptgründe für diese Entwicklung werden Probleme mit der Flexibilität und Lieferfähigkeit sowie Qualitätseinbußen genannt, wie Studienautor Steffen Kinkel vom Institut für Lernen und Innovationen in Netzwerken an der Hochschule Karlsruhe gegenüber der Zeitung erklärt: „Oft wird unterschätzt, wie lange die Sicherstellung der angestrebten Produkt- und Prozessqualität in Ländern mit anderer Mentalität und Kultur dauert.“ Außerdem würden die Kosten und Aufwendungen für die Koordination und Betreuung des ausländischen Produktionsstandortes vielfach falsch eingeschätzt.

Während bislang erhebliche Kostenvorteile bei den Löhnen solche Probleme vielfach überkompensiert hätten, steigt mittlerweile die Bezahlung der Facharbeiter in Ländern wie China oder Polen spürbar an. Dem Bericht nach betragen die Aufschläge bis zu über zehn Prozent pro Jahr.

Billiger durch Digitalisierung

Auf der anderen Seite werde die Produktion in Deutschland durch die zunehmende Digitalisierung billiger. „Wir sehen einen klaren Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzung von Digitalisierungstechnologien und der Rückverlagerungsneigung“, so Kinkel. Firmen, die moderne digitale Technologien einsetzten, verlagerten zehnmal häufiger Teile ihrer Fertigung in die Heimat zurück als Betriebe, die keine Industrie-4.0-Lösungen verwendeten.

„In der Digitalisierung fortgeschrittene Unternehmen weisen eine um 27 Prozent höhere Arbeitsproduktivität auf“, zitiert Die Welt den VDI-Direktor Appel. Er schätzt das Potenzial für Produktivitätssteigerungen auf acht bis zehn Milliarden Euro. Damit werde Deutschland auch als Werkbank-Standort wieder attraktiv, meint Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). „Durch Industrie 4.0 kann Produktion im großen Maße zurück nach Deutschland kommen.“

Wie sehr die Pharmaindustrie investiert, insbesondere in Forschung und Entwicklung, zeigt eine Untersuchung des EU Innovation Scoreboard. Demnach steht der Schweizer Pharmagigant Novartis an der Spitze mit Investitionen in Höhe von 11,2 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2015/2016, dicht gefolgt vom Nachbarn Roche mit 10,7 Milliarden Dollar. Bayer brachte es demnach auf immerhin 5,53 Milliarden Dollar, während Boehringer Ingelheim 3,74 Milliarden Dollar aufbrachte.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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