Verdacht

Supererreger aus indischen Pharmafabriken?

Berlin - 04.05.2017, 17:45 Uhr

Pharmaherstellung im indischen Hyderabad – sorgen sie für die Ausbreitung multiresistenter Keime? (Foto: dpa)

Pharmaherstellung im indischen Hyderabad – sorgen sie für die Ausbreitung multiresistenter Keime? (Foto: dpa)


Herstellerverbände räumen Defizite ein und versprechen Besserung

Der Vorwurf der Umweltbelastung durch Medikamentenproduktion in Schwellenländern sei bereits mehrfach erhoben worden, erklärte dazu auf Nachfrage Rolf Hömke, Sprecher des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen. Defizite seien möglich. Die Firmen des Verbandes hätten sich im vergangenen September deshalb auf Maßnahmen zur Rückverfolgung der Herstellung geeinigt. In den kommenden Jahren sollten Zulieferer aus Schwellenländern zum Beispiel auch auf Umweltaspekte überprüft werden. Diese Vereinbarung hätten bisher aber nicht alle deutschen Pharma-Unternehmen unterzeichnet.

Der Branchenverband Pro Generika hat sich ebenfalls mit den Vorwürfen auseinander gesetzt. Seine Mitgliedsunternehmen hätten bereits Maßnahmen ergriffen, die die Produktionsbedingungen weiter verbessern werden, heißt es unter anderem in einem Katalog von Fragen und Antworten zur Antibiotikaproduktion im In- und Ausland.

Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie erklärte: „Pharmaunternehmen kontrollieren die Qualität ihrer Zulieferer im Ausland mindestens nach den gesetzlichen pharmazeutischen Standards, die für Deutschland gelten“. Er ist überzeugt, dass Pharmaunternehmen, die Arzneimittelbestandteile aus Asien einkaufen oder dort herstellen lassen, den Bericht zum Anlass nehmen werden, auf die Einhaltung vereinbarter Umweltrichtlinien stärker einzuwirken. „Die Industrie hat jedoch keinen Einfluss auf die von den jeweiligen Ländern gesetzten Umweltstandards“, so Gerbsch. Zugleich stellt er klar: „Zustände, wie sie vom NDR dokumentiert wurden, sind inakzeptabel“. Dieser Herausforderung müssten sich Pharmaindustrie, alle vergleichbar betroffenen Branchen, Politik und  die Gesellschaft gemeinsam stellen.

Gröhe sieht internationale Gremien gefordert

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) meldete sich ebenfalls zu Wort, sieht sich aber offensichtlich nicht direkt selbst gefordert: „Dass Unternehmen das Wasser nicht mit gefährlichen Stoffen verunreinigen dürfen, muss generell gelten“, sagte er. „Es ist unerlässlich, dass Pharmaunternehmen ihre Abwässer entsprechend aufbereiten, und zwar überall, auch in Schwellenländern.“ Darauf müssten internationale Gremien im Wirtschafts- und Umweltbereich hinwirken.

Die Autoren der Dokumentation sehen die Gründe für die Produktionsbedingungen im Ausland auch im Preiskampf auf dem Pharma-Markt. Damit Antibiotika möglichst kostengünstig angeboten werden könnten, finde die Herstellung heute zu 80 bis 90 Prozent in Ländern wie Indien oder China statt. Eines der letzten großen europäischen Werke in Frankfurt-Hoechst habe 2016 die Produktion eingestellt, sagte NDR-Autor Christian Baars.

In Indien stießen die Bedenken der Forscher auf Kritik. „Es ist Quatsch, Industrieabwässer mit dem Transfer resistenter Bakterien auf Menschen zu korrelieren. Die Vorgänge sind deutlich komplizierter“, sagte Chandra Bhushan, stellvertretender Geschäftsführer des Think-Tanks-Zentrum für Wissenschaft und Umwelt (CSE) in Neu Delhi. Das Phänomen resistenter Bakterien gebe es weltweit. „Die USA sind der größte Konsument von Antibiotika. Dort findet man Rückstände von Antibiotika in jedem Produkt mit Hühnchenfleisch.“ 



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Die Globalisierung schlägt zurück

von sorglos am 09.05.2017 um 6:03 Uhr

Deutschland hatte mal eine funktionierende Pharmaindustrie, in der mit Ehre, mit Sachverstand und auf fachlich hohem Niveau produziert wurde. Mittlerweile wurde alles "outgesourct", es wird in Schwellenländern hergestellt. Mal feheln Asthmasprays, mal fehlen Antibiotika - es ist doch egal, ob Menschen nicht versorgt sind. Hauptsache die Kohle stimmt. bayer lieferte sich eine Schlacht um Monsanto - den größten Pestizidhersteller der Welt und damit Umweltvernichter. Wo hat Bayer die Milliarden her? Sicher nicht aus der Aspirinproduktion... ratio, hexal, beta und wie sie alle heißen, machen keine Forschung, lassen billigste Antibiotika in Indien, China etc. herstellen. Jetzt räumt man "mögliche Defizite" ein. Es ist wie immer, das Charakteristikum der Industrie ist Charakterlosigkeit. Niemand übernimmt Verantwortung. Nein, es ist eine Riesensauerei, was hier passiert. Die Chefs der Pharmariesen tragen persönlich die Verantwortung für den Produktionsprozess - bis hin zum Abwasser. Deutsche Apotheken brechen unter der Last der Bürokratie, QMS, Arbeitsschutz etc. zusammen. Die Pharmabranche kassiert fette Profite nach dem Motto: nach mir die Sintflut.
Antibiotika im Fleisch, Antibiotika im Fisch (Pangasiusproduktion in Vietnam - ekelerregend!), Antibiotika im Abwasser und auf der Kleidung. Das alles ist vorsätzliche Körperverletzung (denn die Ursachen sind den Herren bekannt). Wie lange will uns die Industrie noch belügen? Arzneimittelproduktion gehört nach Deutschland und die Generikafirmen haben die Kosten für die Beseitigung der Rückstände bitte sofort zu tragen!

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... nur eine von vielen Quellen

von Marco Böttger am 05.05.2017 um 7:10 Uhr

Wer produziert oder produzieren lässt, der trägt die Verantwortung für den gesamten Prozess. Die Unternehmen sind klar in der Pflicht.
Was die Entstehung von mulitresistenten Erregern betrifft... vergesst nicht, das die Industrienationen in der Viehzucht mit Tonnen Antibiotika mästen, vergesst nicht, dass viele Ärzte viel zu voreilig zu vielen Menschen Antibiotika verschreiben, die sich oft nicht austherapieren und dadurch Resistenzentwicklung begünstigen. Das Problem der hochgradig angepassten Krankheitserregen ist viel komplexer. Es bleibt wie immer wichtig, mit dem Finger nicht nur in eine Richtung zu zeigen und zu schimpfen und damit von eigener Schuld und Verantwortung abzulenken. Eine Haltung "Schuld ist nur der andere, die Politik, die Wirtschaft" ... niemals ich... führt nie zu einer Lösung. Das ist typisches, unkonstruktives Wutbürgertum. Schaut welches Fleisch ihr esst, seid lieber mal 2 Wochen krank, als euch bei jedem kleinen Infekt mit Antibiotika vollzustopfen! Leistet euren Beitrag!

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Superkeime - na und ?! ist ja so gewollt von Politik und GKV

von Ratatosk am 04.05.2017 um 18:51 Uhr

Ist doch egal für die deutsche GKV und die Behörden.
Der billigste ist der, der keinen Vorrat hält und der, der ohne Auflagen herstellt. Ist primitivste kaufmännische Grundlage, kapiert jeder außer den deutschen Verantwortlichen wie es scheint.
Die Politik hat das sehenden Auges so durch ihre Gesetze und Verordnungen herbeigeführt, also hier kein Gejammer von dieser Seite. Sicher kommt jetzt das tolle Verfahren mit sog. Kontrollen und QMS etc etc.
Sterben tun ja nur die Versicherten

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