Gesetzlicher Herstellerabschlag

Pharmaunternehmen klagen über Milliardenbelastung

München - 08.05.2017, 11:00 Uhr

Pharmaunternehmen wie Apotheker müssen Krankenkassen Rabatte für Arzneimittel gewähren. (Foto: eyetronic / Fotolia)

Pharmaunternehmen wie Apotheker müssen Krankenkassen Rabatte für Arzneimittel gewähren. (Foto: eyetronic / Fotolia)


Nicht nur Apotheken zahlen den Krankenkassen einen Abschlag auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Auch Pharmaunternehmen müssen GKV wie PKV seit Jahren einen gesetzlichen Rabatt gewähren. Die Firmen klagen über die milliardenschwere Belastung und fordern, den „Zwangsrabatt“ abzuschaffen – zumal die Krankenkassen derzeit über hohe Rücklagen verfügen.

Der Herstellerrabatt, den die Pharmafirmen in Deutschland den gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen auf die Listenpreise von Arzneimitteln ohne Festbetrag gewähren müssen, hat eine wechselvolle Vergangenheit hinter sich: Für Arzneimittel ohne Festbetrag lag er zunächst bei sechs Prozent, von August 2010 bis Ende 2013 betrug er 16 Prozent, seitdem notiert er bei sieben Prozent. Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel fällt ein Abschlag in Höhe von 6 Prozent an – zuzüglich 10 Prozent Generikaabschlag. Ein Ende der Sparmaßnahme ist nicht in Sicht.

Bei den Herstellern stößt der „Zwangsdiscount” auf wenig Gegenliebe. Nach Angaben des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) lagen die Belastungen für die Pharmaunternehmen 2009 bei 935 Millionen Euro, 2013 bei 2,7 Milliarden Euro und im vergangenen Jahr bei 1,7 Milliarden Euro. Boehringer Ingelheim beispielsweise berichtet auf Anfrage, dass seine Belastungen aus dem Herstellerrabatt 2016 bei mehr als 37 Millionen Euro lagen.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa, erinnert gegenüber DAZ.online daran, dass der Zwangsrabatt ursprünglich als „kurzfristige Notmaß­nahme“ aufgrund drohender Kassendefizite eingeführt worden war. Mittlerweile gelte er schon länger als ein Jahrzehnt. Darüber hinaus sind die Arzneimittelprei­se seit Sommer 2010 auf dem Stand vom 1. August 2009 eingefroren. Damit hätten Unternehmen jegliche Kostensteigerungen alleine zu tragen. Dies sei eine wirtschaftliche Belastung, die zum Zwangsrabatt hinzukomme.  

Fischer betont zudem, dass Preismoratorium und Zwangsrabatt gelten, obwohl die Kassen inzwischen seit Jahren Rücklagen in zweistelliger Milliardenhöhe horten. „Statt auf ständig wechselnde – und damit schwer planbare – staatliche Eingriffe zu setzen, sollte die Politik besser langfristig ein schlüssiges Gesamtkonzept im Arzneimittelsektor verfolgen“, so die vfa-Geschäftsführerin.  

Ruf nach Abschaffung 

Auch Boehringer Ingelheim hält die Verlängerung des geltenden Preismoratoriums ordnungspolitisch für „verfehlt“ und lehnt dieses „grundsätzlich ab“. „Das widerspricht der Kostenentwicklung der pharmazeutischen Unternehmer und zählt darüber hinaus nicht zu den Ergebnissen des Pharmadialogs“, so ein Unternehmenssprecher gegenüber DAZ.online.  

Der Ruf nach einer kompletten Abschaffung des Rabatts wird immer wieder laut. So erklärt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI): „Unsere Position zum ‚Zwangsrabatt‘ ist unverändert: Wir plädieren für eine generelle und grundsätzliche Abschaffung, da die pharmazeutischen Unternehmen über Jahre hinweg belastet werden, bei sehr guter Gesamt-Finanzlage mit Rücklagen in Milliardenhöhe der GKV.“ Der Verband weist außerdem darauf hin, dass seit 2011 das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) kostendämpfend wirke.

Tatsächlich überprüft das Bundesgesundheitsministerium alljährlich, ob gesetzliche Herstellerabschläge und Preisstopp nach der gesamtwirtschaftlichen Lage weiterhin gerechtfertigt sind. Doch Jahr für Jahr kommt es zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen beizubehalten sind – erst Ende März ist dies wieder geschehen.

Während der Herstellerrabatt für die Unternehmen eine erhebliche Belastung ist, rechnen diese vor, dass die Krankenkassen in den vergangenen Jahren massiv entlastet worden seien. Demnach lagen die GKV-Einsparungen im vergangenen Jahr bei insgesamt über 7,5 Milliarden Euro. Der größte Anteil sei dabei auf die Preisnachlässe der pharmazeutischen Hersteller entfallen. Hinzu gekommen seien Einsparungen durch Rabattverträge, die 2016 bei geschätzt rund 3,7 Milliarden Euro lagen. Gut 1,1 Milliarde Euro an Einsparungen resultierte aus Apothekerabschlägen.

Etwas Entlastung für die Pharmahersteller ist ab Juli 2018 in Sicht. Dann wird ein Inflationsausgleich eingeführt, der die Unternehmen um schätzungsweise 150 bis 200 Millionen Euro entlasten könnte. 


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Wählt doch FDP

von Bernd Jas am 08.05.2017 um 14:11 Uhr

Wer bei den KK wegen Unterschlupf in den Rabattverträgen die Klinken putzt, soll jetzt auch jammern müssen.

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