Nach EuGH-Urteil

Verbraucherschützer uneinig: Rx-Versandverbot oder Preisbindung aufheben?

Berlin - 12.05.2017, 12:30 Uhr


Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung haben auch die Verbraucherzentralen den Apothekenmarkt als Thema entdeckt. Auffällig ist jedoch, dass die Verbraucherschützer keinen einheitlichen Kurs haben: In Hamburg fordert man ein Rx-Versandverbot, die Bundeszentrale will die Apotheke vor Ort schützen, Boni aber bedingt zulassen. Und nun erklärt die Verbraucherzentrale Bayern, dass sie über eine komplette Aufhebung der Rx-Preisbindung nachdenkt.

Verbraucherschützer stehen nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung vor einer wichtigen Frage: Sind der vom Gericht gewünschte Preiswettbewerb und die damit verbundenen Boni und Rabatte ein Vorteil für die Verbraucher? Oder ist es von Nöten, die Rx-Preisbindung zu verteidigen, um vermeintliche finanzielle Auswirkungen auf die Apotheke vor Ort zu vermeiden? Offenbar haben sich die 16 regionalen Verbraucherzentralen und der Bundesverband noch keine einstimmige Meinung darüber gebildet. Denn inzwischen liegen drei komplett verschiedene Ansichten der Verbraucherschützer vor, wie man mit dem Richterspruch umgehen sollte.

Die erste Reaktion auf das Boni-Urteil kam aus dem Bundesverband Verbraucherzentralen. Gesundheitsexperte Kai-Helge Vogel erklärte gegenüber der Bild-Zeitung, dass der Spareffekt für die Patienten „positiv“ sei. In einem DAZ.online-Interview erklärte Vogel später genauer, wie die Meinung des Bundesverbandes ist: Vogel sprach sich dafür aus, Rx-Boni an die Zuzahlung zu binden. Nur wenn Patienten eine Zuzahlung leisten müssten, sollten sie auch Preisvorteile bekommen dürfen, so der Verbraucherschützer.

Gleichzeitig warnte er davor, dass die Krankenkassen beginnen, Selektivverträge mit einzelnen Versandapotheken über Bonus-Modelle abzuschließen, da diese die Apotheke vor Ort gefährden könnten und die freie Apothekenwahl in Gefahr sei. Denn für Vogel ist klar: „Die Beratung vor Ort und das pharmakologische Wissen der Apotheker werden von der Bevölkerung hoch eingeschätzt. Keine Versandapotheke kann das komplett ersetzen.“

Hamburger Verbraucherschützer warnen vor Wegfall der Preisbindung

Eine andere Meinung zu diesem Thema hat die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH). Auf ihrer Internetseite analysierten die Verbraucherschützer mögliche Zukunftsszenarien nach dem EuGH-Urteil. Dort ist unter Szenario 1 zu lesen: „Preisbindung fällt tatsächlich.“ Sollte es dazu kommen, malt die VZHH für Apotheker ein erschreckendes Bild: „Diese Lösung könnte dazu führen, dass die Krankenkassen ihre Versicherten ermuntern, veranlassen (oder zu zwingen versuchen), verschriebene Medikamente wegen der günstigeren Preise nur noch bei ausländischen Versandapotheken zu bestellen.“

Hamburg: Versandverbot, Bayern: Preisbindung aufheben?

Der Wegfall der Preisbindung könne „verheerende Auswirkungen“ haben, argumentiert die VZHH weiter. Denn: „Wer nicht im Internet zuhause ist (z.B. ältere und kränkere Mitbürger), müsste höhere Preise zahlen und fände nicht mehr die Apotheke um die Ecke. Denn zuerst werden vermutlich die kleineren Apotheken sterben, die der globalisierten Konkurrenz nicht standhalten können. Auch die persönliche Beratung in der Apotheke wird leiden, denn die ist vor Ort viel eher zu erwarten (und einzufordern) als übers Internet“, heißt es auf der Internetseite der VZHH.

Die jüngste Meinungsäußerung einer Verbraucherzentrale kommt aus Bayern. In einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks erklärte der bayerische Verbraucherschützer Sascha Straub: „Man sollte darüber nachdenken die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland ganz zu kippen – dann wäre die Chancengleichheit wieder hergestellt.“ Auf Nachfrage von DAZ.online wollte sich Straub nicht weiter zu dazu äußern.

Bundesverband: Rx-Boni begrenzt zulassen und Apotheker stärken

Gesundheitsexperte Vogel vom Bundesverband Verbraucherzentralen erklärte zu den Meinungsunterschieden auf Nachfrage: „Wir diskutieren Themen regelmäßig und stimmen uns natürlich auch ab, wie wir Themen in der Öffentlichkeit kommunizieren. Auch beim Apothekenmarkt waren wir uns einig, dass die Beratung durch die Apotheke vor Ort erhalten bleiben muss. Selbstverständlich kann es jedoch, wie auch bei anderen Gruppen, abweichende Einzelmeinungen geben.“

Vogel wies nochmals und ausdrücklich darauf hin, dass sich alle Verbraucherzentralen darüber einig seien, wie wichtig die Apotheke vor Ort sei. „Sie ist für die Versorgung wichtig und darf nicht verloren gehen.“ Allerdings bleibe der Bundesverband auch bei seiner Meinung zu Rx-Boni: „Boni können in begrenztem Maße eine kleine Entlastung für Patienten sein. Allerdings dürfen die Apotheker, etwa durch Selektivverträge zwischen Kassen und Versandapotheken, und auch ganz grundsätzlich nicht übermäßig durch Rx-Boni belastet werden. Wir sehen die Diskussion um Boni jedoch als nachrangig an, es muss aus Sicht des vzbv darum gehen, die qualifizierten (Beratungs-)Leistungen der Apothekerschaft in der Patientenversorgung gegenüber der reinen Abgabe eines Arzneimittels zu stärken.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Wenn

von Andreas Dömling am 12.05.2017 um 15:22 Uhr

die Preisbindung fällt, heisst das nicht automatisch immer günstigere Preise, hat eine Apotheke das Monopol kann sie höhere Preise verlangen. Hab ich dann Notdienst kostet das Antibiotikum nicht mehr 10 € sondern 50 €. Mal drüber nachdenken ob ihr das so wollt!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wenn

von MW am 12.05.2017 um 15:41 Uhr

So weit wird da nicht gedacht...

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