Weichmacher in KUnststoffen

Phthalate erhöhen das Allergierisiko bei Kindern

Remagen - 18.05.2017, 07:00 Uhr

In Kunststoffspielzeug finden sich häufig Phthalate als Weichmacher. (Foto: christiane65 / Fotolia)

In Kunststoffspielzeug finden sich häufig Phthalate als Weichmacher. (Foto: christiane65 / Fotolia)


Eine erhöhte Phthalatbelastung während der Schwangerschaft und Stillzeit wirkt sich nachteilig auf das Kind aus. Das konnten Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Leipzig und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigen. Sie haben ein größeres Risiko, allergisches Asthma zu entwickeln. 

Phthalate werden als Weichmacher in der Kunststoffverarbeitung eingesetzt, um die Produkte geschmeidiger zu machen. Sie können über die Haut, die Nahrung oder die Luft in den Körper gelangen. Dass sie das Hormonsystem beeinflussen können, war bereits bekannt. Nun haben Wissenschaftler aus Leipzig und Heidelberg gezeigt, dass Phthalate auch in das Immunsystem eingreifen und das Allergierisiko deutlich erhöhen können. Zu Beginn ihrer Studie, die im Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht wurde, untersuchte ein Team vom UFZ in Leipzig den Urin von Schwangeren aus der Mutter-Kind-Kohorten-Studie LINA (Lebensstil und Umweltfaktoren und deren Einfluss auf das Neugeborenen-Allergierisiko) auf Metaboliten von Phthalaten. Irina Lehmann, die die LINA-Studie leitet, berichtet von dem Ergebnis: „Es zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen erhöhten Konzentrationen des Metaboliten von Butylbenzylphthalat (BBP) im Urin der Mütter und dem Vorkommen von allergischem Asthma bei den Kindern.“

Bestätigung am Mausmodell

Diesen Befund konnten die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Kollegen der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig im Mausmodell bestätigen. Sie setzten Mäuse während der Schwangerschaft und Stillzeit einer Phthalat-Belastung aus, die zu vergleichbaren Urin-Konzentrationen des BBP-Metaboliten führte. Wie in der Kohorte aus der LINA-Studie beobachteten sie bei den Nachkommen eine deutliche Neigung zu allergischem Asthma. Hiervon war sogar noch die Enkelgeneration betroffen. Bei den erwachsenen Mäusen fanden sie dagegen keine verstärkten Allergiesymptome. Dies interpretiert der UFZ-Umweltimmunologe Tobias Polte so: „Entscheidend ist der Zeitpunkt. Ist der Organismus während der frühen Entwicklungsphase Phthalaten ausgesetzt, kann das bis in die übernächste Generation Auswirkungen auf das Krankheitsrisiko haben." 

Phthalate schalten regulierende Gene aus

Die Wissenschaftler zogen daraus den Schluss, dass die Phthalate die pränatale Prägung ändern, und wollten der konkreten Ursache näher auf den Grund gehen. Hierzu nahmen Polte und sein Team zusammen mit Kollegen vom Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ die Gene der jungen Mäuse von belasteten Muttertieren genauer in Augenschein. Sie stellten fest, dass die DNA der Gene mehr als üblich mit Methylgruppen versehen war. Bei dieser sogenannten „epigenetischen Veränderung“ legen sich nach ihrer Beschreibung Methylgruppen wie eine Art Vorhängeschloss an ein Gen und verhindern, dass dessen Code abgelesen und das entsprechende Protein hergestellt werden kann. Als die Forscher die Methyl-Schlösser auf den Genen mithilfe einer speziellen Substanz „knackten“, zeigten die Mäuse danach tatsächlich geringere Anzeichen von allergischem Asthma. Für Polte ist damit klar: „Phthalate schalten offenbar entscheidende Gene durch DNA-Methylierung aus.“ 

TH2-Zellen nicht ausreichend gehemmt

Die Forscher hegten auch eine ganz bestimmte Vermutung, um welche Gene es dabei geht. Bei der Entwicklung einer Allergie spielen die allergiefördernden T-Helfer-Zellen vom Typ 2 eine zentrale Rolle. Sie werden durch spezielle Gegenspieler (Repressoren) reguliert. Kann ein mit Methylgruppen blockiertes Repressor-Gen nicht abgelesen werden, so werden die TH2-Zellen nicht mehr ausreichend gehemmt. „Wir nehmen an, dass dieser Zusammenhang für die Entwicklung eines allergischen Asthmas durch Phthalate ausschlaggebend ist", erläutert Polte. Um herauszufinden, ob dieser Mechanismus auch beim Menschen eine Rolle spielt, stiegen die Wissenschaftler noch einmal in die LINA-Kohorte ein. Sie suchten bei den Kindern mit allergischem Asthma nach dem entsprechenden Gen und stellten fest, dass es auch hier durch Methylgruppen blockiert war und nicht abgelesen werden konnte. Damit konnten sie die Annahme noch einmal bestätigen, dass epigenetische Veränderungen für die stärkere Allergieneigung von Kindern bei starker mütterlicher Phthalat-Belastung während Schwangerschaft und Stillzeit verantwortlich sind.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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