DGRA-Jahrestagung

Wird der Brexit zum „Erdrutsch“ für die Arzneimittelversorgung?

Bonn - 24.05.2017, 13:35 Uhr

Bei der DGRA-Jahrestagung in Bonn warnte EMA-Chef Guido Rasi davor, dass der Ausstieg der Briten aus der EU heftige Konsequenzen für die Arzneimittelversorgung in Europa haben könnte. (Foto: DAZ.online)

Bei der DGRA-Jahrestagung in Bonn warnte EMA-Chef Guido Rasi davor, dass der Ausstieg der Briten aus der EU heftige Konsequenzen für die Arzneimittelversorgung in Europa haben könnte. (Foto: DAZ.online)


Für die Behörden und die pharmazeutische Industrie und damit auch für die Arzneimittelversorgung in Europa könnte sich der Brexit zu einem „Erdrutsch“ auswachsen. Dies wurde bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Regulatory Affairs (DGRA) in Bonn deutlich.

In dieser Woche treffen sich in Bonn die Experten aus der Industrie, den Behörden und dem Gesundheitsministerium, die sich in der Deutschen Gesellschaft für Regulatory Affairs (DGRA) zusammen geschlossen haben. Die DGRA hatte zu ihrer diesjährigen Jahrestagung unter anderem Guido Rasi eingeladen. Er leitet die Europäische Arzneimittel-Agentur, die durch den anstehenden Brexit schwer gebeutelt ist. Klar, dass das Auditorium ihm gespannt zuhörte, wie es denn nun steht mit den Vorbereitungen.

Zehn Länder machen achtzig Prozent der Arbeit

Die Auswirkungen des Brexit betreffen alle Bereiche, nicht nur die Zulassung, sondern auch die Genehmigung und Überwachung klinischer Prüfungen und die GMP-Überwachung sowie den Im-und Export. Rasi und auch der Präsident des BfArM Karl Broich unterstrichen bei der Tagung die Bedeutung der Briten in den europäischen Zulassungsverfahren. Nach einer Statistik, die Broich präsentierte, nahmen Großbritannien und Deutschland im zentralen Verfahren im letzten Jahr als Koordinatoren (Rapporteure oder Co-Rapporteure) die absolute Spitzenstellung ein. Auch im dezentralen und Anerkennungsverfahren rangieren sie direkt hinter den Niederländern, die die meisten Verfahren als „Reference Member State“ koordinieren. Derzeit machen in den europäischen Verfahren laut Rasi rund zehn Länder als achtzig Prozent der Arbeit, darunter neben Großbritannien und Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Schweden, Spanien und Italien. Rasi glaubt nicht, dass sich das in absehbarer Zeit ändert, und so müsse die Arbeitslast, die derzeit noch von Großbritannien erbracht wird, wohl am ehesten bei diesen landen.

Die Übergangszeit nutzen

Der BfArM-Präsident Karl Broich warnte davor, die extrem kurzen Fristen bis zum tatsächlichen Brexit zu unterschätzen. „Ab dem 29. März 2019  wird Großbritannien ein Drittstaat sein.“ betonte Broich. Das BfArm fühle sich für eine Mehrbelastung recht gut gerüstet, und auch die anderen Arzneimittelbehörden seien sich der Herausforderung bewusst. Daran führt für ihn aber auch kein Weg vorbei. „Wir müssen die Übergangszeit nutzen und uns vorbereiten. Das Netzwerk muss liefern.“ reklamierte der BfArM-Präsident „Wenn jeder auf den Big Bang wartet, wird das System zusammenbrechen. Das ist meine ganz klare Botschaft.“ Damit meinte er aber nicht nur die Behörden, sondern auch die Hersteller, die durch den Brexit etliches umorganisieren müssen.

Die EMA muss auf jeden Fall umziehen

Dass die EMA umziehen muss, steht für Rasi völlig außer Zweifel. Er hofft, dass die Entscheidung über den neuen Standort recht bald fällt. Man habe bereits ein interne Umfrage gemacht, wer wohl bereit wäre, umzuziehen, mit einem ernüchternden Ergebnis. Das Ganze stehe und falle aber wohl damit, wo die Agentur hinkommt. Broich befürchtet, dass der Agentur umso mehr wertvolles Personal verloren gehen könnte, je länger die Unsicherheit dauert, weil die Mitarbeiter sich frühzeitig umorientieren.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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