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DocMorris tanzt den Apothekern auf der Nase rum und will sogar noch Schadenersatz. Der FDP-Chef glaubt, mit einem War-nicht-so-gemeint-Genuschel die Apotheker einzufangen. Die Ärzte nölen beim Medikationsplan rum und wollen die Videosprechstunde. Und obwohl es in einem kleinen Ort in Deutschland keine Apothekenpflicht mehr gibt, hört man von der ABDA nichts dazu. Stattdessen hadert sie mit der Pressefreiheit.
22. Mai 2017
Die SPD Bremen hält nichts davon. Und jetzt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nicht: Beide sind der Auffassung, dass Krankenkassen keine homöopathischen Leistungen mehr bezahlen sollten. KBV-Chef Gassen findet die Praxis mancher Kassen „absurd“ und liegt damit auch auf einer Linie mit dem Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses Josef Hecken, der schon im vergangenen Jahr einen Vorstoß in diese Richtung wagte. Gassen kritisiert, dass Kassen Geld für Kügelchen und Tinkturen aus dem Fenster werfen, deren Wirksamkeit selbst nach eigenem Bekunden nicht belegt ist. „Krankenkassen sollen ärztliche Leistungen bezahlen statt Homöopathie“, fordert Gassen, also lieber den Ärzten mehr Geld geben, heißt das wohl im Klartext. Klar, wem sonst. Mein liebes Tagebuch, die Homöopathie steht unter Beschuss – verfolgt man die Äußerungen pro und contra in den Foren: Da tobt ein Glaubenskrieg. Vielleicht sollte Glauben wirklich Privatsache sein, oder?
23. Mai 2017
Tatsächlich, jetzt hat DocMorris vor dem Landgericht Düsseldorf eine Schadenersatzklage in Höhe von 2,6 Mio. Euro gegen die Apothekerkammer Nordrhein eingereicht. DocMorris sieht wohl sein Geschäft geschädigt, da die Versandapo während des Verfahrens, das zum EuGH-Urteil führte, keine Rx-Boni anbieten durfte. Die Kammer Nordrhein hatte jahrelang versucht, die Boni-Modelle des Versenders zu stoppen. Mein liebes Tagebuch, dieser Rechtsstreit ist schon bizarr. DocMorris hatte seinerzeit die auferlegten Bußgelder nie bezahlt. Und jetzt, nach dem EuGH-Urteil, beruft sich die Versandapo auf einen Paragrafen der Zivilprozessordnung, wonach eine Antragsgegnerin einen Schadenersatzanspruch geltend machen kann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass eine einstweilige Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt war. Ist schon richtig verrückt, was da abgeht, mein liebes Tagebuch. Allerdings müsste jetzt DocMorris zur Begründung des Anspruchs belegen, dass durch die verbotenen Werbemaßnahmen ein Schaden entstanden ist. Ob das gelingt, ist offen. Immerhin hat DocMorris nach dem EuGH-Urteil schon zwei kleine rechtliche Erfolge einfahren können: Alle noch ausstehenden Ordnungsgelder gegen die Versandapotheke wurden gestrichen und die Wettbewerbszentrale (sprich die Apothekerseite), die das Rx-Boni-Verfahren ins Rollen gebracht hatte, muss die Gerichtskosten des Verfahrens tragen. Verdammt dumm gelaufen.
Insgeheim sehnen sich so manche Apothekers schon ein bisschen nach einer liberalen, marktwirtschaftlich orientierten Partei wie der FDP. Einer Partei, die etwas für den Mittelstand, für den Freiberufler tut. Wäre auch nicht verkehrt. Aber die FDP hatte sich in den letzten Wochen schon wie eine hässliche Chimäre verhalten, ein Trugbild, das man nicht wirklich einschätzen konnte. Böse, böse, vor allem nach den Äußerungen ihres Chefs Christian Lindner, der Apotheken nicht unter „Naturschutz“ stellen will, und vor allem nach den Forderungen des FDP-Bundesparteitags, das Fremdbesitzverbot aufzuheben. Da ist eine rote Linie überschritten. Das ist ein No-Go für uns Apothekers. Ein Apotheker schrieb sogar an Lindner, diese Forderung zu überdenken. Und brachte den FDP-Chef ein wenig zum Nachdenken. Zumindest tat der so, als ob. Zwar will er weiterhin einen Rx-Versand, so Lindner in seiner Antwort, aber die Aufhebung des Fremdbesitzverbots, wie es der Bundesparteitag forderte, sieht er tatsächlich skeptisch. Ups, mein liebes Tagebuch, was nun? Scheint da doch nicht alles verloren? Da muss man wohl noch mal nachhaken, meint auch der Apotheker, meinen auch die westfälisch-lippische Kammer und der Verband. Mein liebes Tagebuch, nachhaken wäre zu wenig! Von der FDP ist ein klares Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke zu fordern: Der Fremdbesitz-Jubelpassus muss super-eindeutig aus dem Programm gestrichen werden. Das vage Lindner-Genuschel tut’s nicht. Bleibt die Frage: Kriegt die FDP noch die Kurve, dass sie für ihre enttäuschten Apothekers wieder wählbar wird? Schafft sie den Dreh von der frechen Göre zur seriösen Grande Dame? Nur ein bisschen andere Schminke reicht nicht.
24. Mai 2017
Mit der evidenzbasierten Selbstmedikation hat unsere ABDA so ihre Schwierigkeiten. Eigentlich sollten evidenzbasierte Daten zur Selbstmedikation aufbereitet werden und in eine Datenbank fließen, damit sie alle Apothekerinnen und Apotheker für die Beratung nutzen können. Das jedenfalls war 2014 der Apothekertagsbeschluss. Mit Verve und Esprit ging man diesen Beschluss allerdings nicht an. Es tat sich erstmal nichts und ein Jahr später entschied der geschäftsführende Vorstand der ABDA, statt Datenbank lieber einen Newsletter anzubieten. Mein liebes Tagebuch, na klar, muss doch jeder verstehen, Newsletter sind doch ein bisschen wie Datenbanken, oder? Kommen im Lauf der Zeit doch immer mehr zusammen, und klingt auch viel netter, so ein Newsletter. Gesagt, getan. Und nun, drei Jahre nach dem damaligen Beschluss, erscheint der erste Newsletter unter dem Namen EVInews (evidenzbasierte Selbstmedikation), gut und sauber erarbeitet von der Abteilung Klinische Pharmazie der Uni Leipzig, dem Zentrum für Arzneimittelsicherheit der Uni und des Uniklinikums Leipzig. Also, ordentliche Infos, seriös und ansprechend gemacht. Zweimal im Monat soll eine Ausgabe von EVInews erscheinen - in der ABDA-eigenen Avoxa-Mediengruppe. Und das heißt allerdings: EVInews gibt’s nicht geschenkt! Nur bis zum September darf man EVInews kostenlos beschnuppern, danach werden 39,90 Euro im Jahr fällig. Und dann werden diese Newsletter sogar in einer Art Datenbank recherchierbar sein. Tja, mein liebes Tagebuch, das G’schmäckle, das die ABDA damit transportiert: Wenn die Apothekers schon so eine Datenbank zur evidenzbasierten Selbstmedikation haben wollen, dann sollen sie bitteschön auch dafür zahlen. Wissen kostet und von nichts kommt nichts. Und kommt mir nicht mit Alles-drin-im-Kammerbeitrag und so. Wir bauen gerade!
Das war abzusehen: Unsere lieben Heilberufskolleginnen und -kollegen, die lieben Ärztinnen und Ärzte, nölen rum. Sie sind mit dem Medikationsplan und seiner Honorierung nicht zufrieden. Haben wir’s nicht vorausgeahnt? Problematische praktische Umsetzung, zu hoher Zeitaufwand, technische und organisatorische Mängel und deswegen kaum durchführbar, heißt es von den Ärzten. Deshalb forderten sie auf dem Deutschen Ärztetag eine Überarbeitung des Medikationsplans. Außerdem ist – ganz klar – das vorgesehene Honorar von 163 Mio. Euro fürs Ausstellen des Plans zu wenig. Da muss mehr in den Honorartopf, wenn’s gut werden soll. Tja, mein liebes Tagebuch, hätte Gröhe mal den Medikationsplan in Apothekers Hände gelegt oder sie initial an der Ausstellung eines Plans beteiligt. Das Projekt wäre supergut geflutscht, und die 163 Mio. hätten wir zufrieden eingesteckt, oder?
Digitalisierung war auch mal – mehr schlecht als recht – ein Thema auf einem Apothekertag, allerdings eher vage, zögerlich und hasenfüßig. Die Ärzte haben dagegen auf ihrem Ärztetag gezeigt, dass man dieses Thema auch mutig und kreativ anpacken kann. Sie zeigten keine Angst vor der Videosprechstunde, vor der Fernbehandlung – da sollen schon bald Projekte anlaufen. Mein liebes Tagebuch, da dürften die Ärzte auf dem richtigen Weg sein. Denn die Digitalisierung auf diesem Gebiet, der Videokontakt zwischen Arzt und Patient, kommt. Und da ist es allemal besser, wenn man selbst die Spielregeln festlegt, als wenn man eines Tages etwas übergestülpt bekommt.
Mein liebes Tagebuch, da sollte sich die ABDA mal was abschauen für den nächsten Apothekertag. Vor dem Hintergrund, dass DocMorris mit seiner Videoberatung Druck aufbaut, dass bald die elektronische Gesundheitskarte kommt, dass es immer mehr Apps gibt, die mit medizinischen und pharmazeutischen Daten umgehen, sollten wir uns konkret Gedanken machen, was wir wollen, wo unsere Kompetenzen gefragt sind. Wäre schön, wenn wir nicht die Getriebenen wären, sondern diejenigen, die mit eigenen Idee für die Zukunft glänzen. Ach, ABDA, seufz.
26. Mai 2017
Es ist und bleibt verdammt schräg, was da seit über einem Monat im baden-württembergischen 2000-Seelen-Dorf namens Hüffenhardt abgeht: In einem Ladenlokal, das keine Apotheke ist, werden apothekenpflichtige Arzneimittel aus einem Automaten verkauft. Und zwar mithilfe und Duldung der Behörden. Genauso und nicht anders muss man das sehen, mein liebes Tagebuch. Das Regierungspräsidium hat lediglich die Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln unterbunden und nach einer ultrakurzen Schließung des Ladenlokals weiterhin den OTC-Verkauf aus dem Automaten erlaubt. Und unsere Berufsvertretung schweigt. Kein Aufschrei aus Berlin, kein öffentliches Anprangern, kein Medienfeuerwerk dagegen, keine Warnung vor einem Verlust der Apothekenpflicht. Nichts, gar nichts. Nur drei wackere Apotheker aus der Region klagen in Privatinitiative mit Unterstützung der Noweda dagegen. Fakt ist: In Hüffenhardt gibt es keine Apothekenpflicht mehr. Sogar der Südwestdeutsche Rundfunk führt das Hüffenhardter Gerangel in seiner „Landesschau Baden-Württemberg“ als nette Posse vor. Dass hier die Apothekenpflicht zur Disposition steht, versteht der Sender sichtlich nicht. Im Subtext vermittelt der Fernsehbeitrag, dass alles doch gar nicht so schlimm sei, und hat Menschen vor die Kamera geholt, die mit dem Videoautomaten zufrieden sind und nicht verstehen, dass sie ihr Rezept nicht einlösen können, sondern in die fünf Kilometer entfernte echte Apotheke müssen. Der Beitrag erweckt den Eindruck, als hätte DocMorris das Drehbuch geschrieben. Mein liebes Tagebuch, mit solchen Beiträgen wird die Apothekenpflicht verniedlicht. Da wird ein weiterer Stein aus dem Fundament unserer Apothekenstruktur herausgeschlagen, und aus Berlin kommt – nichts. Bisher gibt es keine offizielle Presseerklärung, die sich mit dem Videoautomaten beschäftigt und vor dem Fall der Apothekenpflicht warnt.
Nein, mein liebes Tagebuch, die ABDA und ihre Avoxa haben wirklich anderes zu tun. Zum Beispiel darüber zu wachen, welche Fachzeitschriften die Pharmacon-Teilnehmer in Meran lesen dürfen und welche nicht. Glaubst du nicht? Beispiel gefällig? Kann ich dir liefern: Da berichtete doch DAZ.online darüber, dass einige Apothekerinnen und Apotheker sich fragten, warum die Bundesapothekerkammer als Festredner zum Pharmacon-Kongress in Meran den FDP-Politiker Alexander Graf von Lambsdorff eingeladen hatte. Unabhängig davon, ob diese Frage nun gut ist oder nicht - oh, das geht gar nicht, mein liebes Tagebuch, solche Fragen, die die Auswahl des Festredners infrage stellen, dürfen nicht an die Öffentlichkeit, meinten ABDA und Avoxa-Kongressleitung. Der DAZ.online-Bericht sorgte jedenfalls für mächtig Aufregung bei der ABDA, bei der Bundesapothekerkammer und bei Avoxa-Verantwortlichen. Man empfand dies wohl als Angriff auf den Meraner Pharmacon-Kongress. Und strafte daher die DAZ eiskalt ab: Die Avoxa-Kongressleitung untersagte die Auslage der aktuellen Print-Ausgabe der DAZ in Meran, die ebenfalls einen kleinen Bericht zum Lambsdorff-Auftritt enthält. Rund 500 DAZ-Ausgaben gelangten nicht in die Hände der Kongressteilnehmer, sondern wanderten in den Papiermüll. Trauten da ABDA und Avoxa den Kongressteilnehmern etwa nicht zu, mit einem kritischen Thema in der DAZ umzugehen? Mein liebes Tagebuch, das ist ein starkes Stück. Geht schon in Richtung Einschränkung der Pressefreiheit, oder?
8 Kommentare
Jo, der alte rechtebeugende Hecken–Schütze… (und überhaupt)
von Gunnar Müller, Detmold am 28.05.2017 um 19:45 Uhr
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Welche Verwunderung, wir akzeptieren seit Jahren alles und bezahlen brav
von Martin Didunyk am 28.05.2017 um 15:15 Uhr
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AW: Schnelles Denken, langsames Denken, Kahneman.
von Christian Giese am 28.05.2017 um 16:40 Uhr
AW: Das Problem ist nicht nur die ABDA-Spitze...…
von Gunnar Müller, Detmold am 28.05.2017 um 19:29 Uhr
Kotau und Zensur
von G. Wagner am 28.05.2017 um 13:00 Uhr
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Tagebuch
von Heiko Barz am 28.05.2017 um 11:15 Uhr
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Sprachlos ... oder ...
von Christian Timme am 28.05.2017 um 10:07 Uhr
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Zukunftsfähig?
von Ulrich Ströh am 28.05.2017 um 8:59 Uhr
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