Gesundheitsbezogene Werbung

Glucose macht vor Gericht schlapp

Berlin - 09.06.2017, 16:45 Uhr

Zucker sollte man vermeiden – so die einhellige Meinung vieler Experten. Traubenzucker für den Zucker-Kick zwischendurch gibt es trotzdem, sogar in Apotheken. (Foto: Dexto Energy)

Zucker sollte man vermeiden – so die einhellige Meinung vieler Experten. Traubenzucker für den Zucker-Kick zwischendurch gibt es trotzdem, sogar in Apotheken. (Foto: Dexto Energy)


Traubenzucker gibt es auch in der Apotheke – aber ist er auch gesund? Das Unternehmen Dextro Energy will seine Täfelchen jedenfalls mit positiven Aussagen zur Wirkung von Glucose anpreisen. Doch wer in Europa mit einem Gesundheitsbezug für Lebensmittel werben will, braucht dafür grünes Licht von der EU. Das gab es nicht – und deshalb zog Dextro Energy vor den Europäischen Gerichtshof. Ohne Erfolg. Die beabsichtigte Werbung bleibt verboten.

Mit gesundheitsbezogenen Aussagen für Lebensmittel zu werben, ist in Deutschland nicht trivial. Klar ist: Lebensmittel sind keine Arzneimittel und Versprechungen, die die Gesundheit betreffen, sind nur im begrenzten Maße möglich. Es gilt ein sogenanntes „Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt“. Das heißt: Gesundheitsbezogene Aussagen sind grundsätzlich verboten – außer sie sind ausdrücklich erlaubt, und zwar in der sogenannten Health-Claims Verordnung. Was in ihrem Anhang nicht drinsteht, ist tabu. Aber ein Hersteller kann die Aufnahme weiterer Angaben beantragen. Und zwar bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA.

Auf letzterem Weg wollte Dextro Energy fünf Aussagen zulassen lassen: Darunter die Sätze: „Glucose wird im Rahmen des normalen Energiestoffwechsels verstoffwechselt“, „Glucose unterstützt die normale körperliche Betätigung“, „Glucose trägt zu einem normalen Energiegewinnungsstoffwechsel bei körperlicher Betätigung bei“ und „Glucose trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei“.

Doch die EU-Kommission hat dem Traubenzucker-Hersteller einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Januar 2015 erließ die Kommission eine Verordnung, mit der sie die Aufnahme der fünf gesundheitsbezogenen Angaben ablehnte. Sie verweigerte die Aufnahme in die Positivliste also – und das, obwohl das Unternehmen zuvor eine positive Rückmeldung seitens der EFSA erhalten hatte. Die Behörde hatte nämlich befunden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Aufnahme von Glucose und dem Beitrag zu einem normalen Energiegewinnungsstoffwechsel durchaus nachweisbar sei. Und auch die Angabe „Glucose trägt zum Energiegewinnungsstoffwechsel bei“ spiegle die wissenschaftlichen Nachweise wider.

Verwirrend und widersprüchlich

Die Brüsseler Behörde lehnte die Dextro-Sätze mit der Begründung ab, die Aussagen könnten für Verbraucher verwirrend und widersprüchlich sein. Sie würden zum Verzehr von Zucker aufgerufen, obwohl nationale und internationale Behörden empfehlen, diesen zu verringern. Selbst wenn diese Angaben nur mit speziellen Bedingungen für ihre Verwendung sowie zusätzlichen Erklärungen oder Warnungen zugelassen würden, würde die Irreführung nicht genügend eingedämmt, meint die Kommission.

Daraufhin erhob das Unternehmen Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union. Schon im März 2016 wies das Gericht die Klage ab. Dextro Energy hatte beanstandet, dass die Kommission ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Ein Hinweis auf nachgewiesene Wirkungen von Glucose bedeute weder, dass man Zucker verzehren oder gar vermehrt verzehren solle, argumentierte das Unternehmen. Dies ließ das Gericht schon im vergangenen Jahr nicht gelten. Die Kommission habe im Rahmen des Risikomanagements die Vorschriften des Unionsrechts und sonstige relevante legitime Faktoren zu berücksichtigen – dies sei auch geschehen. Da der Durchschnittsverbraucher nach den anerkannten Ernährungsgrundsätzen seinen Zuckerverzehr verringern solle, sei es keine fehlerhafte Feststellung, dass die fraglichen Aussagen, die nur die positiven Effekte für den Energiegewinnungsstoffwechsel herausstellen, mehrdeutig und irreführend sind.

Foodwatch gehen EU-Regeln nicht weit genug

Dextro Energy legte Rechtsmittel ein. Doch der Europäische Gerichtshof – der in diesem Fall die zweite Instanz war – bestätigte die vorherige Entscheidung. Dextro Energy zeigte sich über das Urteil enttäuscht. „Wir sind der Meinung, dass mündige Verbraucher vor wissenschaftlich belegten Tatsachen nicht beschützt werden müssen“, sagte Geschäftsführer Andreas Romankiewicz.

Dem Verein Foodwatch gehen die Regelungen dagegen noch nicht weit genug. „Lebensmittelhersteller bewerben selbst ungesundes Junkfood, Süßigkeiten oder Zuckergetränke mit Gesundheitsversprechen – bisher ganz legal“, sagte Expertin Sophie Unger. Die Kommission lege zwar fest, welche Angaben mit Gesundheitsbezug erlaubt seien. Aber für welche Produkte damit geworben werden darf, werde nicht eingegrenzt. Foodwatch forderte die EU-Kommission auf, das Nährwertmodell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umgehend umzusetzen: Nur jene Produkte, die die WHO-Kriterien für ausgewogene Lebensmittel erfüllen, dürfen künftig mit Gesundheitswerbung vermarktet werden.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. Juni 2017, Rs.: C‑296/16 P


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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