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Die schönste Nachricht seit langem: Der Videoautomat von Hüffenhardt steht still, ein Gericht hat den Stecker gezogen. Und ein Gutachten listet eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen auf. Die andere Front: Ausländische Versender wachsen weiter und picken sich Rosinen auf Rezept. Jetzt wundern sich sogar die Grünen, wollen aber immer noch 1-Euro-Boni. Und die Digitalisierung geht weiter, aber noch nicht beim Rezept. Zum Glück.
12. Juni 2017
Das Szenario: Das EuGH-Urteil ist in der Welt, ausländische Versender müssen sich nicht mehr an die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel halten, die Politik konnte sich bis jetzt nicht auf ein Rx-Versandverbot einigen – und bis zur Wahl geschieht nichts mehr und danach erst mal nicht so schnell, wenn überhaupt. Und die ausländischen Versender wie DocMorris und Europa Apotheek nutzen diese Zeit, um ihr Rx-Marktsegment kräftig auszubauen. Sie werben bei Versicherten und Krankenkassen und lechzen nach jedem Rezept. DocMorris beispielsweise hat im ersten Quartal beim Rx-Geschäft schon 6 Prozent mehr an Umsatz gemacht gegenüber dem Vorjahr. Und bald ist ein Jahr und mehr vergangen, die Versender haben ihre Positionen ausgebaut, Besitzstände geschaffen. Mein liebes Tagebuch, ein beunruhigendes Szenario, wie jetzt auch die Politiker feststellen. Die DocMorris-Mutter Zur Rose sammelt Geld, ein Börsengang wird wohl kommen, und will weiter wachsen. Die Übernahme eines weiteren Versandhändlers steht bevor. Der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich: „Die EU-Versandapotheken werden ihre Marktanteile unkontrolliert zulasten der Apotheken hierzulande ausbauen.“ Da sind sogar die Grünen nicht begeistert. Die Gesundheitspolitikerin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, hält aber weiter an der 1-Euro-Bonus-Idee fest. Mein liebes Tagebuch, auf 1 Euro gedeckelte Boni würden viele Apotheken wirtschaftlich nicht aushalten. Und warum ausländische Versender wie DocMorris sich dann ausgerechnet an solche Deckelungen halten sollten – darauf haben wir bis heute noch keine Antwort von Schulz-Asche bekommen. Und mit jedem Monat, mit dem wir mit dem ungezügelten Versand leben, wird ein Zurück ein bisschen unwahrscheinlicher…
13. Juni 2017
Jetzt hatte die Digitalisierung sogar schon ihren Gipfel – zwar noch lange nicht erreicht, aber als Gipfel der Bundesregierung. Bundesgesundheitsminister Gröhe und Bundesforschungsministerin Wanka legten ein Strategiepapier vor, wie’s denn nun weiter gehen soll. Man will eine Dialog-Plattform (klar, miteinander reden ist immer gut), die Einführung elektronischer Patientenakten soll vorangetrieben und weitere Projekte des digitalen Fortschritts gefördert werden. Und sie redeten viel von Videosprechstunde, telemedizinischer Befundbeurteilung bei Röntgenaufnahmen, vom elektronischen Arztbrief und vom Medikationsplan. Klingt schon alles ein bisschen nach digitalem High-Tech. Wenn man nicht so genau hinschaut. Die Videosprechstunde ruckelt, das Netz schwächelt, flächendeckendes schnelles Internet steht auf dem Wunschzettel, ist aber nicht Realität. Nach mehr als zehn Jahren sei mit dem E-Health-Gesetz endlich „Schwung in die Digitalisierung des Gesundheitswesens“ gekommen, schwärmt Gröhe digital-euphorisch – bei genauer Betrachtung schrumpft der Schwung eher zum Schneckentempo zusammen. Ein Blick auf den Medikationsplan genügt – nach wie vor in der Papierversion, nicht auf der elektronischen Gesundheitskarte. Und die Aussichten, dass sich das 2018 ändert, sind eher trübe. Und hört man sich mal bei den Apotheken um, so dürfte in der Mehrzahl der Apotheken wohl noch kein Papier-Medikationsplan gesichtet worden sein. Schwung sieht anders aus. Mein liebes Tagebuch, einen Vorteil hat der retardierte Schwung: Mit dem elektronischen Rezept wird in Deutschland nicht so schnell zu rechnen sein. Die Arbeiten zu diesem Projekt sollen erst ab 2019 starten. Ein elektronisches Rezept würde zwar vieles erleichtern, vom Kassenvorgang über die Lesbarkeit bis hin zur Abrechnung. Aber Apothekenrechenzentren hätten dann ein bisschen weniger zu tun und würden jammern und in- und ausländische Versandapotheken würden es noch leichter haben, die digitalen Rezepte abzugreifen. Insofern, mein liebes Tagebuch, lange lebe das Papierrezept!
Er bleibt dran, der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM), Karl Broich, am Thema Lieferengpass. Nach wie vor ist das für uns Apotheker und erst recht für unsere Patienten ein Riesen-Ärgernis. Während auf Seiten unserer Berufsvertreter eine stoische Gelassenheit bei diesem Thema zu herrschen scheint, denkt Broich nun über längere Bevorratungszeiträume und eine Meldepflicht für die Hersteller nach. Schade, dass da keine Signale oder Unterstützung von den Arzneimittelfachleuten, sprich von der Apothekerschaft, zu vernehmen sind.
14. Juni 20127
Da müssen wir jetzt genau hinsehen, was sich in Nordrhein-Westfalen unter Schwarz-Gelb entwickelt. Der Koalitionsvertrag soll schon unter Dach und Fach sein. Was durchgesickert ist: Die FDP will da deutlich herumliberalisieren, beispielsweise beim Ladenöffnungsgesetz. Damit der stationäre Handel im fairen Wettbewerb zum Online-Handel steht und Innenstädte belebt werden können… soll es statt vier künftig acht verkaufsoffene Sonntage geben. Mein liebes Tagebuch, und warum nicht sechzehn? Wenn die liberale Denke auf diese Weise einen fairen Wettbewerb zwischen stationär und online herstellen will, müsste sie noch weitergehen, nämlich für eine 24/7-Öffnung sorgen, also rund um die Uhr, jeden Tag. Ist natürlich Quatsch, das kann kein stationärer Handel leisten, von Ausnahmen abgesehen. Kann man nur hoffen, dass kein Liberaler auf den Posten des Gesundheitsministers kommt. Derzeit soll Karl Josef Laumann (CDU) im Gespräch sein.
Mein liebes Tagebuch, das war die schönste Nachricht dieser Woche: „Gericht verbietet Arzneimittel-Automaten von DocMorris“. Auch für das Landgericht Mosbach war es nicht nachzuvollziehen, dass das, was in diesen Räumen vor sich geht, Arzneimittel-Versandhandel sein soll – und machte den Laden dicht: keine Abgabe mehr von apothekenpflichtigen und/oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Schluss mit dem Spuk, aus. Für das Gericht ist es offensichtlich: Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Apothekenbetriebsordnung wurden dort verletzt. Enttäuscht zeigt sich DocMorris und schwafelt von verhinderter patientenorientierter Versorgung der Gemeinde, von innovativen Lösungen im Apothekenmarkt und von Chancen der Digitalisierung als Lösung – mein liebes Tagebuch, was soll der Versender auch sonst dazu sagen. Freude dagegen beim Landesapothekerverband Ba-Wü, aber man weiß: Das ist nur ein erster Etappensieg. Das „ungleiche Kräftemessen einer großen Kapitalgesellschaft gegen kleine inhabergeführte Apotheken” werde weitergehen, sagte LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth. Aber sie wird auch mit weiteren unterstützenden Entscheidungen rechnen dürfen, denn das Landgericht Mosbach wird noch vier weitere Eilverfahren zum Fall Hüffenhardt entscheiden. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn diese Entscheidungen anders ausfielen. Allerdings: Der Rechtsstreit wird nach DocMorris-Manier weitergehen: Es folgen Oberlandesgericht und weitere Instanzen, die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts steht auch noch aus. Ob der Versender am Ende einen Dreh findet, ein neues EuGH-Urteil zu provozieren? Mein liebes Tagebuch, irgendwie ist das alles MCP-verdächtig.
15. Juni 2017
Traurig über das Aus für den Automaten zeigten sich Vertreter der Gemeinde Hüffenhardt. Sogar Menschen aus den umliegenden Orten seien gekommen, um beim Automaten einzukaufen. Ach, mein liebes Tagebuch, mir blutet auch schon das Herz, der arme, arme Automat, steht er jetzt ganz einsam in seinem kalten Räumchen, keiner besucht ihn. Vielleicht können ihn die Gemeindevorsteher ab und zu mal besuchen und als kleine Streicheleinheit ein Stromstößchen verpassen. Oder sie gehen dann mit zu seiner Beerdigung, wenn Justitia das letzte Wort gesprochen hat, und er in seine Einzelteile zerlegt wird. Aber mal im Ernst, immer wieder erstaunlich, wie Bürgermeister, Kommunal- und andere Politiker dem Digitalisierungsgeschwafel von DocMorris auf den Leim gehen.
Was von Seiten der Gemeinde aber auch zu hören war: Als die Apotheke im Dorf geschlossen wurde, habe sich kein Apotheker verantwortlich gefühlt, hier eine Apotheke aufzumachen. Nun, mein liebes Tagebuch, da muss sich auch keiner verantwortlich fühlen und Harakiri machen. Was aber viel schneller hätte kommen sollen: eine Rezeptsammelstelle! Die wurde erst eingerichtet, nachdem DocMorris seine Pläne bekanntgemacht hatte.
Aber mal ehrlich, mein liebes Tagebuch: Ein Blechbriefkasten mit aufgeklebtem Aufdruck „Rezeptsammelstelle“ bringt’s heute irgendwie nicht mehr, oder? Selbst wenn er „digitalisiert“ und das Rezept beim Einwurf gescannt und an die Apotheke übermittelt würde: Wir Apothekers sollten uns da schleunigst ein paar Gedanken machen, wie wir im digitalen Zeitalter die flächendeckende Versorgung samt Botendienst & Co irgendwie besser in den Griff bekommen. Hallo, ABDA, Hüffenhardt liegt zwar in Baden-Württemberg, ist aber ein bundesdeutsches Problem! Schon gemerkt?
Übrigens, was DocMorris da in Hüffenhadt praktiziert hat, erfüllt eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen. Das hat ein Rechtsgutachten von Sabine Wesser und Valentin Saalfrank festgestellt, das im Auftrag des Deutschen Apotheker Verlags erstellt wurde und im Juli veröffentlicht wird. Und auch diese Rechtsexperten kommen zu dem Schluss, dass das kein Versandhandel war, was da ablief.
16. Juni 2017
CDU und FDP haben ihren Koalitionsvertrag in trockenen Tüchern. Und, was steht zu den Apothekers drin? Nicht allzu viel. Sie werden beim Thema Freie Berufe angesprochen und sind gerade für den ländlichen Bereich „ein unverzichtbarer Teil der Infrastruktur“, heißt es da. Och, mehr nicht? Nicht viel mehr, höchstes noch „ein wichtiger Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft“. Hätte schlimmer kommen können, mein liebes Tagebuch. Immerhin steht nichts drin von den Lindnerschen FDP-Phantastereien zum Fremd- und Mehrbesitzverbot oder zum Versandhandel. Jetzt heißt es einfach aufpassen, was aus diesem Bündnis wird. In rund 100 Tagen wird dann der Bundestag gewählt.
Die Apothekerkammer Nordrhein musste ihre Zusatzversorgung für angestellte Apothekerinnen und Apotheker auflösen. Jetzt suchen 30 Mio. Euro ihre anspruchsberechtigten Apotheker, schreibt Thomas Hardt, Mitglied der Kammerversammlung. Was er nämlich nicht verstehen kann: Die Kammer Nordrhein informiert nicht aktiv mögliche Anspruchsberechtigte. Und warum nicht? Je weniger an alle potenziellen Anspruchsberechtigten verteilt wird, desto mehr bleibt für die anspruchsberechtigten Insider übrig, die sich rechtzeitig melden und damit auskennen. Und was sagt der Kammerpräsident zur Nicht-Information möglicher Anspruchsberechtigter: „Pech gehabt“ oder „hätten sich ja informieren müssen“. Oh, mein liebes Tagebuch, das wirft kein gutes Licht auf die Kammer. Warum verschickt die Kammer keinen Infobrief, in dem leicht verständlich die Voraussetzungen genannt werden, ob man anspruchsberechtigt ist oder nicht?
Niederländische Versandapotheken haben mehreren Patienten Rezepturen verweigert. Die Patienten beschwerten sich bei der Kammer Westfalen-Lippe, die wiederum das Gesundheitsministerium des Bundeslandes auf diese Vorgänge aufmerksam machte. Und das Ministerium antwortet zu Recht: „Die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung finden nur im Geltungsbereich des Apothekengesetzes Anwendung, nicht im Ausland. Ausländischen Apotheken obliegt daher nicht die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung.“ Genau so ist es – und deshalb müssen diese Vorfälle und Antworten nach Berlin, zur SPD und zu den Grünen, geschickt werden, die immer noch meinen, man dürfe den Rx-Versand nicht verbieten. Von wegen! Rezepte sind im Inland einzulösen, nur hier gibt’s Vollversorgung samt BtM und Rezeptur. Ausländische Versender sind nur Rosinenpicker. Punkt.
15 Kommentare
Fehlende Präsenz
von Reinhard Rodiger am 18.06.2017 um 17:47 Uhr
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AW: Fehlende Präsenz
von Heiko Barz am 18.06.2017 um 20:26 Uhr
AW: Fehlende Präsenz
von Reinhard Rodiger am 18.06.2017 um 23:03 Uhr
Den Realitäten stellen ...
von Reinhard Herzog am 18.06.2017 um 16:48 Uhr
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AW: Den Realitäten stellen
von Ulrich Ströh am 18.06.2017 um 21:42 Uhr
15.6.2017 Eppendorfer Dialog
von Christian Giese am 18.06.2017 um 15:18 Uhr
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AW: 15.6.2017 Eppendorfer Dialog
von Reinhard Rodiger am 18.06.2017 um 16:51 Uhr
E-Rezept und Apothekenalltag?
von Heiko Barz am 18.06.2017 um 14:41 Uhr
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6% Rx Zuwachs
von Karl Friedrich Müller am 18.06.2017 um 14:28 Uhr
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Lieferengpässe
von Dr.DIEFENBACH am 18.06.2017 um 14:16 Uhr
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Welcher französische Politiker…
von Gunnar Müller, Detmold am 18.06.2017 um 10:47 Uhr
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e-rezept
von frank ebert am 18.06.2017 um 9:34 Uhr
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AW: e-rezept
von Christian Timme am 18.06.2017 um 9:56 Uhr
Papier und Blechkasten
von Ulrich Ströh am 18.06.2017 um 8:49 Uhr
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AW: Papier und Blechkasten
von Peter Ditzel am 18.06.2017 um 14:06 Uhr
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