USA

Wissenschaftler kritisieren Praxis schneller Zulassungen

Stuttgart - 20.06.2017, 07:00 Uhr

Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA lässt wie auch die europäische Arzneimittelagentur EMA Arzneimittel teils über beschleunigte Verfahren zu. (Quelle: picture alliance / AP Photo)

Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA lässt wie auch die europäische Arzneimittelagentur EMA Arzneimittel teils über beschleunigte Verfahren zu. (Quelle: picture alliance / AP Photo)


Durch beschleunigte Zulassungsprogramme sollen neue Arzneimittel schneller beim Patienten ankommen. Doch eine neue Auswertung identifiziert „erhebliche Schwachstellen“ bei den Studien zu Arzneimitteln, die unter den vereinfachten Bedingungen eingereicht werden.

Wissenschaftler von der „London School of Economics“ (LSE) bemängeln zusammen mit US-amerikanischen Kollegen der University of Pennsylvania und der Universität Stanford, dass aufgrund schneller Zulassungsverfahren in vielen Fällen Arzneimittel auf den Markt kämen, für die es keine ausreichende Evidenz gebe. Mit beschleunigten Verfahren sollen insbesondere Arzneimittel für Erkrankungen, für die es keine Therapieoptionen gibt, möglichst rasch beim Patienten zur Anwendung kommen. Wenn die Arzneimittel begründete Aussichten haben, klinisch wertvoll zu sein, werden die Zulassungsanforderungen für sie abgesenkt.

Die Wissenschaftler haben für ihre Studie, die nun im Fachblatt „The Milbank Quarterly“ erschien, aus den Jahren 2000 bis 2013 insgesamt 37 beschleunigte Arzneimittelzulassungen der FDA analysiert. Hierzu werteten sie systematisch mehr als 7000 klinische Studien an mehr als 1,2 Millionen Probanden aus. Von den Studien bezogen sich jedoch nur 906 auf die spätere Zulassung – und mit 45 Prozent untersuchte weniger als jede zweite dieser klinischen Studien tatsächlich die Wirksamkeit der Arzneimittel, schreiben die Forscher.

Der Gesundheitspolitikforscher Huseyin Naci von der LSE kritisierte außerdem in einer Pressemitteilung, dass die beschleunigten Zulassungen der FDA es erlauben, „anstelle klinisch relevanter Ergebnisse“ nur aufgrund von Surrogatparametern Arzneimittel auf den Markt zu bringen. „Die am Ende für die Arzneimittel zusammengetragene Evidenz hat erhebliche Schwachstellen und ist ungeeignet, die Informationsbedürfnisse von Patienten und Ärzten zu befriedigen“, betont Naci. 

Evidenz mit „erheblichen Beschränkungen“

Die Probleme seien seiner Ansicht nach in den letzten drei Jahrzehnten durch die erhöhte „Flexibilität“ in Bezug auf Evidenz-Standards entstanden, erklärt der Wissenschaftler. Nur eine kleine Minderheit der Studien sei randomisiert und entspräche dem Goldstandard für Untersuchungen der klinischen Wirksamkeit, betonen die Wissenschaftler – und ein Drittel hiervon beziehe sich auf therapeutische Indikationen außerhalb der Zulassung. Gleichzeitig würden viele Arzneimittel in beschleunigten Zulassungsprogrammen für mehrere Anwendungsgebiete getestet.

Die bisherige Evidenz für Arzneimittel mit beschleunigten Zulassungsverfahren habe „erhebliche Beschränkungen“, fassen die Wissenschaftler in ihrem Artikel ihre Ergebnisse zusammen. Vielfach seien die durchgeführten Studien auch nicht darauf ausgerichtet, die klinische Wirksamkeit direkt zu prüfen, sondern sie in eine Standardtherapie zu integrieren.

Vor knapp anderthalb Jahren war die FDA auch stark kritisiert worden, da sie bei schnellen Zulassungen nicht ausreichend ihren Prüfpflichten nachkam: Eigentlich ist die Behörde beispielsweise verpflichtet, vierteljährliche Berichte zu Sicherheitsproblemen herauszugeben, doch im Jahr 2015 war dies offenbar kein einziges Mal erfolgt. Ein im Januar 2016 von einer US-Behörde vorgelegter Bericht des GAO bestätige größte Sorgen, „dass der FDA die grundlegenden Mittel und Aufsichtsmöglichkeiten fehlen, um sicherzustellen, dass schnell auf den Markt gebrachte Arzneimittel tatsächlich sicher und effektiv sind“, hatte die demokratische Kongressabgeordnete Rosa DeLauro damals erklärt. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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