Re-regulierung

Polen beendet Zeit des Fremd- und Mehrbesitzes

Remagen - 22.06.2017, 10:55 Uhr

Nur noch in Apothekerhand: Die polnische Regierung will den Entwicklungen auf dem liberalisierten Markt nicht mehr zuschauen und schafft die Möglichkeit des Fremdbesitzes ab. (Foto: dpa)

Nur noch in Apothekerhand: Die polnische Regierung will den Entwicklungen auf dem liberalisierten Markt nicht mehr zuschauen und schafft die Möglichkeit des Fremdbesitzes ab. (Foto: dpa)


Polen will den Entwicklungen auf seinem deregulierten Apothekenmarkt nicht mehr länger zuschauen. Mit einer Gesetzesänderung, die in Kürze in Kraft tritt, hat die Regierung die Zügel deutlich angezogen. Künftig gelten ähnliche Regeln wie hierzulande: Keine Apothekenketten und maximal drei Filialen. Zusätzlich gilt ab sofort eine Bedarfsplanung. Die Maßnahmen stärken den „Apotheker in seiner Apotheke“, wie die polnische Apothekerkammer findet.

Die Vorschriften für die Genehmigung von Apotheken-Niederlassungen finden sich in Polen im Arzneimittelgesetz aus dem Jahr 2001. Mit einer Gesetzesänderung vom 7. April 2017 will die polnische national-konservative Regierung im liberalen Apothekenmarkt in Zukunft andere Seiten aufziehen. Bis dato gab es in Polen weder demografische noch geografische Niederlassungsbeschränkungen für öffentliche Apotheken. Damit soll nun Schluss sein. Die Änderungen betreffen drei wesentliche Hauptpunkte.

Fremdbesitz: Die Apotheken den Apothekern

Einer davon sind die Regelungen zum Fremdbesitz. Bislang können in Polen natürliche Personen, juristische Personen und Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit eine Erlaubnis zum Betreiben einer Apotheke bekommen. Der Inhaber ist verpflichtet, gegebenenfalls einen Apotheker anzustellen (Apotheken-Manager), der für das ordnungsgemäße Betreiben der Apotheke verantwortlich ist.

Nach der Gesetzesänderung dürfen Betriebserlaubnisse für öffentliche Apotheken nur noch an Apotheker mit der geforderten Erlaubnis zur Ausübung des Berufs erteilt werden, und zwar als Einzelunternehmer oder auch in Form von Partnerunternehmen, deren einziges Geschäft der Betrieb von Apotheken ist und deren Partner allesamt Apotheker mit einer entsprechenden Berufserlaubnis sind.

Mehrbesitz: Nicht mehr als vier Apotheken

Derzeit darf eine Genehmigung zum Betreiben einer öffentlichen Apotheke nicht erteilt werden, wenn das antragstellende Unternehmen zum Beispiel mehr als ein Prozent der öffentlichen Apotheken in einer Woiwodschaft auf sich vereint. Die konkrete Anzahl der Apotheken ist beim Mehrbesitz aber nicht beschränkt. Das soll sich nun drastisch ändern.

Das revidierte Arzneimittelgesetz verbietet die Erteilung weiterer Betriebserlaubnisse, wenn der Antragsteller, ein Anteilseigner oder ein Partner des beantragenden Unternehmens bereits vier öffentliche Apotheken betreibt. Diese Beschränkung soll in der Praxis sehr weitreichend sein. Sie soll nämlich nicht nur dann gelten, wenn der Antragsteller die vier Apotheken direkt selbst betreibt, sondern auch dann, wenn er dies über seine Anteilseigner oder Partner tut, oder wenn er geschäftliche oder Kapitalverbindungen mit anderen unterhält, die ihrerseits schon mindestens vier Apotheken betreiben. Hier sind zahlreiche Fallkonstellationen denkbar, die von den neuen Einschnitten erfasst werden müssten.

Mindestens 3000 zu versorgende Einwohner

Außerdem will die polnische Regierung die Sättigung des Marktes mit öffentlichen Apotheken über demo- und geografische Kriterien verringern, es soll also eine Bedarfsplanung geben. In Zukunft soll eine Genehmigung für eine Neueröffnung nur noch erteilt werden, wenn die Zahl der Einwohner der zu versorgenden Gemeinde am Tag der Antragstellung mindestens 3000 beträgt und der Abstand zwischen der nächstgelegenen bestehenden Apotheke mindestens 500 Meter Luftlinie. Unter speziellen Bedingungen sollen allerdings individuelle Ausnahmen möglich sein.

Keine automatische Weitergabe von Erlaubnissen

Überdies regelt die Gesetzesänderung, was mit bereits erteilten Betriebserlaubnissen im Falle von Teilungen, Zusammenschlüssen oder Umwandlungen von Gesellschaften passiert. Einen automatischen Übergang der Genehmigungen soll es in Zukunft hiernach nicht mehr geben. Letzten Endes soll mit all diesen Maßnahmen eine gleichmäßigere Verteilung der Apotheken erreicht werden. Außerdem soll die Aufsicht über die Tätigkeit der Apotheken verbessert werden, die durch Kapitalgesellschaften betrieben werden.

Aufräumen des Bestandsmarktes nicht direkt geplant

Das Gesetz tritt 30 Tage nach der Veröffentlichung, das heißt am 25. Juni 2017, in Kraft. Für Genehmigungsverfahren, die zu diesem Zeitpunkt noch offen sind, sollen nach den Übergangsbestimmungen die bisherigen Regeln für die Erteilung von Apothekenbetriebserlaubnissen angewendet werden. Außerdem sollen Genehmigungen für öffentliche Apotheken, die vor dem Inkrafttreten erteilt wurden, ihre Gültigkeit behalten. Da gäbe es wohl noch viel aufzuräumen.

Nach einem Markteinblick von Germany Trade and Invest soll es in Polen im Frühjahr 2014 bereits gut 300 zumeist kleinere Apothekenketten gegeben haben. Im April 2016 sollen nach Daten von PharmaExpert 62 Prozent der Offizinapotheken „unabhängig“ gewesen sein (bis zu vier Filialen). Kleine Ketten mit fünf bis 14 kamen auf circa 16 Prozent der Apotheken und große mit über 50 Filialen auf knapp 14 Prozent Anteil am Apothekenmarkt, Tendenz steigend. Dieser Entwicklung wollte die polnische Regierung nicht länger zuschauen und hat nun die Reißleine gezogen. Damit muss wohl auch die israelische Kette Super-Pharm, die in Polen bereits im Geschäft ist, ihre ehrgeizigen Pläne begraben, dort Hunderte weiterer Abgabestellen zu eröffnen.  

„Gute Nachricht für die polnischen Patienten“

Die polnische Apothekerkammer begrüßt die Neuerungen, die sich auch an dem System in Deutschland orientiert haben sollen, als eine „Rückkehr zur traditionellen Rolle der Apotheken als Gesundheitseinrichtung“. Anläßlich der Unterzeichnung der Gesetzesnovelle am 15. Mai dieses Jahres durch Polens Präsident Andrzej Duda gab sich die Präsidentin der polnischen Apothekerkammer mehr als zufrieden. „Dieses Gesetz ist vor allem eine gute Nachricht für die polnischen Patienten.“ sagte Elzbieta Piotrowska-Rutkowska: „Im Namen aller Apotheker, die täglich mit Millionen von Patienten zu tun haben, danke ich Ihnen, Herr Präsident, und auch den Senatoren und Vertretern des Ministeriums für Gesundheit und allen, die diese Lösungen von Anfang unterstützt haben. Die heutige Entscheidung bedeutet für uns einen riesigen Vertrauensvorschuss. Ich bin der festen Überzeugung, dass die polnischen Apotheker diesen Test perfekt bestehen werden.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Man macht sich Gedanken...

von Pharmi am 22.06.2017 um 14:08 Uhr

In Polen macht man sich offensichtlich Gedanken und lässt sich nicht vom großen Geld der Konzerne leiten. Nach dem Versandverbot an Packststionen im Sommer, um die Patienten vor eine Wirksamkeitsveränderung durch zu hohe Temperaturen zu schützen, nun der zweite Eingriff zum Schutz des Patienten. Ein Statement zur Stellung der einheimischen Apotheken in der Gesundheitsversorgung vor Ort!

Daran könnten sich hiesige Politiker mal ein Beispiel nehmen... Das Thema der Temperatur im Versand wurde bisher seltenst angesprochen!

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