- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Die wahren Apotheken-...
Der GKV-Spitzenverband will sich in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, den Apothekenmarkt zu deregulieren. Die Aussagen im Positionspapier zur Bundestagswahl sind argumentativ schwach und weisen eine gewisse Doppelmoral auf, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. Und sie zeigen: Die wahren Feinde der Apotheke vor Ort kommen nicht aus Holland, sondern sitzen in den Etagen der Kassenverbände.
Der GKV-Spitzenverband macht ernst: Nun hat auch der von Patientenvertretern und Arbeitgebervertretern besetzte Verwaltungsrat es zur Grundsatzpolitik erklärt, dass der Apothekenmarkt in der nächsten Legislaturperiode dereguliert werden muss. Konkret fordert das Gremium in einem Positionspapier zur Bundestagswahl die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Außerdem sollen Honoraranpassungen für Apotheker nur noch erfolgen, wenn absolute Transparenz zum Honorar vorliegt.
Was die Krankenkassen da mit Blick auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot fordern, ist schlichtweg ein kompletter Systembruch. Einer der gesundheitspolitischen Spitzenverbände Deutschlands, der mehrere hundert schlaue Menschen beschäftigt, sollte für eine solche Forderung gute Argumente parat haben, müsste man meinen. Aber: Fehlanzeige! Der Verwaltungsrat des Kassenverbandes liefert als Begründung nur, dass der Umbruch aus „Markt- und Wettbewerbsgründen“ geboten sei. Mehr nicht.
Wenig Argumente
Welche Ziele die Kassen mit ihrer Forderung wirklich verfolgen, ist also reine Spekulation. Sehr nahe liegt aber, dass sie die Versorgung gerne über einige wenige Anbieter per Selektivvertrag steuern möchten. Dass die Krankenkassen genau das wollen, haben sie ja schon bei der Zyto-Versorgung gezeigt. Und auch in der Diskussion um den Versandhandel hieß es in den Stellungnahmen klar, dass man gerne mit Versandapotheken wie DocMorris solche Vereinbarungen treffen würde. Ähnlich wie in den USA könnte es aus Sicht der Kassen dann so ablaufen, dass ein großes Apothekenunternehmen mit einer großen Krankenkasse um die Höhe der Rabatte für mehrere hunderttausend Patienten feilscht. Welche Rolle in solchen Verhandlungen der Patientenbedarf spielt – der im GKV-Positionspapier übrigens in jeder zweiten Zeile erwähnt wird – bleibt zu hinterfragen.
Fraglich ist auch, ob die Ketten-Wünsche des Berliner Ober-Kassen-Verbandes an der Krankenkassen-Basis in den Regionen ankommen. Beispiele wie Schweden zeigen deutlich, dass Kettenkonzerne Landapotheken eher schließen als neue zu eröffnen. Und wo rufen Versicherte als erstes an, wenn sie mit ihrer Gesundheitsversorgung nicht zufrieden sind, wenn sie beispielsweise ihre Arzneimittel nicht rechtzeitig oder gar nicht mehr erhalten? Bestimmt nicht bei Celesio oder Walgreens Alliance Boots, sondern bei ihrer Krankenkasse.
Mehr zum Thema
Europa, Deine Apotheken – Schweden
Missglückte Deregulierung?
Immer wieder: Es liegen keine Daten vor!
Problematisch ist auch die fast schon gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach mehr Evidenz und Transparenz beim Apothekenhonorar. Fast jeder Kassenverband unterhält heutzutage ein „wissenschaftliches“ Institut zur Untersuchung der Versorgungsentwicklung. Solche Institute leisten wichtige Arbeit, indem sie anhand der Analyse von Abrechnungsdaten beispielsweise feststellen, in welchen Versorgungssektoren qualitativ schlechte Leistungen erbracht werden. Aber ist es glaubwürdig, dass eine solche Analyse-Stelle bis ins letzte Detail sagen kann, in welcher Klinik Hüft-OPs gut erbracht werden, und dann keine Daten zum Apothekenmarkt hat?
Ein Hauch von Doppelmoral liegt in der Luft, wenn man sich
die Argumente einzelner Kassen im Streit um den Morbi-RSA anschaut. Da streiten
sich die Krankenkassen darüber, ob die Verteilung der Milliarden aus dem
Gesundheitsfonds an die einzelnen Kassen gerecht ist oder nicht. Fritz
Schösser, Versichertenvertreter im Aufsichtsrat des AOK-Verbandes, sagt dazu: „Der immer wieder laut werdende Ruf nach mehr Wettbewerb in der
Krankenversicherung hat Grenzen. Die AOK steht für Versorgungswettbewerb – ohne jede Art der Rosinenpickerei um
Versicherte mit geringem Krankheitsrisiko.“ Für die Apotheker bedeutet das: Wettbewerb: Ja, gerne. Aber nur im Apothekenmarkt, bitte!
Doch so unschlüssig und inkomplett die Forderungen des GKV-Spitzenverbandes sind – die Apotheker und ihre Standesvertreter sollten sie nicht vernachlässigen. Denn die Mitarbeiter des Kassenverbandes gehen in den Berliner Abgeordnetenbüros ein und aus. Vielleicht sollte man dem GKV-Spitzenverband ja mal vorschlagen, den europäischen Binnenmarkt auch für ausländische Krankenkassen zu öffnen. Mal sehen, wie schnell die Kassen dann auf die Einhaltung nationaler Richtlinien und auf die Erhaltung hunderttausender Arbeitsplätze pochen.
4 Kommentare
Wer antwortet der GKV?
von Reinhard Rodiger am 29.06.2017 um 19:34 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
GKV will Ketten
von Dr. Albrecht Emmerich am 29.06.2017 um 18:57 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
GKV-Spitzenverband will Ketten
von Martin Straulino am 29.06.2017 um 18:10 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: GKV-Spitzenverband will Ketten ...
von Christian Timme am 29.06.2017 um 18:47 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.