Italien

Impfpflicht für Kinder und Impfstunden in Apotheken

Berlin - 11.07.2017, 11:35 Uhr

Bald Impfstunden in Apotheken? Der italienische Senat will für Kinder eine Impfpflicht einführen und schlägt vor, dass Ärzte regelmäßige Impfstunden in Apotheken abhalten. (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)

Bald Impfstunden in Apotheken? Der italienische Senat will für Kinder eine Impfpflicht einführen und schlägt vor, dass Ärzte regelmäßige Impfstunden in Apotheken abhalten. (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)


Der italienische Gesetzgeber bereitet derzeit eine Reform der Impfvorschriften vor. Ähnlich wie in Frankreich soll es in zehn verschiedenen Indikationen für Kinder bald obligatorische Immunisierungen geben. Um die Impfrate zu verbessern, sollen Ärzte außerdem regelmäßig in Apotheken kommen, um dort zu impfen.

Der Gesundheitsausschuss des italienischen Senats hat in dieser Woche ein Gesetz beschlossen, das die Impfvorschriften des Landes deutlich verschärfen soll. Bis vor etwa 20 Jahren hatte es in Italien für Kinder schon einmal in gewissen Indikationen eine Impfpflicht gegeben. Diese soll nun teilweise wieder eingeführt werden. Obligatorische Impfungen soll es für zehn Indikationen geben, dazu gehören: Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus, Hepatitis B, Keuchhusten, Grippe, Masern, Röteln, Mumps und Windpocken.

Laut Gesetzentwurf sollen mit dem Vorhaben insbesondere regionale Unterschiede bei der Impfrate ausgebessert werden. Die Quote bei Impfungen gegen Kinderlähmung variiere beispielsweise zwischen den einzelnen Regionen, heißt es im Entwurf. So könnten einige Regionen eine nahezu vollständige Immunisierung gegen Kinderlähmung vorweisen, in anderen Teilen des Landes läge die Rate bei unter 94 Prozent. Beschließen beide Kammern das Gesetz rechtzeitig, soll es schon ab der kommenden Schulsaison, also ab September, gelten. Dann müssten alle Schüler bei der Anmeldung in einem Kindergarten und auch später in der Schule den Impfausweis vorlegen. Im ersten Jahr nach Inkrafttreten sind allerdings noch einige Ausnahmen vorgesehen.

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Ärzte sollen in Apotheken impfen

Der Gesundheitsausschuss hat zudem einen Änderungsantrag zu dem Gesetz beschlossen, der insbesondere für Apotheker interessant sein dürfte. Um die Impfrate weiter zu erhöhen, schlagen einige Senatoren vor, dass in Apotheken regelmäßig „Impfstunden“ angeboten werden. Der Plan der Politiker sieht so aus: Ärzte oder von den Medizinern beauftragte Krankenschwestern kommen in die Apotheke und verabreichen dort die Impfungen. Insbesondere auf dem Land soll die Durchimpfung der Bevölkerung so verbessert werden: Denn durch die Bedarfsplanung bei den Apotheken verfügt Italien über ein sehr ausgewogen verteiltes Apothekennetz, wohingegen die Ärzte oftmals mehrere Kleinstädte gleichzeitig versorgen und pro Ort immer nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten anbieten. Dass Apotheker, wie in anderen europäischen Ländern, die Impfungen selbst durchführen, ist ausgeschlossen, weil die gesetzlich festgeschriebene Berufsbezeichnung der Pharmazeuten das bislang verbietet.

Der nationale Ärzteverband hat aber bereits seinen Widerspruch gegen die Pläne des Senats angekündigt. Die Ärzte weisen auf ein Gesetz von 1934 hin, nach dem Behandlungsangebote anderer Heilberufler in Apotheken verboten sind. Mit dem Gesetz sollte damals die Unabhängigkeit von Ärzten und Apothekern gewährleistet und Zuweisungsgeschäfte vermieden werden. Außerdem soll es keine Zusatzhonorare für die Mediziner geben, was ebenfalls kritisiert wird.

Komplizierte Gesetzgebung in Italien

Und auch die Apotheker sind nicht unbedingt glücklich über die Formulierung in dem Änderungsantrag. Denn die Pharmazeuten sollen eine Reihe zusätzlicher bürokratischer Aufgaben bekommen: Unter anderem sollen sie im Auftrag der regionalen Gesundheitsdienste alle Impfungen registrieren, um die Daten dann an die Behörden und die Krankenversicherungen weiterzugeben. Plänen der Senatoren zufolge dürfen durch die Impfaktionen in den Apotheken aber keine zusätzlichen Kosten für das Krankenversicherungssystem entstehen. Ein Zusatzhonorar für die bürokratische Mehrbelastung wäre also ausgeschlossen.

Am heutigen Dienstag will das Plenum des italienischen Senats das Impfgesetz beschließen, ein Ja ist so gut wie sicher. Dann allerdings muss das Gesetz ins Repräsentantenhaus, wo es noch einmal ein gleichwertiges Gesetzgebungsverfahren durchläuft. Zur Erklärung: In Italien gibt es zwei gleichberechtigte Parlamente, der Senat und das Repräsentantenhaus. Die Senatoren werden von den Regionen (Bundesländern) aufgrund regionaler Wahlergebnisse benannt. Hinzu kommen einige Senatoren auf Lebenszeit, die nicht vom Volk gewählt werden müssen.

Weil beide Kammern gleichberechtigt sind, verzögern sich aber viele Gesetze. Oftmals stimmt eine Kammer den Änderungen der anderen Kammer an einem Gesetz nicht zu und verweist es zurück. So kommt es dazu, dass Gesetze in Italien teilweise jahrelang zwischen beiden Kammern hin- und hergereicht werden. Zuletzt war aber ein Reformversuch, der eine Priorisierung des Repräsentantenhauses vorgesehen hätte, an einer Volksbefragung gescheitert.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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