Bewertung klinischer Forschungsergebnisse

Verbraucher haben wenig Vertrauen in die Forschung

Remagen - 17.07.2017, 10:00 Uhr

Nur rund ein Drittel der Bürger traut laut einer Umfrage der Evidenz aus der medizinischen Forschung. (Foto: AntonioDiaz / Fotolia)

Nur rund ein Drittel der Bürger traut laut einer Umfrage der Evidenz aus der medizinischen Forschung. (Foto: AntonioDiaz / Fotolia)


Klinische Studienergebnisse richtig zu interpretieren und daraus verlässliche Schlüsse für die Therapie abzuleiten, ist eine große Herausforderung. Die britische Academy of Medical Sciences sieht hier Handlungsbedarf. Sie warnt vor allem vor einer Verwirrung der Verbraucher und fordert eine konzertierte Aktion zur Verbesserung der Informationen, die die Patienten bekommen.

Ein neuer Bericht der Academy of Medical Sciences zeigt, dass Patienten und auch Angehörige der Gesundheitsberufe teilweise erhebliche Schwierigkeiten haben, aus Forschungserkenntnissen Schlüsse hinsichtlich des Nutzens und des möglichen Schadens von Arzneimitteln zu ziehen. Das Projekt, das dem Bericht zugrunde liegt, wurde angeregt durch öffentliche Debatten über den Nutzen und die Risiken verschiedener Behandlungen, etwa mit Statinen, der Hormonersatztherapie oder Tamiflu.

Zwei Drittel hören lieber auf Freunde und Familie

Für das Projekt haben die Forscher Allgemeinärzte und normale Bürger befragt und einen öffentlichen Dialog unter Einbindung der Gesundheitsberufe inklusive der Apotheker geführt. Nach den Umfrageergebnissen traut nur rund ein Drittel der Bürger der Evidenz aus der medizinischen Forschung, während zwei Drittel Erfahrungen von Freunden und der Familie den Vorzug geben. Besonderes Misstrauen wird der pharmazeutischen Industrie entgegengebracht. Vier von fünf Allgemeinärzten und zwei von drei britischen Erwachsenen stimmten der Aussage zu, dass von der Industrie finanzierte Studien häufig verzerrt worden seien, damit sie positive Ergebnisse produzieren. Es ist bestürzend zu erfahren, dass lediglich ein Drittel der Öffentlichkeit Vertrauen in die medizinische Forschung hat, und dass die Patienten mit den Informationen, die sie von ihrem Arzt, aus dem Fernsehen, dem Internet oder auch von Freunden oder aus der Familie bekommen, nichts Rechtes anfangen können.“ sagt der Leitautor des Berichts Sir John Tooke, der bei der Academy den Arbeitsbereich zur Nutzung der Evidenz für den Nutzen und Risiken von Arzneimitteln durch die Gesellschaft leitet. 


Wenig Transparenz und Defizite bei der Berichterstattung

Der Bericht beinhaltet detaillierte Empfehlungen zur Verbesserung der Situation an alle, die an der Entstehung und Kommunikation von Forschungsergebnissen zur Arzneimittelentwicklung beteiligt sind. Zunächst sollte die Ausbildung zu Forschungsmethoden und der dazugehörigen Statistik verbessert werden. Patienten, Versorger und die Öffentlichkeit sollten mehr in die Forschung eingebunden werden. Außerdem wird mehr Transparenz bei der Publikation von Befunden gefordert, inklusive negativer Ergebnisse und der Deklaration von Interessen. Last not least sollen die Patienteninformationen verständlicher werden. In der jetzigen Form seien diese oft unklar und für die Patienten wenig hilfreich, so die Kritik. „Einfacher und klarer“, lautet die Botschaft, damit die Anwender den möglichen Nutzen und das Nebenwirkungspotenzial besser abschätzen können. 

Journalisten sollten mehr geschult werden

Auch bei der Berichterstattung in den Medien liegt nach Auffassung der Experten einiges im Argen. Zur Unterstützung einer verantwortungsvollen, genauen und ausgewogenen Kommunikation von medizinischen Forschungsergebnissen schlagen sie vor, ein „Ampelsystem“ für Pressemitteilungen zu entwickeln, mit dem die Inhalte bezüglich Relevanz für die klinische Anwendung und Robustheit klassifiziert werden könnten. Außerdem regen sie an, Best Practice-Leitlinien für Journalisten, Pressesprecher etc. zu fördern und für Nachrichtenredakteure und fachfremde Journalisten Workshops zu veranstalten, um deren Verständnis und Berichterstattung über wissenschaftliche Prozesse zu verbessern.

Die Autoren betonen, dass Wettbewerbsinteressen nicht zwangsläufig bedeuten müssten, dass Evidenz verzerrt sei oder dass diese Präzision oder Glaubwürdigkeit vermissen lasse. Journalisten und andere Kommentatoren sollten sich nicht darauf fokussieren, dass es solche Interessen gibt, sondern darauf, ob mit diesen angemessen umgegangen werde, um ihren Einfluss auf die Unparteilichkeit und die Objektivität der Evidenz zu minimieren.

 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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