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Wir reden unseren Beruf schlecht, so der CDU-Politiker Hennrich. Und Bundeswirtschaftsministerin Zypries meint, wir sollten mehr Selbstbewusstsein haben. Aber die niedersächsischen Krankenhäuser wollen keine Stationsapotheker. Und Schulz-Asche von den Grünen will, dass die Großen die Kleinen unterstützen. So was! Und Gröhe setzt auf Digitalisierung! Aber die ist auf dem Weg, dem Berliner Flughafen den Rang abzulaufen.
7. August 2017
Sie ist in etwa so was wie der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) im Gesundheitswesen: die elektronische Gesundheitskarte. Jahrelang in der Planung und im Bau, wann sie denn endgültig fertig ist mit all ihren Funktionen, steht in den Sternen. Reformbedürftig schon vor dem Start. Und es kommen Gerüchte auf, das Projekt ganz hinzuwerfen. Solche Gedanken gab’s beim BER auch schon mal. Mein liebes Tagebuch, ich kann mich noch an das Jahr 2006 erinnern, als Bundesgesundheitsministerin vollmundig den Rollout der Gesundheitskarte verkündete – wobei es die Karte eigentlich schon Anfang der 2000er Jahre geben sollte. Jetzt haben wir 2017 und ein Plastikkärtchen mit Foto, auf dem die Krankenversichertennummer und ein paar Angaben zur Versicherung gespeichert sind. Puh, was für ein Erfolg! Das kann man nicht gerade als Fortschritt der Digitalisierung bezeichnen. Noch nicht einmal so einfache Dinge wie ein Medikationsplan sind da drauf abgelegt. Überhaupt, man sollte mittlerweile das Konzept hinterfragen: Ist es denn in Zeiten von Clouds und Riesen-Datenspeichern noch sinnvoll, Informationen auf einem Kärtchen selbst abzulegen? Wobei die Datenmenge begrenzt ist. Sollte so eine Karte nicht besser nur als Schlüssel, als Zugang zur Cloud oder anderen zentralen Datenbanken dienen? Warum, mein liebes Tagebuch, haben andere Länder schon lange digitale Lösungen, Gesundheitskarten und mehr, aber bei uns in Deutschland kommt das nicht voran? Ministerium, Datenschutz, Krankenkassen, Krankenhäuser, Ärzte, Apotheker und dann noch die IT-Firmen, die Gematik und andere – je mehr mitreden, umso weniger bewegt sich. Und dann spielt da noch der rasante technische Fortschritt eine Rolle: Was heute state of the art ist, ist morgen schon überholt. Aus der Gesundheitskarte aussteigen, will Gröhe aber nicht. Er sieht sogar endlich Schwung in der Digitalisierung. Wobei, mein liebes Tagebuch, die Schwungzunahme eher vergleichbar ist mit dem Übergang von einer ruhenden zu einer kriechenden Schnecke. Auch ein E-Health-II-Gesetz wird wenig ausrichten, wenn die Einigung der Partner fehlt – und wenn’s keine schnellen Datenleitungen gibt. Und inzwischen probieren einige Beteiligte schon eigene Digitalisierungslösungen.
8. August 2017
Abgesehen von den fehlenden schnellen Datenleitungen, die man für einen reibungslosen Datenverkehr im digitalisierten Gesundheitswesen bräuchte: Es klemmt hierzulande schon bei den relativ einfachen technischen Voraussetzungen, dem Konnektor und der Institutionenkarte, dem Heilberufsausweis. Ohne diese beiden Voraussetzungen läuft nichts. Der Konnektor ist ein kleines Technikkästchen, das den Apothekenrechner mit der Telematikinfrastruktur verbindet. Das klingt einfach, ist aber hochkomplex. Und dann der Heilberufsausweis, den die Kammern ausgeben müssen: Mit ihm muss sich das Apothekenpersonal bei der Telematikinfrastrukur anmelden und identifizieren. Klingt auch noch einfach, aber die Probleme stecken im Detail: Es ist immer noch kein Anbieter für das Erstellen der Ausweise zertifiziert. Und die Kammern müssen einen Vertrag mit einem zertifizierten Anbieter schließen und einiges regeln. Klar, mein liebes Tagebuch, das kostet und macht viel Arbeit. Andererseits, weiß man nicht schon seit ein paar Jahren, dass man das machen muss? Weihnachten ist übrigens am 24. Dezember.
Ein vom Deutschen Apotheker Verlag und der Noweda in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt anhand möglicher Szenarien, dass zum einen die aufgehobene Arzneimittelpreisbindung für ausländische Versender und zum andern Ertragsverluste durch Boni und Rabatte – sollten sie für die Deutschen Apotheken erlaubt werden – zu einem deutlichen Apothekensterben führen mit der Folge: Ausdünnung des Apothekennetzes und Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Christian Rotta versuchte das in einem Facebook-Disput mit der Grünen Politikerin Kordula Schulz-Asche zu erklären. Doch trotz nachvollziehbarer Argumente bleibt Schulz-Asche hartnäckig uneinsichtig. Unter „Rettet die kleine Apotheke“ versucht sie medienwirksam ihr Glaubensbekenntnis über Apotheken unter die Leute zu bringen: Das klingt in etwa so: Die großen reichen Apotheken sollten die armen kleinen Apotheken unterstützen. Mein liebes Tagebuch, dann müssen wir erst ein anderes Wirtschaftssystem einführen. So hoffen wir auf die Zeit nach der Wahl. Und möge Schulz-Asches Wunsch, den sie selbst im Gespräch mit der „Taunus Zeitung“ äußerte, in Erfüllung gehen: „Mein Wunsch ist, pflegepolitische Sprecherin der Grünen in Berlin zu werden.“
9. August 2017
Apothekerinnen und Apotheker nützen die Offenheit der Politiker vor der Wahl, werden selbst aktiv und kontaktieren Landtags- und Bundestagsabgeordnete. Gut so! Manchmal klappt sogar ein Zugang zum Minister. Zwei Apotheker aus dem Rhein-Sieg-Kreis, Markus Reiz und Almut Baron, konnten zusammen mit dem CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Krauß persönlich ein Schreiben an den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe übergeben: Dank für seinen Einsatz für ein Rx-Versandverbot und die Bestärkung Gröhes, daran festzuhalten. Der Eindruck der Apotheker von ihrem Gröhe-Treffen: „Er ist komplett auf unserer Seite.“ Fein, mein liebes Tagebuch, jetzt muss er nur noch nach der Wahl wieder Bundesgesundheitsminister werden.
10. August 2017
Michael Hennrich, Obmann für die CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, hat sich gut in die Probleme der Apotheker eingearbeitet, wie ein DAZ-Interview zeigt. Er weiß wovon er spricht, wenn er sich für die Apotheke vor Ort einsetzt und den Versandhandel als entbehrlich sieht. Und erst recht vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils. Dass der EuGH den Gesundheitsbereich wie einen normalen Markt behandelt, kann Hennrich nicht nachvollziehen. Ob ein Rx-Versandverbot nach der Wahl kommt? Da bleibt er ehrlich: Das Thema wird auf den Verhandlungstisch kommen, aber ob man sich damit durchsetzen wird, lässt sich einfach nicht vorhersagen. Interessant, mein liebes Tagebuch, ist sein Eindruck, die Apotheker redeten ihren eigenen Beruf schlecht. Übrigens, das habe ich in der letzten Zeit so oder ähnlich auch von einigen anderen Politikern unterschiedlicher Couleur gehört. Ist da was dran? Wenn wir über unser bescheidenes Honorar klagen, über schlechte Bezahlung, über wachsende Bürokratie, über die Gängelung durch Kassen, über Wettbewerbsnachteile durch das EuGH-Urteil und wenn diese Sorgen und Nöte in Frust umschlagen – kommt das draußen etwa als Schlechtreden unseres Berufes an? Oder sind es persönliche negative Erfahrungen, die einige in unserem Beruf machen? Mein liebes Tagebuch, es ist in der Tat schwierig, Missstände zu benennen und nach außen nicht miesepetrisch zu wirken. Und noch was: Politiker, auch Hennrich, rufen uns immer wieder zu: Habt mehr Selbstbewusstsein! Wir brauchen Apotheker! Wir brauchen euren pharmazeutischen Sachverstand. Ja, mein liebes Tagebuch, mehr Selbstbewusstsein sollten wir wirklich haben. Vielleicht schreiben wir’s uns das auf den Spiegel im Bad, damit wir jeden Morgen daran erinnert werden...
11. August 2017
Pflegemorde waren der Auslöser dafür, dass das Land Niedersachsen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit in seinen 180 Krankenhäusern Stationsapotheker verpflichtend einführen will. Die Apothekerkammer begrüßt den Entschluss, das ist ein konsequenter und richtiger Entschluss, findet Kammerpräsidentin Magdalene Linz. Im Gegensatz zur niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, die mit 180 Pappfiguren vor dem Landtag gegen dieses Gesetz protestiert hat. Mein liebes Tagebuch, das ist gewagt. Man könnte dies als Protest gegen die Arzneimitteltherapiesicherheit sehen, letztlich gegen das Patientenwohl – was die Krankenhausgesellschaft allerdings von sich weist. Sie argumentiert, das Gesetz sei in der geplanten Zeit nicht umsetzbar (pro 300 Betten ein Stationsapotheker), die niedersächsischen Krankenhäuser würden dadurch benachteiligt und die Apotheker privilegiert. Mein liebes Tagebuch, klar, einige Stationsapotheker mehr in den Krankenhäusern kostet etwas – aber hier geht es doch um Sicherheit! Eigentlich könnte Niedersachsen Vorbild für andere Bundesländer sein. Und was die vermeintliche Privilegierung betrifft: Da hört man Neid heraus und die Angst der Ärzte, sich auf die Finger schauen zu lassen. Da müssen die Mediziner wohl noch lernen, kollegial mit den Arzneifachleuten zusammenzuarbeiten.
Mein liebes Tagebuch, der DocMorris-Besuch von Brigitte Zypries, gelernte Juristin, seit Januar Bundeswirtschaftsministerin, früher mal Justizministerin, kam nicht gut an bei uns Apothekers. Sie kann das ein Stück weit verstehen, wie sie im Interview mit mir einräumte. Immerhin. Es sei nur ein Informationsbesuch gewesen – und die Einladung einer deutschen Versandapotheke oder einer innovativen Vor-Ort-Apotheke würde sie ebenfalls annehmen. Und sie stellte klar: Sie hält große Stücke auf die Apotheke vor Ort, wie sie mir versicherte. Und im Versandhandel bestellt sie nicht. Tja, aber warum dann kein Rx-Versandverbot? Als Verfassungsrechtlerin sei ihr klar, dass so ein Verbot null Chance hätte, meint sie. Wenn deutsche Versandapos schon seit 2004 Rx versenden dürfen, dann könne man nachträglich diese Berufsausübung nicht verbieten. Und was kann man dann gegen diesen unfairen Wettbewerb tun? Da legt sie die sozialdemokratischen Angebote auf den Tisch: Versender könnten mehr in den Nacht- und Notdienstfonds einzahlen, Apotheken in strukturschwachen Regionen könnten einen Ausgleich erhalten und für eine gewisse Zeit könnten gedeckelte Boni erlaubt werden. Mein liebes Tagebuch, das überzeugt uns nicht. Letztlich passiert jetzt erst mal gar nichts. Im Herbst wird neu gewählt und es kommt ein Gutachten zum Honorar. Und je nach Wahlausgang und politischer Konstellation verschwindet das Gutachten in der Schublade oder man diskutiert pro forma darüber. Klar ist heute schon: Die Entscheidung, wie’s am Ende weitergeht mit Versandverbot, Honoraranpassungen und Aufgaben der Apotheke, wird eine Politische sein. Zypries Schlusswort: Wir Apothekers sollten mit Selbstbewusstsein und Zuversicht in die Zukunft schauen. Leichter gesagt als getan. Aber was Anderes bleibt uns kaum übrig, oder?
8 Kommentare
Die neuen Vertreter der Schäbigkeit
von Ratatosk am 14.08.2017 um 18:41 Uhr
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Der "Connector" ist in den meisten Apos und Praxen schon da!
von Thomas Luft am 13.08.2017 um 11:32 Uhr
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AW: Der "Connector" und der Ausweis
von Reinhard Rodiger am 13.08.2017 um 16:29 Uhr
AW: Der "Connector" ist in den
von sorglos am 14.08.2017 um 6:52 Uhr
AW: Der "Connector" ist in den
von Ulrich Ströh am 14.08.2017 um 9:12 Uhr
AW: Der "Connector"
von Wolfgang Müller am 14.08.2017 um 11:51 Uhr
eGK
von Heiko Barz am 13.08.2017 um 10:01 Uhr
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Zu Ende gedacht ?
von Ulrich Ströh am 13.08.2017 um 9:10 Uhr
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