Kern, Blatt und Stiel

Verbraucherzentrale warnt vor Heilmittel-Eigenherstellung aus Pflanzenteilen 

Düsseldorf - 16.08.2017, 12:30 Uhr

Aprikosenkerne werden teils als Heilmittel beworben, obwohl die Einnahme riskant sein kann. (Foto: M. Schuppich / Fotolia)

Aprikosenkerne werden teils als Heilmittel beworben, obwohl die Einnahme riskant sein kann. (Foto: M. Schuppich / Fotolia)


Obstkerne gehören in die Tonne – und Aloe-Vera-Blätter nicht in den Körper, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in einer Stellungnahme. Zwar werde es teils als „hip“ angesehen, Pflanzenreste als Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen – wenn sie nicht gleich als Krebsmittel beworben werden. Doch sie können teils gefährlich sein, warnen die Verbraucherschützer.

„Gefahr in Kern, Blatt und Stiel: Pflanzenteile für die Tonne und nicht zur Nahrungsergänzung“, überschreibt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eine aktuelle Pressemitteilung. Aloe-Vera-Gele, Pulver aus Avocado- oder Aprikosenkernen würden schon lange „gegen gutes Geld“ in Geschäften wie auch online als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, schreiben die Verbraucherschützer – und auch mithilfe von Blogs und Foren verbreite sich das Selbstverwerten von angeblich gesundheitsfördernden Pflanzenteilen.

„Doch nicht jeder Kern und jeder letzte Pflanzenrest, der mit einer Küchenmaschine zu Pulver oder Brei verarbeitet und pur oder als hippe Zutat für Müsli oder Smoothie gegessen wird, ist dafür geeignet und gesund“, warnt die Verbraucherzentrale vor dem „riskanten Trend zum Selbermachen“. Denn Risiken sind teils klar erwiesen. „Einige Pflanzenbestandteile enthalten gefährliche Stoffe, deshalb gehören sie in die Tonne und haben mit gesunder Nahrungsergänzung nichts zu tun“, erklärt die Organisation.

So sei es zwar unbedenklich, wenn Menschen ein paar Apfelkerne oder Kirschkerne verschlucken. „Doch zermahlen oder gekaut drohen bei höherer Einnahme solcher selbstgemachter Nahrungsergänzung Gefahren“, schreibt die Verbraucherzentrale. Auch gebe es für die teils versprochenen gesundheitlichen Wirkungen „keinerlei gesicherte wissenschaftliche Belege“, heißt es. „Die Werbung mit Heilversprechen für die im Handel erhältlichen Produkte ist deshalb auch verboten.“

Unseriöse Anbieter schreiben teilweise, Obstkerne beispielsweise von Aprikosen würden gegen Krebserkrankungen schützen und reich an Vitaminen sein. „Stattdessen enthalten bittere Aprikosenkerne ebenso wie Bittermandeln oder Kirschkerne das cyanogene Glycosid Amygdalin, das bei der Verdauung Blausäure abspaltet“, schreibt die Verbraucherzentrale. „In hohen Dosen kann diese Substanz zu schweren akuten Vergiftungen mit Krämpfen, Erbrechen und Atemnot führen.“ So berichtete im Jahr 2014 auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft über einen Vergiftungsfall nach Behandlung mit Aprikosenkernen, die das cyanogene Glykosid Amygdalin enthalten. Erwachsene sollten nicht mehr als ein bis zwei bittere Aprikosenkerne pro Tag verzehren – oder vorsorglich besser gleich ganz darauf verzichten, rät die Verbraucherzentrale nun.

Kirschstiele besser aus der Apotheke

Auch ist laut der Verbraucherschutzorganisation bislang unbewiesen, ob das Innere von Advocados das Immunsystem stärken, Entzündungen vorbeugen, den Stoffwechsel und den Cholesterinwert ins rechte Lot bringen kann. „Ob die in den Kernen enthaltene Menge an toxischem Persin und anderen Stoffen ungefährlich ist, kann aus Sicht des Bundesinstituts für Risikobewertung noch nicht ausreichend bewertet werden“, heißt es. „Von einem Verzehr wird daher abgeraten.“

Ähnlich sieht es bei Kirschstielen aus, deren Gerbstoffe bei hartnäckigem Husten angeblich schleimlösend sein und beim Abnehmen helfen sollen. „Tatsächlich wirken sie vor allem entwässernd“, schreibt die Verbraucherzentrale. Wer selbst gesammelte Kirschstiele als Tee aufbrüht, solle darauf achten, dass die Stiele gut getrocknet sind. „Sonst besteht die Gefahr von Schimmel und krebserregenden Schimmelpilzgiften“, erklären die Verbraucherschützer. „Sicherer ist es, fachkundig verarbeitete Kirschstiele in der Apotheke zu kaufen“, betonten sie – und kommen zu dem Fazit: „Gemahlene Kirschstiele dürfen ins Beet oder auf den Kompost, aber nicht ins Essen.“

Produkte aus Aloe-Vera-Blättern seien für die äußerliche Anwendung als Heilpflanze anerkannt, doch für die Einnahme als Gel oder Saft gebe es keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen, schreibt die Verbraucherzentrale NRW. „Auch für eine Gewichtsreduktion liegen keine Belege vor.“ Beim Verzehr aus selbst gezogenen Pflanzen müsse darauf geachtet werden, dass nur das Innere des Blattes – also das Pflanzen-Gel – verwendet wird. „Die Blattrinde muss sehr großzügig entfernt werden“, heißt es. Denn sie enthalte zum einen stark abführende Anthrachinone, zum anderen könnten krebserregende und Erbgut-schädigende Wirkungen dieser Stoffe nicht ausgeschlossen werden. Sicherer – weil frei von abführenden und krebserregenden Substanzen – seien im Handel erhältliche Aloe-Vera-Produkte.

Grundsätzlich sollten Verbraucher auf die Eigenherstellung von Ess- und Trinkbarem aus Kernen und Stielen – auch aus dem eigenen Garten – besser verzichten. „Ebenso ist vom Genuss solcher Produkte aus dem Internethandel eher abzuraten“, schreibt die Verbraucherzentrale, die Informationen zum Thema unter www.klartext-nahrungsergänzung.de aufbereitet hat. Eine Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte zuvor stets mit dem Hausarzt oder einem Ernährungsberater besprochen werden.



hfd / DAZ.online
redaktion@daz.online


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