LSG Niedersachsen-Bremen

Kassen können Grippeimpfstoff-Exklusivverträge nicht kündigen

Stuttgart - 21.08.2017, 15:10 Uhr

Gelten die exklusiven Impfstoffrabattverträge oder nicht? Das Land Niedersachsen-Bremen hat nun entschieden, dass sie nicht einfach gekündigt werden dürfen. (Foto: picture alliance/KEYSTONE)

Gelten die exklusiven Impfstoffrabattverträge oder nicht? Das Land Niedersachsen-Bremen hat nun entschieden, dass sie nicht einfach gekündigt werden dürfen. (Foto: picture alliance/KEYSTONE)


Bestehende Exklusivverträge über Grippeimpfstoffe können von den Krankenkassen nicht wirksam gekündigt werden. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschieden. Die Auffassung des Bundegesundheitsministeriums, dass die Verträge 2017 ihre Exklusivität verlieren, sei rechtlich unerheblich, so die Richter. Zu den Auswirkungen auf neu geschlossene Verträge zwischen Kassen und Apothekerverbänden äußerten sie sich nicht. 

Krankenkassen können bestehende Exklusivverträge mit Impfstoffherstellern über die Lieferung von Grippe-Impfstoffen trotz geänderter Rechtslage nicht einfach kündigen.Neues Recht greife nicht in alte Verträge ein, begründete das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) einen am Montag veröffentlichten Eilentscheid (L 4 KR 307/17 B ER). Zugrunde lag der Fall eines Hannoveraner Pharmaherstellers, der mit elf Krankenkassen exklusive Rabattverträge über Grippeimpfstoffe für den nächsten und übernächsten Winter geschlossen hatte.

Mit Inkrafttreten des AMVSG ist aber die Möglichkeit, Impfstoffe auszuschreiben, weggefallen. In der Folge kündigten die Kassen die Verträge mit dem Hersteller und schlossen neue mit Apothekerverbänden – in dem Glauben, dass ab 2017 die Exklusivität aller Verträge entfallen würde. Die Auffassung wurde bestärkt durch ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), in dem dieses erklärte, dass die Exklusivität der Verträge nicht mehr bestehe. Der Hersteller hatte sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, dass neues Recht nicht in alte Verträge eingreife. Die Angelegenheit sei eilbedürftig, da Impfstoffe saisonal produziert würden und nur begrenzt haltbar seien, erklärte der Unternehmer. Er befürchtete Schaden bis zu 1,8 Millionen Euro. 

Kein Eingriff in laufende Verträge geregelt

Diese Auffassung hat das LSG Celle-Bremen im Ergebnis bestätigt. Gestützt hat es seine Entscheidung auf das verfassungsrechtliche Institut der echten und unechten Rückwirkung, den Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip. So habe der Gesetzgeber im AMVSG keinen Eingriff in laufende Verträge geregelt, da er sich der Rückwirkungsproblematik bewusst gewesen sei und in den Gesetzesmaterialien lediglich ausgeführt habe: „Bestehende Rabattverträge können nicht verlängert werden.“ Bei den Zytoverträgen hingegen, deren Ausschreibungen auf Apothekenebene mit dem AMVSG ebenfalls abgeschafft wurden, hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung getroffen, was mit den bestehenden Altverträgen geschieht – sie werden mit Ablauf des dritten Monats nach Inkrafttreten des AMVSG unwirksam.

Was ist mit den neuen Verträgen der Apothekerverbände?

Die Auffassung des BMG, dass die Exklusivverträge hinfällig seien, ist nach Ansicht des LSG unerheblich, da sie nicht in das Gesetzgebungverfahren eingeflossen sei. Das BMG hatte im März mitgeteilt, dass die Kassen ab Inkrafttreten des AMVSG wieder alle verordneten Impfstoffe erstatten müssen. Jedenfalls, soweit die Leistung im Rahmen der Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgt. Demnach steht es also allein im therapeutischen Ermessen der Ärzte, welchen Impfstoff sie verordnen. Sie können dann auch Vierfach-Impfstoffe verwenden, für die keine einzige Krankenkasse Rabattverträge geschlossen hatte. Das Ministerium ging davon aus, dass es noch Verträge gibt, die bis zur Saison 2018/2019 laufen, in Niedersachsen sogar bis 2019/2020. Dass Ärzte alsbald alle Impfstoffe verordnen können, wird sich daher auf die Abgabemengen der Hersteller mit Rabattverträgen auswirken. Diese Rabattverträge enthielten aber keine konkreten Mengenvorgaben – die Mengenplanung sei Sache des Herstellers, erklärte das BMG. Eine etwaige Anpassung oder Aufhebung bestehender Verträge sei jedenfalls Angelegenheit der Vertragspartner selbst.

Was der Entscheid aus Celle genau für die konkurrierenden Neuverträge mit den Apothekerverbänden bedeutet, zum Beispiel hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche, dazu hat sich das LSG nicht geäußert – es ist hierfür nicht zuständig.

Entscheid stützt Auffassung der KVen

Der Entscheid des LSG stützt auch die Auffassung der kassenärztlichen Vereinigungen. Die hatten die Vertragsärzte nach wie vor angehalten, Rabattimpfstoffe zu verordnen – unter Androhung von Regressen. Was die Apotheken betrifft, so wurde bislang die Auffassung vertreten, dass hier keine Prüfpflicht besteht und Grippeimpfstoffe gemäß Verordnung beliefert werden dürfen. Letztendlich ist aber wohl ohnehin davon auszugehen, dass weiterhin Ärzte Rabattimpfstoffe verordnen, um sich vor möglichen Rückforderungen seitens der Kassen zu schützen.



jb / DAZ.online
redaktion@daz.online


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