Bedeutung der Preisbindung nachgewiesen

Gutachten schließt Beweislücke 

Süsel - 23.08.2017, 15:32 Uhr

Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Uwe May, die Politikwissenschaftlerin 
Cosima Bauer und Rechtsanwalt Dr. Uwe Dettling haben nun ein Gutachten 
vorgelegt, das diese „Lücke im Tatsächlichen“ schließt.  (Foto: matimix /stock.adobe.com)

Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Uwe May, die Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer und Rechtsanwalt Dr. Uwe Dettling haben nun ein Gutachten vorgelegt, das diese „Lücke im Tatsächlichen“ schließt.  (Foto: matimix /stock.adobe.com)


Beschränkte Boni und die Folgen

In der Politik wird der „sanfte Preiswettbewerb“ als vermeintlich moderater Mittelweg diskutiert. Darum untersucht das Gutachten in einem ökonomischen Modell, welche wirtschaftlichen Folgen diese Option für die Apotheken hätte. Davon unabhängig mahnen die Gutachter, dass Boni den Steuerungszweck von Zuzahlungen unterlaufen und auch beschränkte Boni im Widerspruch zum EuGH-Urteil stehen. Ausländische Versender wären nicht an eine Beschränkung gebunden, was den Sinn einer solchen Regelung infrage stellt.

Die Gutachter argumentieren, dass die meisten Vor-Ort-Apotheken Boni von 2 Euro pro Rx-Arzneimittel nicht finanzieren könnten. Darum würden sie nicht in den Boni-Wettbewerb einsteigen, sondern erhebliche Umsätze an Versender verlieren. Das wäre auch schon bei nur 1 Euro Bonus anzunehmen. Der modellierte Umsatzverlust dürfte auch für den Fall gelten, dass der Gesetzgeber untätig bleibt. Die Option der Aufhebung der Preisbindung wird nicht näher betrachtet, weil die Apotheken damit noch stärker als durch den „sanften Preiswettbewerb“ geschwächt würden.

Modellrechnung

Aus dem Anteil versandfähiger Arzneimittel und der Neigung der Patienten zum Versand leiten die Gutachter drei mögliche Szenarien mit 9, 17 und 25 Prozent Marktanteil des Versandes an Rx-Arzneimitteln ab. Die Gutachter betrachten, wie diese Umsatzverluste auf Apotheken verschiedener Umsatzgrößenklassen wirken. Dabei gehen sie von einem Betriebsergebnis von 6,4 Prozent vom Nettoumsatz gemäß ABDA-Daten aus. Ein Betriebsergebnis unter 50.000 Euro wird als betriebswirtschaftlich nicht tragfähig betrachtet. Möglicherweise verzögert sich die Schließung der Apotheke jedoch einige Zeit, bis der Inhaber eine andere Beschäftigung findet.

May, Uwe / Bauer, Cosima / Dettling, Heinz-Uwe: Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel Wettbewerbsökonomische und gesundheitspolitische ­Begründetheit.

Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 2017.

ISBN 978-3-7692-7038-9

130 S., kartoniert, 54 Euro

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Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Zu spät

von Anita Peter am 24.08.2017 um 6:55 Uhr

Warum hat die ABDA ein solches Gutachten nicht VOR dem EUGH Verfahren in Auftrag gegeben? Was soll das Gutachten jetzt noch bringen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Doch nicht zu spät?

von Christian Rotta am 24.08.2017 um 16:14 Uhr

Sehr geehrte Frau Peters,
die erste Frage kann ich nicht beantworten, die zweite schon. Wenn Sie das EuGH-Urteil vom 19.10.2016 sowie die jüngste Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Problematik der Arzneimittelpreisbindung lesen, werden Sie feststellen: Es ist nicht auszuschließen, dass sich der EuGH noch einmal mit der Frage der grenzüberschreitenden Arzneimittelpreisbindung beschäftigen muss - und wenn dann die vom EuGH in seiner Entscheidung vom 19.10.2016 konstatierte "Lücke im Tatsächlichen" geschlossen wird, d.h. belegt werden kann, dass die Arzneimittelpreisbindung zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung und zur Aufrechterhaltung des bestehenden Apotheknnetzes beiträgt, könnte das ursprüngliche EuGH-Urteil obsolet werden. Sicher ist dies nicht, aber immerhin möglich. Und die besseren Argumente würden ohnehin dafür sprechen.

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