- DAZ.online
- News
- Politik
- Gröhe im digitalen „Ö...
In seiner bald endenden Amtszeit hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe viel angepackt – auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Seine politischen Gegner werfen ihm aber vor (auch wegen des Entwurfs zum Rx-Versandverbot), viele Entwicklungen im digitalen Gesundheitswesen auszubremsen. Bei einem Treffen mit mehreren Digital-Start-ups vermittelte der Minister aber, dass er sehr wohl offen für neue Ideen sei – wenn sie sich im Rahmen des Systems bewegten.
Für Politiker in Deutschland ist das Thema „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ kein leichtes. In anderen Ländern gibt es seit Jahren elektronische Patientenakten, das E-Rezept oder digitale Lösungen zum Medikationsmanagement. Hierzulande war es Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der das Thema erstmals in ein Gesetz goss. Aber auch das von der Großen Koalition ins Leben gerufene E-Health-Gesetz steht in der Kritik: Die Apotheker werfen dem Gesetzgeber vor, sie zu wenig berücksichtigt zu haben, die Opposition bemängelt, dass die Koalition zu viele Entscheidungen in die Hände der Selbstverwaltung gelegt habe und mit dem papiernen Medikationsplan ist niemand so richtig zufrieden. Insbesondere bei den Arzneimittel-Versandhändlern hat Gröhe den Ruf als „Digitalisierungs-Verhinderer“ weg. Seit seinem Entwurf zum Rx-Versandverbot steht insbesondere für die EU-Versender fest: Fortschritt sieht anders aus.
Gröhe in der „Höhle des Löwen“
Auf seiner Gesundheitsinformationsreise musste Gröhe nun gewissermaßen in die „Höhle des Löwen“. In Hannover traf der Minister auf die Vertreter mehrerer Start-ups, die innovative, digitale Versorgungsmodelle entwickelt haben. Ein Unternehmen stellte eine App vor, mit der man einen Demenz-Test durchführen kann. Mithilfe von Gedächtnisfragen und -übungen soll das System erkennen, ob ein altersbedingt „normaler“ Gedächtnisschwund oder eine pathologische Veränderung vorliegt. Ein anderes Beispiel: Kognitive Verhaltenstherapie per App. Das Unternehmen hat eine klinisch evaluierte Anwendung entwickelt, bei der psychisch Erkrankte wochenlang digital mit Psychotherapeuten kommunizieren können.
Wie weit es die Gesundheits-Digitalisierer bringen wollen, zeigte der Vortrag von Markus Müschenich, Chef von Flying Media, eine Firma, die junge Gesundheits-Start-ups finanziell unterstützt. Müschenich sagte voraus, dass es 2025 ein „digitales Ökosystem“ im Gesundheitssystem geben werde, das sich um den ambulanten und den stationären Sektor „herumentwickeln wird“. Eines seiner Beispiele: „Wir haben Computersysteme, die Melanome besser erkennen können, als Ärzte.“ Müschenich prophezeit, dass der ambulante und der stationäre Sektor jeweils um 30 Prozent schrumpfen werden – zugunsten des „digitalen Ökosystems“.
BigData für eine bessere Patentenversorgung
Mit von der Partie war auch die Barmer GEK. Dr. Ursula Marschall, die Leiterin der Abteilung für Medizin und Versorgungsforschung bei der Barmer, berichtete von Kooperationen mit einigen Jungunternehmen. Die Kasse habe unlängst auch eine eigene Abteilung für das Thema Digitalisierung gegründet, das Projekt „Barmer-e“. Man müsse Gesundheitsversorgung „komplett neu denken“, erklärte Marschall und sprach sich auch dafür aus, dass die Abrechnungsdaten der Kassen besser genutzt werden sollten. Ihr Beispiel: „Viele junge Frauen leiden unter Wiederholungskopfschmerz, weil sie von ihrem Mediziner nur wegen des Verdachts auf Migräne Triptane verordnet bekommen haben. Hier muss man BigData und die Medizin verbinden, um solche Situationen zu vermeiden.“
Der größte Wunsch der Digitalisierer
Ihr Zusammenkommen mit dem Minister nutzten die Digitalisierer, um ihren größten Wunsch vorzutragen: die Erstattung ihrer Leistung durch die Krankenkassen. Auch die Barmer-Medizinerin berichtete, dass es teilweise sehr schwierig sei, einen passenden Paragrafen im SGB V zu finden, der die Erstattung dieser Leistungen rechtfertigt. „Wir brauchen neue Vertragsgrundlagen“, sagte Marschall.
Wer nun erwartet hatte, dass Gröhe die Innovations-Unternehmen ausbremst, der hatte sich getäuscht. Der Minister bezeichnete die Digitalisierungs-Bewegung als eine „große Hoffnung“, mit der aber auch „große Ängste“ verbunden seien. Diese Ängste müsse man auflösen, indem man den Menschen anhand von konkreten Beispielen zeige, welche Fortschritte sich ergeben können. „Konkrete Geschichten verändern die Kultur“, sagte Gröhe.
„Digitale Lösungen ersetzen keinen Heilberufler“
Gleichzeitig zeigte der Minister aber auf, dass digitale Versorgungslösungen niemals den echten Heilberufler ersetzen könnten. „Wenn ich eine Behandlung von kurativ auf palliativ umstelle, dann muss der Patient das von einem Menschen erfahren.“ Gröhe stellt sich vor, dass sich das etablierte Gesundheitssystem und die Jungunternehmer auf halber Strecke treffen. „Sie müssen lernen, ihren Ideenreichtum mit den Prinzipien des Gesundheitssystems zu verbinden“, sagte er in Richtung Start-ups. „Und die starken, tradierten Partner, wie auch wir in der Politik, müssen einen Schritt auf die Start-ups zugehen.“
1 Kommentar
Digi-Mythen
von G. Wagner am 24.08.2017 um 18:52 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.