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Es gibt nur noch 19.880 Apotheken in Deutschland und der Trend zeigt weiter abwärts. Aber es gibt ja die Versender – oder ist das eine Ursache für immer weniger Apotheken? Angeblich nutzen schon zwei Drittel der Deutschen die Versandapotheken. Never! Jetzt wollen die ausländischen Versender an die Rezepte ran und werfen mit Boni und Rabatten um sich. Und ein GKV-Funktionär beschwört alte Fremd- und Mehrbesitz-Mantras und sieht darin die Zukunft. Nochmal: never!
21. August 2017
Die Zahl der Apotheken in Deutschland rauscht weiter abwärts. In den letzten sieben Jahren haben im Durchschnitt jedes Jahr mehr als 200 Apotheken das Licht ausgemacht. Ende 2016 lag die Zahl mit 20.023 noch knapp über der 20.000er-Marke. Ende Juni 2017, nur ein halbes Jahr später, zählen wir nur noch 19.880 Apotheken in Deutschland. Und der Abwärtstrend hält an. Interessante Feststellung der ABDA: Zurzeit haben wir „so wenige Apotheken wie zuletzt ein Jahr vor dem Mauerfall“, 1988 habe es in den beiden deutschen Staaten zusammen 19.781 Apotheken gegeben.
Mein liebes Tagebuch, schaut man mal ganz scharf auf diese Statistik und betrachtet nur die Zahl der Hauptapotheken ohne die Filialen, dann stellt man sogar fest: Es gibt in Deutschland weniger als 15.400 Haupt- bzw. Einzelapotheken. Und das heißt auch: Es gibt nur noch 15.400 Apothekerinnen und Apotheker, die als selbstständige Apothekeninhaber(innen) arbeiten. Ja, das ist in der Tat schmerzlich, wie es auch der ABDA-Präsident ausdrückt. Immer weniger Freiberufliche, die Gemeinwohlpflichten wahrnehmen, die ihrer Apotheke ein eigenes Gesicht geben. Im Prinzip haben sich mit diesen Zahlen die Prognosen von Apothekenkritikern aus den 90er Jahren erfüllt, die sagten, wir werden schon bald nur noch 16.000 Apotheken haben. Da liegen wir mit Blick auf die Hauptapotheken schon drunter. Wer weiß, wie die Situation aussähe, gäbe es die Möglichkeit zur Filialisierung nicht. Und die Zahl der Filialen wächst, wir dürften mittlerweile knapp 4500 Filialapotheken haben. Noch ist es nicht so weit, aber: Nehmen die Apothekenzahlen weiter ab, könnte das die flächendeckende Versorgung in Bedrängnis bringen. Wobei natürlich selbst 19.000 oder 18.000 Apotheken für rund 82.000.000 Menschen durchaus ausreichend wären – wenn die Apotheken nur gleichmäßiger verteilt wären. Doch darin liegt ein großes Problem. Vielleicht muss sich die Politik schon bald steuernde Elemente einfallen lassen, um Apotheken aufs Land oder in abgelegene Winkel des Landes zu locken. Was die flächendeckende Versorgung betrifft: An dieser Stelle meldet sich doch gerne der Versandhandel, der dann auf seine Existenzberechtigung hinweist und großspurig kundtut, dass man ihn wegen der flächendeckenden Versorgung brauche. Mein liebes Tagebuch, man kann es auch anders betrachten: Vermutlich hätten viele Apotheken nicht schließen müssen, wenn es den Versandhandel nicht gäbe…
22. August 2017
Nutzen wirklich rund zwei Drittel der Deutschen die Versandapotheken? Solche Werte versucht jedenfalls der Versandapothekenverband der Öffentlichkeit weis zu machen. Grundlage dieser Zahlen soll die Studie einer US-Beratungsfirma sein, die wohl nur 200 Personen befragt hat. Mein liebes Tagebuch, zwei Drittel der Deutschen: Das wären ja rund 55 Mio. Menschen, die schon mal bei irgendeinem der Arzneiversender eingekauft hätten. Klingt irgendwie nicht überzeugend. Und repräsentativ ist die Umfrage eh nicht, wie der Versandapothekenverband sogar selbst einräumt. Tja, verlässliche Zahlen wird man da wohl kaum bekommen, vor allem, wenn solche Umfragen online stattfinden und Menschen befragt werden, die eh online-affin sind. Also, was soll dieses Geklappere mit Fantasie- und Wunschzahlen. Wie wär’s denn mal mit dieser Zahl: Nahezu jeder Deutsche hat schon mal in einer Vor-Ort-Apotheke eingekauft.
Der Bottroper Apotheker und der Zyto-Skandal – es war abzusehen, dass in diesem Bundesland ein Weiter-so wie bisher nicht möglich sein wird. Nordrhein-Westfalens neuer Gesundheitsminister Laumann musste handeln. Und er hat gehandelt: Neuordnung der Apothekenüberwachung in NRW. Die Kreise und kreisfreien Städte, zuständig für die Überwachung, haben einen Erlass des Ministers auf den Tisch bekommen: intensivere Überwachung, heißt die Parole, mit unangemeldeten Inspektionen, Personalkontrollen und Kontrolle der Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung. Wobei die Behörden in jedem Einzelfall prüfen, was aufgrund ihrer Erfahrung und von Informationen notwendig erscheint. Mein liebes Tagebuch, ob das dazu beiträgt, Machenschaften wie in Bottrop geschehen zu verhindern? Man kann sich natürlich auch fragen, ob die Kontrollen bisher so sporadisch oder selten waren, dass so etwas nicht auffiel. Und würde in Zukunft mit den verschärften Kontrollen eine Apotheke wie die des Bottroper Apothekers auffallen?
23. August 2017
Überraschend ist diese Meldung nicht: DocMorris wächst „beschleunigt“ bei Rx. Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil, das die Rx-Preise für ausländische Unternehmen freigegeben hat, die Voraussetzungen dafür geschaffen und dies den Versendern auf dem Silbertablett präsentiert. Kein Wunder, wenn ausländische Versender wie DocMorris nun kräftig zulangen und fürs Einschicken von Rezepten trommeln: Gutscheine und Rabatte aller Art, Kennenlern-Gutscheine und Boni bis zu 15 Euro pro Rezept. DocMorris, eine Tochter des Schweizer Unternehmens Zur Rose, trägt maßgeblich zum Umsatzplus dieses Konzerns bei, heißt es. Im ersten Halbjahr steigerte Zur Rose seine Gesamterlöse insgesamt um 7,2 Prozent und machte so rund 410 Mio. Euro Umsatz, teilte das börsennotierte Unternehmen mit. Der überwiegende Teil des Geschäfts wird zwar noch immer mit OTC-Arzneimitteln gemacht, aber bei Rx-Arzneimitteln legte man kräftig zu. Im ersten Quartal 2017 hatte DocMorris erstmals seit 2012 den Rx-Umsatz steigern können, nämlich um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, tönt es aus der Schweiz. Und klar, man geht davon aus, dass das so weiter geht. Und wenn die SPD auch weiterhin blockiert und kein Rx-Versandverbot kommt, dann, mein liebes Tagebuch, könnte es in der Tat so weiterlaufen. Allerdings, schwarze Zahlen schreibt Zur Rose deswegen noch lange nicht: viele Aufwendungen, der Börsengang und eine deutsche Versandapo soll übernommen werden. Und auf alle Fälle: Die deutschen Vor-Ort-Apotheken werden kräftig dagegen halten, sich reinhängen, was das Zeug hergibt, mit Beratung von Mensch zu Mensch, mit Kompetenz und Empathie. Da werden Zur Rose und DocMorris-Zahlen auch weiterhin tiefrot bleiben.
24. August 2017
Sie ist voll und ganz auf der Seite der Apotheker: Kathrin Vogler, Gesundheitspolitikerin der Linken. Kaum eine andere Gesundheitspolitikerin zeigt so viel Verständnis für die Apotheker wie sie. Im DAZ-Interview wünscht sie sich eine neue Initiative für ein Rx-Versandverbot. Sie macht deutlich, dass der Versandhandel wirklich kritisch zu sehen ist. Und Arzneiautomaten wie in Hüffenhardt sind nach ihrer Auffassung gleich gar keine Lösung. Sie schätzt die Apotheke vor Ort und würde die Apotheken gerne in Präventionsaufgaben einbinden. Den Versandhandel als Konzept für Digitalisierung und Innovation darzustellen, das ist für sie ein „absoluter Bullshit“. Und Versendern wie DocMorris und anderen gehe es doch letztlich nur darum, Investitionsmöglichkeiten für Kapitalbesitzer zu schaffen und den deutschen Apothekenmarkt zu deregulieren. Mein liebes Tagebuch, das geht doch runter wie Milch und Honig, sie hat die Apothekerseele verstanden. So weit so gut – wenn da nicht Sahra und Oskar wären und Katja und Bernd und die gesamte Ideologie, die vermutlich nicht mit jeder Apothekerseele kompatibel ist...
Nicht nur DocMorris rüstet auf und wirft mit Rabatten um sich. Auch der andere große Versender an der niederländisch-deutschen Grenze, die Europa Apotheek Venlo (EAV), klappert was das Zeug hält. Da fiel mir ein Flyer in die Hände, der zurzeit von der EAV verteilt wird: Mit verlockenden Sprüchen wie „Bis zu 30 Euro Sofort-Bonus mit Ihrem Rezept“ geht die EAV auf Rezept- und Kundenfang. Im Kleingedruckten erfährt man dann, dass es diese 30 Euro nur gibt, wenn das Arzneimittel über 300 Euro kostet und davon drei auf dem Rezept stehen. Echte Bauernfängerei, also. Aber für so manch einen Kunden, der sich nicht durch die fünf kleingedruckten Bedingungen quälen will, kann dies verlockend sein. Außerdem gibt’s 5 Euro Neukundenrabatt (Mindestbestellwert 35 Euro). Und überhaupt: Bestellungen mit Rezept sind immer versandkostenfrei und ohne Rezept ab 29 Euro Gesamtwert. Mein liebes Tagebuch, wirkt alles irgendwie dekadent und billig, Geldverdienen mit Arzneimittel auf Rezept. Und Gesundheitspolitiker von SPD und den Grünen klatschen Beifall. Und wie schamlos der freie Warenverkehr in der EU ausgenützt wird zeigt die Postanschrift der EAV: Europa Apotheek, 41259 Mönchengladbach.
25. August 2017
Er klingt wie ein Ewig-Gestriger, der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, wenn er im DAZ.online-Interview über Apotheken spricht. Aus seiner Sicht gehört das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken aufgehoben – von diesem Mantra kommt er einfach nicht los. Und das schon seit Jahren. Bei jeder Gelegenheit und bei jedem Anlass kommt das ganz tief aus ihm heraus, mein liebes Tagebuch, wir sollten ihm eine tibetanische Gebetsmühle schenken. Für den GKV-Funktionär steht fest, dass Fremd- und Mehrbesitzverbot den Wettbewerb behindern. Wie die Versorgung der Zukunft aussehen kann, weiß er zwar auch nicht, aber er glaubt, dass sich das im Wettbewerb entscheiden sollte. Und ja, die Apotheke vor Ort sollte es natürlich daneben auch noch geben. Mein liebes Tagebuch, richtig putzig, diese Vorstellungen des GKV-Managers. Das ist so, als könnte man ständig schlemmen und nicht dick werden. Herr Stackelberg, die Zeit dreht sich weiter und wenn Sie in Länder schauen, in denen es Apothekenketten gibt, und mal genau hinsehen, dann werden Sie feststellen, dass Fremd- und Mehrbesitz für Patienten null Vorteile gebracht haben, dass die Versorgung nicht besser wurde und auch Versicherer nicht unbedingt profitierten. Patienten schätzen unser heutiges Apothekensystem, sie lieben ihre Apotheke – und Wettbewerb gibt’s mehr als genug. Interessant ist auch Stackelbergs Argumentationskette zum EuGH-Urteil und DocMorris: Der Versender kann deswegen nicht vom Rahmenvertrag ausgeschlossen werden, weil man nicht ausschließen könne, was der EuGH ausdrücklich erlaubt habe – mein liebes Tagebuch, man kann sich alles schönreden, gell. So richtig verstaubt klingen die Antworten, wenn’s um mögliche bezahlte Präventionsleistungen aus der Apotheke geht – davon will der GKV-Funktionär überhaupt nichts wissen. Dass Apotheken in Zukunft eine aktive Rolle spielen und Prävention in der Bevölkerung vorantreiben könnten, passt nicht in seine Vorstellungswelt. Und auf die Frage, ob Apotheken impfen sollten, antwortet er artig im Ärztejargon und droht mit der Arzneimittelabgabe durch Ärzte. Mein liebes Tagebuch, das ist der Sound vergangener Tage, moderne zukunftsweisende Ansichten klingen anders.
10 Kommentare
Span bei Twitter:
von Karl Friedrich Müller am 28.08.2017 um 21:28 Uhr
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denn sie wissen nicht, wovon sie reden
von Karl Friedrich Müller am 28.08.2017 um 9:46 Uhr
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Selber schuld ???
von Reinhard Rodiger am 27.08.2017 um 14:50 Uhr
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AW: Selber schuld?
von Ulrich Ströh am 27.08.2017 um 16:16 Uhr
Gemeinsam sind wir Quark
von Bernd Jas am 27.08.2017 um 10:46 Uhr
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Selber schuld?
von Ulrich Ströh am 27.08.2017 um 10:25 Uhr
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AW: Nichts härteres?
von Bernd Jas am 27.08.2017 um 11:17 Uhr
AW: Selber schuld: Schon, aber ein bisschen anders .......
von Wolfgang Müller am 27.08.2017 um 12:54 Uhr
AW: Selber schuld
von Anita Peter am 27.08.2017 um 13:05 Uhr
AW: Selber schuld
von Bernd Jas am 27.08.2017 um 14:16 Uhr
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