Bayer will Indikationserweiterung

Xarelto bald auch bei koronarer Herzkrankheit?

Berlin / Stuttgart - 28.08.2017, 07:00 Uhr

Bayer kann sich über eine erfolgreiche Studie mit seinem Blockbuster Xarelto in der Dosierung 2,5 mg freuen. (Foto: Bayer)

Bayer kann sich über eine erfolgreiche Studie mit seinem Blockbuster Xarelto in der Dosierung 2,5 mg freuen. (Foto: Bayer)


Bayers Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban (Xarelto®) konnte in Kombination mit ASS in einer groß angelegten klinischen Studie das Risiko von Schlaganfällen und Herzinfarkten bei Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit deutlich besser senken als ASS alleine. Das teilte Bayer am gestrigen Sonntag mit. Das Unternehmen will noch in diesem Jahr einen Zulassungsantrag in dieser Indikation stellen. 

An der sogenannten COMPASS-Studie nahmen knapp 27.400 Patienten in mehr als 60 Ländern teil. Laut Bayer ist die randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie die bisher die größte klinische Studie mit Rivaroxaban (Xarelto®). Der Faktor-Xa-Inhibitor konnte in der vaskulären Dosierung von 2,5 mg zweimal täglich in Kombination mit einmal täglich 100 mg Aspirin das relative Risiko für Schlaganfälle, kardiovaskuläre Todesfälle und Herzinfarkte bei Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit um 24 Prozent senken.

In der Studie wurde dieser kombinierte Behandlungsansatz verglichen mit der einmal täglichen Gabe von 100 mg Aspirin. Der Vorteil der Behandlung mit der Kombination aus zweimal täglich 2,5 mg Rivaroxaban und einmal täglich 100 mg Aspirin hinsichtlich des kombinierten Endpunktes - schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse - wurde vor allem erreicht durch ein um 42 Prozent verringertes Risiko für Schlaganfälle und ein um 22 Prozent verringertes Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle; beide Ergebnisse sind statistisch signifikant. Auch das Risiko für Herzinfarkte war um 14 Prozent vermindert, jedoch erreichte diese Reduktion keine statistische Signifikanz. Der neue Behandlungsansatz einer Kombination aus Rivaroxaban und Aspirin führte zu einem um 20 Prozent verbesserten klinischen Nettonutzen, bei dem die niedrigere Zahl von Schlaganfällen, kardiovaskulären Todesfällen und Herzinfarkten gegen schwerwiegende Blutungen abgewogen wird.

Hochrangig publiziert

Die Patienten wurden schon zuvor gemäß den Leitlinien gegen Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Diabetes behandelt. Zusätzlich wurde auch eine Dosierung von zweimal täglich 5 mg Rivaroxaban geprüft, aber der Unterschied hinsichtlich des primären Endpunktes erreichte bei diesem Behandlungsschema keine statistische Signifikanz. Die Studienergebnisse wurden in zwei „Hot Line“-Präsentationen auf dem ESC-Kongress 2017 vorgestellt, der vom 26. bis 30. August in Barcelona stattfindet. Zeitgleich wurden die Ergebnisse der COMPASS-Studie auch im New England Journal of Medicine publiziert. Rivaroxaban ist das einzige NOAK, das bisher bei Patienten mit stabiler/chronischer KHK oder pAVK zur Sekundärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen untersucht wurde.

Blutungsraten insgesamt niedrig

„Es ist die größte Studie, die Bayer je gemacht hat“, sagte Studienleiter Frank Misselwitz der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Sie umfasse dabei eine immer größer werdende, wichtige Patientenpopulation. Denn mit der zunehmenden Alterung in der Gesellschaft steigt auch die Zahl von Herz-Kreislauferkrankungen.

Die Blutungsraten waren insgesamt niedrig – laut Misselwitz „erfreulich gering“ – wenngleich schwere Blutungskomplikationen häufiger auftraten. „Sie waren jedoch deutlich geringer, als wir das zu Beginn der Studie angenommen haben.“ Tödliche Blutungen oder intrakranielle Blutungen waren nicht signifikant häufiger. 

Zulassungsantrag noch 2017

Bayer arbeitet nun an der Zulassungserweiterung. „Wir streben an, den Zulassungsantrag noch in diesem Jahr zu stellen", sagte Misselwitz. Bislang ist Xarelto® in der Dosierung von 2,5 mg zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse (kardiovaskuläre Sterblichkeit, Myokardinfarkt oder Schlaganfall) nach akutem Koronarsyndrom bei Patienten mit erhöhten kardialen Biomarkern in Kombination mit ASS alleine oder gemeinsam mit ASS plus Clopidogrel oder Ticlopidin zugelassen. Die höheren Doseirungen 10, 15 und 20 mg sind für verschiedene Indikationen im Bereich der venösen und arteriellen Thromboembolien zugelassen, zum Beispiel zur Prävention von Schlaganfällen unter anderem zur Prävention von Schlaganfällen bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren, zur Behandlung von tiefen Venenthrombosen, zur Prävention von venösen Thromboembolien bei erwachsenen Patienten nach elektiver Knie- oder Hüftgelenksersatzoperation.   

Milliarden-Umsätze erwartet

Analysten versprechen sich viel von der COMPASS-Studie. Im Vorfeld etwa hatten die Experten der schweizerischen Bank Credit Suisse die potenziellen Mehreinnahmen durch diese Indikation auf jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar allein für die USA geschätzt. Die Analysten der US-Großbank JPMorgan sehen ein zusätzliches Umsatzpotenzial von 0,7 bis 3,5 Milliarden Euro. Xarelto® ist bislang für sieben Indikationen und in 130 Ländern zugelassen.

Bayer entwickelt Rivaroxaban zusammen mit dem US-Partner Janssen Research, einer Tochter des US-Gesundheitskonzerns Johnson & Johnson  Bayer besitzt die Vermarktungsrechte außerhalb den USA. Der Faktor Xa-Inhibitor hat Bayer im vergangenen Jahr weltweit bereits fast 3 Milliarden Euro Umsatz in die Kassen gespült und ist damit das umsatzstärkste Arzneimittel. Der Konzern traut dem Mittel einen Spitzenumsatz von mehr als 5 Milliarden Euro im Jahr zu.

Klagen in den USA und Zweifel an Studie

In den USA sieht sich Bayer jedoch auch tausenden Patientenklagen gegenüber, die dem Medikament die Schädigung der Gesundheit vorwerfen. Bayer hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Eine erstes Urteil im Mai fiel zu Gunsten von Bayer und seinem Partner Janssen aus. 

Zudem wurden 2015 Zweifel an der Zulassungsstudie geäußert. In der Studie namens ROCKET-AF, die Rivaroxaban mit Warfarin verglichen hatte und 2011 im New England Journal of Medicine publiziert wurde, waren positive Ergebnisse für die Anwendung bei Vorhofflimmern berichtet worden. Doch im Dezember 2014 waren die für die Gerinnungstests verwendeten Messgeräte zurückgezogen worden, da sie falsche Messergebnisse lieferten. Das könnte Rivaroxaban bezüglich Blutungsrisiken sicherer machen, als es ist, so die Kritik. Doch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA, die den Fall geprüft hatte, gab Anfang 2016 Entwarnung. Sie habe keine Sicherheitsbedenken bei dem Blutverdünnungsmittel Rivaroxaban (Xarelto®) für Patienten mit Vorhofflimmern, hieß es aus London.  



dpa-afx / jb
redaktion@daz.online


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