Pseudo-Customer-Konzept

Hilfe zur Selbsthilfe für Apotheken oder einfach nur ein Testkauf?

Stuttgart - 30.08.2017, 10:15 Uhr

Der Pseudo-Customer bewertet das Beratungsgespräch und gibt der Apotheke Feedback. (Foto: ABDA)

Der Pseudo-Customer bewertet das Beratungsgespräch und gibt der Apotheke Feedback. (Foto: ABDA)


Ist ein Pseudo-Customer-Besuch eigentlich nichts anderes als ein Testkauf – durchgeführt und bewertet von der Standesorganisation statt von Herrn Glaeske? Laut ABDA ist das nicht der Fall. „Die Philosophie des Pseudo-Customer-Konzeptes steht im klaren Gegensatz zu Testkäufen“, heißt es auf der Website. Es gehe nämlich gerade nicht um Beurteilungen, sondern um Hilfe zur Selbsthilfe für Apotheken, die aktiv an der Verbesserung ihrer Beratungsqualität arbeiten wollen.

Das Pseudo-Customer-Konzept gibt es bereits seit dem Jahr 2004 in zahlreichen Apothekerkammern. Zuvor wurde es von der ABDA in Zusammenarbeit mit der Apothekerkammer Berlin in einem Pilot-Projekt erprobt. Entwickelt wurde es in Australien. Dabei gibt sich der Testkäufer, der sogenannte Pseudo-Customer, in der Apotheke als Kunde aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Beratungstests oder Testkäufen, über die immer wieder in Zeitung und Fernsehen berichtet wird, sind Pseudo-Customer jedoch Apotheker und zudem geschult. Sie folgen einem exakt vorgegebenen Leitfaden. Dabei wird entweder angegeben, unter bestimmen Symptomen zu leiden, oder der Wunsch nach einem konkreten Präparat geäußert. Anhand bestimmter Kriterien, die sich vor allem an den Leitlinien der Bundesapothekerkammer orientieren, bewertet der Pseudo-Customer die angebotene Beratung. Wird ihm übrigens kein Beratungsangebot gemacht, ist er angehalten nachzuhaken, ob denn bei der Einnahme des Arzneimittels nichts zu beachten sei. 

Wichtigster Teil: Feedbackgespräch

Im Anschluss wird das Gespräch dokumentiert. Hierzu gibt es einen standardisierten Fragebogen. Bewertet werden sowohl fachliche als auch kommunikative Aspekte. Außerdem erhält der Beratende unmittelbar danach Feedback – erst allein, später gemeinsam mit dem Apothekenleiter oder im Falle von PTA mit dem verantwortlichen Apotheker. Das Feedback beinhaltet zudem individuelles Coaching für den Beratenden bzw. die Apotheke. In dem Feedback-Gespräch erarbeiten Pseudo-Customer und Apotheke gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung der Beratungsqualität – ein weiterer Unterschied zwischen dem Pseudo-Customer-Konzept und „normalen“ Testkäufen. Außerdem erhält die Apotheke noch ein schriftliches Feedback. 

Wer erfährt das Ergebnis?

Dabei ist ganz wichtig: Die Apotheken bleiben anonym. Die Gesamtauswertung der Daten erfolgt durch den Geschäftsbereich Pharmazie der ABDA. Die jeweiligen Kammern erfahren zwar die regionalen Ergebnisse – aber anonymisiert. Sie können sie also den Apotheken nicht zuordnen. Zumal sie in der Regel gar nicht wissen, welche Apotheken besucht wurden. Es gibt nur wenige denkbare Szenarien, in denen Kammern die Anonymität aufheben. In Baden-Württemberg ist das zum Beispiel der Fall, wenn PKA im Handverkauf erwischt werden. Damit diese Anonymität gewährleistet ist, wird die Avoxa (früher WuV) von den Kammern mit der organisatorischen Umsetzung betraut. 

Zählt als Maßnahme zur externen Qualitätssicherung

Was die jeweiligen Kammern und auch die ABDA dabei immer wieder betonen: Es gehe weder um Kontrolle noch um Gängelung, auch wenn einzelne Apotheker das anders sehen. Weit über 90 Prozent sind jedoch zufrieden. Woher man das weiß? Nicht nur der Pseudo-Customer bewertet die Apotheke, sondern auch die Apotheke den Besuch des Pseudo-Customers. Ziel des Konzepts soll sein, sich kritisch mit der Qualität der Beratung in öffentlichen Apotheken auseinanderzusetzen, heißt es. Die Standesvertretung betrachtet das Pseudo-Customer-Konzept als Instrument zur Qualitätssicherung und -verbesserung im Apothekenalltag. Aus den erhobenen Daten können dann nämlich gezielte Schulungsmaßnahmen entwickelt werden.

Außerdem zählt ein Pseudo-Customer-Besuch ebenso wie die Rezepturringversuche als Maßnahme zur externen Qualitätsüberprüfung, an der Apotheken laut § 2a (2) ApBetrO regelmäßig teilnehmen sollten. Darüber hinaus gibt es auf Antrag acht Fortbildungspunkte der jeweiligen Kammer. Die kann der Apothekenleiter im Team je nach Beteiligung vergeben. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Pseudo-Customer in Baden-Württemberg

 „Jeder Patient hat Anspruch auf eine gute Beratung“

Pseudo Customer in Baden-Württemberg

Wann es berufsrechtlich brenzlig wird

Mystery Shopping, Pseudo-Customer-Besuche, Rezeptur-Überprüfungen

Kammern testen mehr Apotheken

LAK Baden-Württemberg intensiviert Pseudo-Customer-Besuche

2019: Beratungschecks in allen Apotheken

Delegiertenversammlung der Landesapothekerkammer Hessen

Testkäufe bleiben in Hessen freiwillig

Landesapothekerkammer Baden-Württemberg

Pseudo-Customer-Besuche werden verdoppelt

7 Kommentare

Pseudo Custermer

von Alexander Zeitler am 04.09.2017 um 0:25 Uhr

Ich hatte einen solchen Besuch. Und hab den wohl gut absolviert. Frage mich trotzdem immer wieder, was das Ganze soll? sollen wir vorgeführt werden? und zahlen auch noch dafür?
Wenn es jemand weiss, bitte mich auch wissen lassen.
Danke

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

berufsständische Strategiefrage

von Holger am 31.08.2017 um 8:36 Uhr

Die entscheidende Frage ist doch, ob wir qua Approbation automatisch von hoher Qualität jeder Beratung ausgehen dürfen, oder ob es bei uns Apothekern genauso eine Streuung von Top bis Flop gibt, wie in allen anderen Berufen und Branchen auch. Ich persönlich nehme letzteres an. Deswegen halte ich es für sinnvoll und notwendig, dass WIR SELBST über wirksame Instrumente nachdenken und entscheiden, wie wir nicht nur die durchschnittliche Kompetenz in Sachen Beratung anheben, sondern auch die echten Flops identifizieren und ABSTELLEN. Hierzu halte ich das Pseudo-Customer-Konzept für ausgesprochen geeignet und wir haben es auch noch selbst in der Hand.

Nichts in dieser Hinsicht zu tun, spielt hingegen nur Dritten in die Hände, die sich dann als Testkäufer und kritisch-investigative Journalisten (mit dem Bias: wenn das Ergebnis gut ist, berichtet keiner drüber) gerieren und uns erst so richtig in die Pfanne hauen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Heuchelei

von Reinhard Rodiger am 30.08.2017 um 23:36 Uhr

Wer bei seinen eigenen Leute hervorgehoben kontrolliert ,verliert die Option einer positiven Darstellung.Es ist eine Binsenweisheit,dass Kontrolle der Kompetenz stärker haften bleibt als positive Leistungen.Nichts gegen Selbstkontrolle,aber alles gegen das politisch missbrauchbare Kompetenzmisstrauen. Erfa-Gruppen erfüllen diesen Zweck diskret und ohne falsche Öffentlichkeit.Kammern brüsten sich jedoch mit "weniger Fehlleistungen" oder ähnlichem.Dies führt NIE zu positiver Erinnerung.Es unterdrückt.Und das ist wohl der Hauptzweck.Mit "sie sind noch nicht soweit" ist alles verloren,bevor es richtig angefangen hat.
Und wer badet das aus ??

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Testkäufe ??

von Heiko Barz am 30.08.2017 um 19:13 Uhr

Natürlich kann man die Deutsche APOTHEKE immer und immer wieder testieren, aber ehrlich, haben wir derzeit nicht wichtigere Problemstellungen, an denen wir unsere Kräfte abarbeiten könnten?

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: "PKA im Handverkauf erwischt"... Ja, macht den ehrwürdigen Beruf doch gleich noch endgültig kaputt!

von Anonymus Pharmazeuticus am 30.08.2017 um 21:40 Uhr

Ja, diese Formulierung liebt die LAK-BW geradezu, man liest sie mehrmals jährlich: "Die PKA wurde im Handverkauf erwischt". Ich arbeite in einer baden-württembergischen Apotheke, deshalb ist dieser Beitrag anonymisiert, möge mir die Nette Kette vergeben.

Es stellt sich schon zuallererst die Frage: Wer erwischt hier? Es handelt sich nämlich nicht um einen Beamten, der zu einer Kontrolle ermächtigt wäre, ja es ist, soweit man hört, sehr selten pharmazeutisches Personal, das als Pseudocustomer eingesetzt wird. Das ist eine unerhörte Selbstermächtigung der Avoxa, die hier beauftragt wird.

Und dann die Formulierung der LAK-BW, da will mir jedes Mal die Galle hochkommen: "Die PKA wurde im Handverkauf erwischt". Das klingt so, als ob der Pseudokostümierte wie der Schinderhannes hinter den Gummibärchen-Drehaufstellern gelauert hat und die arme PKA grob im Nacken packt und sie mit Gebrüll durch die Offizin schleift, in die sie sich unvorsichtigerweise illegal hineingewagt hat.

Ich bin mit einigem einverstanden, was die LAK-BW so macht. Aber hier bin ich völlig konträr dazu.

Selbstverständlich ist eine PKA im Handverkauf tätig. Das weiß die LAK-BW auch, sie preist es ja sogar jungen Schülern an: O-Ton auf www.lak-bw.de, Stand 30.08.17 um 21:12 Uhr über das Berufsbild der PKA: "Kundenbetreuung: Verkauf und Information von z. B. Kosmetika, Diätkost, Babyprodukten, Verbandstoffen und Krankenpflegeartikeln..." (https://www.lak-bw.de/aus-fort-weiterbildung/ausbildung/pka/uebersicht.html)
Das ganze ist ungeheuerlich! Wo sonst als im Handverkauf soll die PKA das bitteschön machen? Auf Bambazon oder als MockDorris-PKA etwa? Das ist doch alles Bullshit!

Mittlerweile schreibt die selbe LAK ja auch fast flehentlich an die Apotheken im Ländle, sie mögen doch weiter PKA ausbilden oder wieder damit anfangen. Warum sollte irgendjemand diesen Beruf noch ergreifen? Eine Arzthelferin darf sogar (in vielen Praxen, wenn es der Doc so gestattet), Impfungen spritzen! Wir dagegen, vor allem die verkammerten Berufsvertretungen, haben diesen Ausbildungsberuf über Jahrzehnte, so scheints (vielleicht tue ich einzelnen Personen damit Unrecht, verzeiht bitte) nicht besonders weiterentwickelt. Wie haben ihn vernachlässigt, teils schlechtgeredet (völlig blödsinnigerweise und komplett irrsinnig im Übrigen), wir haben es schleifen lassen, und wir haben den PKA-Beruf und die PKAs so richtig gepflegt hängengelassen. Damit haben wir ihn zuschandengeritten! Vermutlich unrettbar. Ein weiterer Sargnagel für unseren freien Heilberufs-Stand.
Was kann eine gute PKA alles leisten. Wie abwertend aber ist eine Formulierung wie "...wurde erwischt..." - Worte lösen im Gehirn des Menschen etwas aus, und diese Worte lösen bei mir rotgleißende Wut auf den Urheber dieser miesen Phrase aus, und mögen sie nur im Unbedacht so einstmals formuliert worden sein.

Immer, wenn ich den Satz "PKA im Handverkauf erwischt" lese, wird mir dieses bewusst: Die PKA scheint von der Berufsvertretung geringgeschätzt zu werden. Und jedesmal kommt mir Klaus Kinski (Video auf youtube, ca 1:15: https://www.youtube.com/watch?v=DesT1Jxp0xs ) in den Sinn, wenn ich mir vorstelle, was ich mit dem Urheber und den Weitererzählern dieses Satzes am liebsten machen wollte: "Er hat eine Peitsche genommen und hat ihm in die Fresse gehauen! Das hat er gemacht."

AW: Testkäufe

von Stefan Haydn am 31.08.2017 um 15:20 Uhr

Das mit der Geringschätzung der PKA kann ich bestätigen. Wie oft mußte ich schon von Kollegen hören, die braucht doch keiner mehr, dank Automat. Verkaufen darf die ja eh nichts.
Das zeigt nur wie wenig Ahnung die Apotheker selber von diesem Berufsfeld haben und auf welche Arbeitsentlastung sie freiwillig verzichten.

Na ja, jedem das seine. Ist nur Schade um diesen Beruf.

Schul-Arbeiten

von Wolfgang Müller am 30.08.2017 um 12:50 Uhr

Egal, wie erfreulich und konstruktiv das im Einzelnen auch sein mag. Egal, ob für "Beratung" oder "Fake-Rezepturen". Für den Fall, dass die betroffene Apotheke es nicht selber bestellt hat, und es also unaufgefordert als hoheitlicher Kontrollbesuch kommt:

Dann wird es frühestens in dem Moment unter Erwachsenen diskutabel werden, wo die Ärztekammer Pseudo-Patienten und die Rechtsanwaltskammern Pseudo-Mandanten losschicken. Weil ein übergeordnetes Gesetz ALLE freien Berufe vielleicht in ferner Zukunft mal dazu zwingt.

Bis dahin bleibt es ein weiterer Beweis "unserer" unsäglichen, unerwachsenen PSEUDO-QM-Beflissenheit und PSEUDO-Engagiertheit mit vollkommen falschen Akzenten und Schwerpunkten. Immer mehr GrundschullehrerInnen-haft gegen die eigenen Leute.

Ein großes Lob diesbezüglich allen Kammern - wohl auch immer noch meiner eigenen - die sich dem entziehen, und es höchsten und selbstverständlich nur auf freiwilliger Basis anbieten.

"You´re not in School, you´re in Business." Das hat ein alter, weiser amerikanischer Manager in meiner Gegenwart mal gesagt, nachdem er vollkommen zu Recht entsetzt über die damaligen, äußerst kindischen Zustände in der von ihm übernommenen Firma war. Mal darüber nachdenken, Apothekers.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.