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Rezeptur oder Fertigarzneimittel?
Kapselherstellung durch Apotheken in Gefahr?
Wirkstoffportionierung und Kapselabfüllung reicht nicht fürs Privileg
Das Gericht folgte weitgehend der Argumentation der Klägerin, dass es sich bei den Kapseln um Fertigarzneimittel handele. Nur in einem – nicht entscheidenden, aber auch nicht uninteressanten – Punkt, widersprach es Santhera: Das Unternehmen hatte auf den Orphan-Drug-Status und die damit einhergehende zehnjährige Marktexklusivität verwiesen. Doch das Landgericht erklärt dazu, dass der Status lediglich dazu führe, dass die Zulassungsbehörden während dieser zehn Jahre keine weitere Zulassung für ein ähnliches Arzneimittel in der gleichen Indikation erteilen dürften. Das zulassungsfreie Inverkehrbringen von Rezeptur- oder Defekturarzneimittel beschränke er jedoch nicht. Das Hamburger Gericht geht aber letztlich doch davon aus, dass der Apotheker keine Rezepturen herstellt, sondern Fertigarzneimittel, für die es einer Zulassung bedürfe. Damit stehe Santhera ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen den Apotheker zu. Das Gericht beruft sich zur Begründung auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs: Das Atemtest-Urteil, in dem es um 13C-Harnstoff ging, und das Urteil des 1. Strafsenats im Fall Gemzar. Im Kern vertritt der Bundesgerichtshof in diesen Entscheidungen die Auffassung, dass ein Rezepturarzneimittel nur dann vorliegt, wenn wesentliche Arbeitsschritte in der Apotheke erfolgen. Lediglich Bulkware zu dosieren und in Kapseln abzufüllen oder ein Zytostatikum mit Kochsalzlösung zu mischen und anwendungsbereit zu machen, sei keine Rezeptur.
Diese Aussagen übertrug das Landgericht auf den vorliegenden Fall. „Das bloße Portionieren eines Wirkstoffs stellt keinen materiellen Schritt des Herstellens eines Arzneimittels dar“, heißt es im Urteil. Die dosisgenaue Abmessung und Portionierung der erforderlichen Menge sowie das Abfüllen in Kapseln durch den Apotheker habe im Verhältnis zur Herstellung des Wirkstoffs nur eine untergeordnete Bedeutung. Der Wirkstoff könne auch einfach in Joghurt gemischt werden oder sublingual verabreicht werden, ist im Urteil zu lesen. Durch die Verkapselung werde er also nicht erst anwendungsfähig, sondern nur in seiner Anwendbarkeit verbessert.
Somit sei der beklagte Apotheker nicht von der Zulassungspflicht befreit gewesen – und die Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel ist unzulässig. Auch habe er unzulässigerweise für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel geworben. Denn Idebenon sei auch schon vor der Aufnahme in die Arzneimittelverschreibungsverordnung verschreibungspflichtig gewesen. Es handele sich nämlich um einen Stoff „mit in der Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen“ (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG) – und dürfe damit nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden.
Da der Apotheker laut Gericht zumindest fahrlässig gehandelt habe, stehe der Klägerin auch ein Schadensersatzanspruch zu, so das Gericht.
Das letzte Wort ist allerdings nicht gesprochen. Die beiden Urteile werfen zahlreiche Fragen auf. Schließlich wird das Rezepturprivileg durch sie massiv erschüttert. Fraglich ist unter anderem die These des Gerichts, man könne Idebenon-Pulver auch einfach in Joghurt mischen oder unter die Zunge legen. So heißt es in der Packungsbeilage von Raxone: „Schlucken Sie die Filmtabletten im Ganzen mit Wasser; sie dürfen nicht zerteilt oder gekaut werden”. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Der Apotheker hat bereits Berufung eingelegt.
Landgericht
Hamburg, Urteile vom 10. August 2017, Az.: 327 O 206/16 und 327 O 389/16
3 Kommentare
Kapselrezepturen obsolet?
von Andreas Grünebaum am 27.09.2017 um 16:54 Uhr
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Rezeptur soll weg
von norbert brand am 26.09.2017 um 8:06 Uhr
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Ohne die Details zu kennen...
von Andreas P. Schenkel am 25.09.2017 um 19:48 Uhr
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