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BAH-Diskussionsrunde zur Selbstmedikation
„Der Apotheker ist unverzichtbar“
Selbstmedikation weiterentwickeln und stärken – das ist eines der großen Anliegen des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller. Doch wie sollte dies im Interesse der Patienten geschehen? Beispielsweise dadurch, dass Apotheker für ihre Beratung bezahlt werden – und damit auch für das Abraten von einem Medikament, findet der Direktor des Instituts für Hausarztmedizin, Professor Klaus Weckbecker. Professor Gerd Glaeske kann dem nur beipflichten.
Für den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) gehört die Selbstmedikation zu einem der großen Themen. Hier ist man überzeugt: Selbstmedikation individuell, gesellschaftlich und politisch weiterzuentwickeln und nachhaltig zu stärken bringt Mehrwert – sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Und so stand die Perspektive „Selbstmedikation 2025“ am heutigen Donnerstag im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde beim „BAH im Dialog“.
Stefan Meyer von der Bayer Vital AG und BAH-Vorstandsmitglied verwies zur Einführung auf eine der Empfehlungen, die die G20-Staaten dieses Jahr in Hamburg zum Gesundheitswesen beschlossen haben: Die Staaten sollen ihre Bürger zu „self-care“ und „health literacy“ ermutigen – zu Selbstmedikation und Gesundheitskompetenz. Das ist ganz im Sinne des BAH, wo man überzeugt ist, dass die Selbstmedikation in Zeiten des Kostendrucks und der großen gesellschaftlichen Trends (zum Beispiel Individualisierung, Urbanisierung, Digitalisierung, Alterung) weiter an Bedeutung gewinnen wird. Schon jetzt, so Meyer, führe jeder zweite Kundenkontakt in der Apotheke zur Abgabe eines Arzneimittels für die Selbstmedikation.
Viele Informationen unterschiedlicher Qualität
Und um die Selbstmedikation weiterzuentwickeln, bedarf es einer gestärkten Gesundheitskompetenz. Denn eines ist klar: An Informationen rund um die Gesundheit mangelt es in Zeiten von Dr. Google nicht. Aber: Neben guten und richtigen gibt es auch viele falsche Informationen – und diese zu unterscheiden, ist nicht für jeden Bürger einfach. Vergangenes Jahr publizierte die AOK eine Studie der Universität Bielefeld, die besagt, dass sich mehr als die Hälfte der Deutschen von der Informationsflut zu Gesundheitsthemen überfordert fühlt. Die Industrie würde daher auch selbst gerne über ihre Arzneimittel informieren. Doch daran hindert sie das Heilmittelwerberecht, das für Patientenschutz sorgen soll. Nicht zuletzt deshalb setzen die Unternehmen auf eine gute Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern. Sie sind es, die Patienten wirklich kompetent beraten können. Apotheken bieten zudem einen besonders niedrigschwelligen Zugang. Überdies betonte Meyer die Bedeutung von Arzneimittel-Marken, die Patienten Orientierung böten, stünden sie doch für Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit.
Die Apotheker sind gefordert
In der Diskussionsrunde konnte der Bremer Versorgungsforscher Professor Gerd Glaeske die Ideen aus dem BAH nicht sämtlich unterschreiben. Grundsätzlich findet aber auch er die Selbstmedikation – dazu zählt er auch den Wadenwickel – richtig und wichtig. Dabei seien die Apotheker als Ratgeber „unverzichtbar“. Kritisch sieht Glaeske jedoch den Wunsch, Arzneimittelmarken zu stärken. In Apotheken-Testkäufen habe sich gezeigt, dass ein Patient, der nach einer Marke fragt, schlechter beraten wird, als wenn er sein Krankheitsbild schildert. Die Frage nach der Marke verstehe der Apotheker so, als kenne der Kunde das Produkt und brauche keine Beratung. Auch von einer vermehrten Information durch die Hersteller hält Glaeske nichts: Er verwies auf ein neues Buch der Stiftung Warentest zur Selbstmedikation, das im Oktober erscheinen wird. In diesem würden 29 Prozent der viel verkauften Selbstmedikations-Arzneimittel abgewertet. Nichtsdestotrotz: Informationen bräuchten die Bürger, um ihre Gesundheitskompetenz zu stärken – da stimmt er dem BAH zu. Aber diese sollten möglichst wissenschaftlicher Art sein.
Lieber weniger als mehr Arzneimittel
Der Mediziner Professor Klaus Weckbecker, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin an der Universität Bonn, verwies darauf, dass auch rezeptfreie Arzneimittel nicht immer unproblematisch sind. Zudem sei das Problem eher, dass die Menschen, vor allem ältere, zu viele, statt zu wenige Arzneimittel einnehmen. Dies könne durch die Selbstmedikation noch verstärkt werden – dabei müsse es eigentlich das Ziel sein, die Zahl der Arzneimittel zu reduzieren. Doch er habe die Erfahrung gemacht, dass Patienten mit leichten Erkrankungen oft in die Apotheke gingen und dann mit mehreren Arzneimitteln herauskommen. „Viele Apotheken machen das, aber nicht alle“, schränkte Weckbecker ein.
Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands und Apothekeninhaber in Weimar, erklärte, er selbst habe in seinem Apothekerleben rund 130.000 OTC-Präparate abgegeben. Er betonte, dass die Apotheker gerade in der Selbstmedikation ihr Bestes geben, gut – und so weit möglich: evidenzbasiert – zu beraten. Sie könnten Hausmittel empfehlen, ein rezeptfreies Arzneimittel anbieten oder den Patienten zum Arzt schicken. Hier nähmen die Apotheken eine wichtige Rolle ein. Weckbecker gab allerdings zu bedenken: „Welches Interesse hat denn ein Apotheker in der jetzigen Systematik, ein Arzneimittel nicht zu verkaufen?“.
Einmal Gesundheitsminister sein...
In der Schlussrunde, in der sich die Diskussionsteilnehmer einmal als neuer Gesundheitsminister fühlen sollten, war es denn auch der Arzt Weckbecker, der das Apothekenhonorar als einen der wichtigen Punkte für die neue Legislaturperiode hervorhob. Neben der Etablierung eines Primärarztsystems müsse eine Beratungshonorierung für Apotheker geschaffen werden, sagte er. Glaeske schloss sich dem an. Er hätte zudem gerne eine unabhängige Informations-Plattform für rezeptfreie Arzneimittel. Fink hatte die Honorarfrage hingegen zuvor nicht angesprochen: Er würde als Gesundheitsminister die Digitalisierung und ein e-Patientenfach vorantreiben wollen. Hier müssten alle RX, OTC und am besten auch Nahrungsergänzungsmittel eines Patienten gespeichert sein – und zwar so, dass der Patient sie nicht löschen kann. „Wir brauchen diese Informationen, sie können helfen Patienten vor Schaden zu bewahren“, sagte Fink. Die Apotheker wollten hier als verantwortungsvolle Heilberufler handeln.
Eine etwas andere Perspektive brachte Trendcoach und Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen ein: Um den Informations-Wildwuchs zu Arzneimitteln im Internet zu verhindern, ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, Online-Ärzte und -Apotheker einzuführen. Sie könnten die Lücke zwischen ungefilterteten Meinungen und Arzt und Apotheker vor Ort schließen.
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