Staatssekretärin Sonja Optendrenk

„Wir müssen mutiger sein, Regulierungen wieder abzubauen“

25.11.2024, 12:15 Uhr

Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke mit Dr. Sonja Optendrenk (CDU), Staatssekretärin im hessischen Gesundheitsministerium. (Foto: DAZ)

Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke mit Dr. Sonja Optendrenk (CDU), Staatssekretärin im hessischen Gesundheitsministerium. (Foto: DAZ)


Am vergangenen Mittwoch kam die hessische Landesapothekerkammer zu ihrer letzten Delegiertenversammlung in dieser Wahlperiode zusammen. Zu Gast war Dr. Sonja Optendrenk (CDU), Staatssekretärin im hessischen Gesundheitsministerium, die sich den Fragen der Delegierten stellte.

Hessen wählt derzeit eine neue Delegiertenversammlung. Dank großer Social-Media-Aktivitäten einzelner Listen kann oder muss die ganze Republik daran teilhaben. Unbeeindruckt davon traf sich die noch amtierende Delegiertenversammlung am vergangenen Mittwoch zu ihrer letzten Sitzung – von „Liste 7“, die anscheinend den Umsturz in Hessen plant, weil die Beteiligten mit der Kammerarbeit unzufrieden sind, war übrigens bei der berufsöffentlichen Sitzung niemand zugegen. 

Anwesend war hingegen auf Einladung der Kammerpräsidentin Ursula Funke Dr. Sonja Optendrenk (CDU), Staatssekretärin im hessischen Gesundheitsministerium. Sie machte gleich zu Beginn ihrer Ausführungen deutlich, dass man auch nach dem Aus der Ampel die Themen nicht ruhen lassen werde. Die Apotheke ohne Apotheker werde es mit der Union nicht geben. „Das werden wir nicht nochmal aufrufen“, betonte sie. Optendrenk sprach sich dafür aus, Menschen gemäß ihrer Qualifikation einzusetzen. PTA seien auch qualifiziert, aber nicht umsonst seien es verschiedene Ausbildungen. Man müsse natürlich über Weiterqualifizierung reden. In Zeiten des Fachkräftemangels müsse man alles nutzen, was irgendjemand kann.

Optendrenk kam auch auf das Thema Honorar zu sprechen. Die Ökonomin hatte 2004 als Mitarbeiterin im Bundesgesundheitsministerium an der Umgestaltung der Arzneimittelpreisverordnung mitgearbeitet. Seitdem sei aber nichts mehr passiert. „Wir müssen neue Wege der Anpassung gehen“, sagte sie. So müsse man fragen, ob es einen Dynamisierungsfaktor geben muss oder welche zusätzlichen Aufgaben übernommen werden können. Optendrenk machte aber auch deutlich, dass in ihren Augen zusätzliche Aufgaben zwingend einer zusätzlichen Vergütung bedürfen. „Das kann nicht immer nur unter dem Deckmäntelchen der Wertschätzung passieren“, sagte sie. Apotheken seien Anlaufstellen in der Fläche und man müsse prüfen, wie das ordentlich vergütet werde. „Der Beratungsbedarf hängt ja nicht vom Preis des Arzneimittels ab.“ Die Pauschalisierung ist in ihren Augen logisch, aber es gebe auch Beratungsbedarf unabhängig vom Kauf. Überdies gab sie zu bedenken, dass von einer Erhöhung des Fixums auch die Versender profitieren würden. In ihren Augen ist das ein weiterer Grund, über alternative Mechanismen nachzudenken. Möglicherweise brauche es eine ganz andere Systematik.

Optendrenk will Koalitionsvertrag mitgestalten

Optendrenk lud die Anwesenden ein, gemeinsam zu überlegen, was machbar und für die Versorgung nötig ist. Es sei eine Frage der Erwartungshaltung: Was sollen die Apotheken leisten und was müssen wir honorieren, damit wir Apotheken stabil in der Fläche haben? Optendrenk sieht einen Hoffnungsschimmer, die Honorierung neu zu gestalten. Denn die Landesebene dürfe beim Koalitionsvertrag der Bundesregierung mitreden.

„Wir tun uns schwer mit dem Schritt zurück“

Im Anschluss forderte sie die Delegierten auf, ihren Anliegen jenseits der großen Themen an sie heranzutragen. Dabei kam die Sprache unter anderem auf Überregulierung und unsinnige Bürokratie. „Es gibt Hemmungen, Regulierungen abzubauen, weil man die Folgen nicht abschätzen kann“, sagte Optendrenk. Sie habe bereits 2004 die Importförderklausel hinterfragt, passiert sei aber nichts. In ihren Augen braucht es mehr Mut, Regulierung abzubauen. Im Arzneimittelbereich gebe es unter anderem mit Rabattverträgen, Festbeträgen und Importklauseln so viele „Sparinstrumente“, dass niemand mehr sagen könne, wodurch was eingespart wird. 

Optendrenk spricht sich für einen Neustart aus. Es müsse analysiert werden, welche Idee hinter der Einführung einer bestimmten Maßnahme stand. So sei es bei den Rabattverträgen nicht nur um Einsparungen gegangen, sondern auch um Kontinuität in der Versorgung, weil es aufgrund der Aut-Idem-Regel zu häufigen Präparatewechseln gekommen sei. Mit den Rabattverträgen sollte gewährleistet werden, dass Patient*innen über einen langen Zeitraum immer das Präparat desselben Herstellers bekommen. „Diesen Effekt haben die Rabattverträge aber bekanntermaßen nicht“, so die Ökonomin. „Die Patienten bekommen gar nichts mehr, weil die Arzneimittel nicht lieferbar sind. Es muss also trotzdem ausgetauscht werden und das auch noch mit hohem Dokumentationsaufwand.“ Mechanismen, zu hinterfragen, ob Regulierungsziele erreicht wurden, seien in Deutschland aber nicht sehr ausgeprägt, sagte sie. „Wir tun uns schwer mit dem Schritt zurück. In den Niederlanden ist das anders. Die können sagen: ‚Blöd gelaufen. Weg damit.‘“

Kammer wünscht die Möglichkeit, samstags zu schließen

Funke brachte das Thema Flexibilisierung der Öffnungszeiten auf. Die Kammer hatte sich nach zähen Verhandlungen mit dem Ministerium zu einer neuen Notdienstregelung für die Möglichkeit eingesetzt, dass Apotheken am Samstag geschlossen bleiben könnten. Dies wurde abgelehnt. Die Kammerpräsidentin bat, dies nochmals zu überdenken. Die Versorgung werde dies nicht beeinflussen, da keiner, bei dem am Samstag viel los sei, seine Apotheke schließen werde. Optendrenk versprach, das Thema mitzunehmen, räumte aber ein, „hin- und hergerissen“ zu sein, weil eine Schließung am Samstag in ihren Augen dem Auftrag der Apotheke zuwiderlaufe.

Funke kritisierte überdies die langen Bearbeitungszeiten bei Approbationsanträgen, insbesondere bei der Berufsanerkennung ausländischer Kolleg*innen, „Da stehen oft Schicksale dahinter, weil der Aufenthaltstitel an der Anerkennung hängt“, sagte sie. Optendrenk führte dies auf den „katastrophalen Zustand“  zurück, in dem das Ministerium von der Vorgängerregierung übernommen wurde – in Hessen hat dieses Jahr eine große Koalition die bisherige schwarz-grüne abgelöst.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Regulierungen wieder abbauen…

von Roland Mückschel am 25.11.2024 um 16:03 Uhr

Gar Köstlich.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Warum ist denn seit 2004 bei der Honorierung nichts passiert?

von Uwe Hansmann am 25.11.2024 um 14:51 Uhr

Weil die geschätzte, fachlich versierte Frau Dr.Optendrenk, sich eben auch nicht dafür eingesetzt hat, daß der von Ihr selbst 2004 mit in den §78 AMG eingebaute Passus der Anpassung der Honorierung der Apotheken, umgesetzt wird.

Sie hat also den aktuellen Niedergang der Apothekenbetriebe in Deutschland durchaus mit zu verantworten.

Jetzt mit dem Slogan „Wir müssen neue Wege der Anpassung gehen“ aus dem Knick zu kommen, ist - mit Verlaub Frau Staatssekretärin - ein billiges Ablenkungsmanöver.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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