Impfstoff-Engpass

Repevax und Boostrix Polio: kontinuierlich da, bleiben aber knapp

Stuttgart - 06.10.2017, 13:46 Uhr

Sind Boostrix Polio und Repevax lieferbar, sind sie stets sofort vergriffen. (Foto: dpa)

Sind Boostrix Polio und Repevax lieferbar, sind sie stets sofort vergriffen. (Foto: dpa)


Neue Impfempfehlungen und eine weltweit gestiegene Nachfrage – das verbirgt sich offenbar hinter den andauernden Engpässen der Vierfach-Impfung gegen Diphterie, Tetanus, Pertussis und Polio. DAZ.online hat mit den beiden einzigen Herstellern dieser Impfstoffe, GSK und Sanofi, über Boostrix® Polio und Repevax® gesprochen. Wo klemmt´s noch? An Hunderten Produktions-und Kontrollschritten – für nur einen Pieks.

Impfstoffknappheit ist kein neues Problem bei der Arzneimittelversorgung in Deutschland. Offiziell bestätigt hat dieser Tage der Senat die bundesweit mangelhafte Versorgungssituation mit den Kombi-Impfstoffen gegen Tetanus, Diphterie, Pertussis und Polio. Anlass für diese Einschätzung des Senats war eine parlamentarische Anfrage der FDP gewesen.

Nur noch zwei pharmazeutische Unternehmer haben die Vierfach-Impfung gegen Tetanus, Diphterie, Polio und Pertussis im Sortiment. Doch sowohl Sanofi mit Repevax® als auch GSK mit Boostrix® Polio melden Lieferschwierigkeiten. DAZ.online hat bei den Impfstoffherstellern nach Ursachen für den Engpass gefragt und nebenbei erstaunliche Zahlen zur Impfstoffproduktion erfahren.

Änderung des Lieferstatus beim PEI sich lohnt nicht

Sanofi dementiert einen absoluten Mangel an Repevax®. „Repevax® ist kontinuierlich da, bleibt aber knapp“, erklärt Judith Kramer von Sanofi. Was bedeutet das? Die Sanofi-Sprecherin erklärt, Sanofi werde zwar regelmäßig mit Repevax® versorgt, jedoch sei die Nachfrage und die Vorbestellungen seitens Pharma-Großhändlern und Kliniken dermaßen enorm, dass die Impfstoffe direkt nach Eintreffen auch schon wieder vergriffen seien. Bei GSK sieht es hier ähnlich aus: Man erwarte Mitte Oktober eine Lieferung Boostrix® Polio, sagt Dr. Anke Helten von GlaxoSmithKline. „Wir gehen jedoch davon aus, dass die Ware aufgrund der hohen Nachholeffekte relativ schnell in die Lieferkette abverkauft sein wird, so dass wir voraussichtlich schnell wieder lieferunfähig sein werden.“

Sanofi lässt aus diesem Grund den Lieferstatus von Repevax® beim Paul-Ehrlich-Institut unverändert negativ.


Wir müssen Fabriken bauen.

Judith Kramer, Sanofi, zur Behebung des Impfstoff-Engpasses bei Repevax


Kein Ende des Impfstoff-Engpasses in Sicht

Seit Monaten ist die Liefersituation bei Boostrix® Polio und Repevax® angespannt. Wäre es nicht langsam Zeit, diesen Engpass zu meistern? Wo kneift es? Verantwortlich für die seit Monaten angespannte Liefersituation bei Repevax® macht Kramer die weltweit gestiegene Nachfrage nach dem Impfstoff. „Bei der Impfstoffherstellung sind wir auf Ernten angewiesen, wir können nicht einfach die Tablettenpresse anschmeißen“, erklärt Kramer. „Wir müssen Fabriken bauen“, sagt Kramer, um die gesteigerte Nachfrage langfristig zuverlässig bedienen zu können.

Impfung: drei Jahre Herstellung – am Ende ist es nur ein Pieks

Impfstoffproduktionen sind komplex und zeitintensiv. „Deswegen sind nur wenige Hersteller in der Lage“, sagt Helten von GSK. Wohl auch ein Grund, warum es bei den Impfstoff-herstellenden pharmazeutischen Unternehmern nicht gerade üppig aussieht. „Impfstoffe sind biotechnologische Produkte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei einzelnen Impfstoffkomponenten zu Verzögerungen im Produktionsprozess kommt und temporäre Lieferengpässe auftreten“, erklärt Helten weiter. Der Herstellungsprozess von Kombinationsimpfstoffen dauere zwölf bis 26 Monate, zur Sicherstellung der Qualität und Konsistenz des Endprodukts seien hunderte in-Prozess Kontrollen und Freigabe-Tests nötig.

Wie aufwendig die Impfstoffherstellung ist, untermauert auch Sanofi mit harten Zahlen anhand des Sechsfach-Impfstoffes Hexyon®. Bis eine Spritze mit dem Impfstoff Hexyon® im Po des Säuglings landet, braucht Sanofi neun Antigene, produziert an zehn Stätten mit 49 Herstellungsschritten und aus 141 Grundstoffen. Bis zum Pieks in den Gluteus maximus wurden 22 Analysenmethoden angewandt und insgesamt 1265 Kontrolluntersuchungen durchgeführt.


Die Herstellung eines Sechsfach-Impfstoffs dauert bis zu drei Jahre - und am Ende ist es nur ein Pieks.

Sanofi zur Hexyon-Produktion


Polio oder Pertussis? Wodurch kommt die hohe Nachfrage nach Impfstoff?

Die weltweit höhere Nachfrage führt Sanofi auf geänderte Empfehlungen einzelner Impfgesellschaften zurück. Auch ein global ansteigender Wohlstand trage dazu bei. So verlangten auch Länder mit weniger gut entwickelten Gesundheitssystemen wie China und Indien mittlerweile nach Impfstoffen, erklärt sie. Kritisch beim Vierfach-Impfstoff sei stets die Pertussis-Komponente.

GSK bestätigt einen erhöhten weltweiten Marktbedarf. Jedoch macht laut Boostrix Polio-Hersteller eher die Polio-Vakzine Ärger. „In vielen Ländern (Endemiegebiete, Afrika) wird seit September 2015 die leicht zu verabreichende und kostengünstige Schluckimpfung (OPV) durch den Totimpfstoff (IPV) ersetzt“. Dieses erkläre den hohen Bedarf an Polio-Totimpfstoff weltweit.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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