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Behandlung der Krätze
Wie groß ist das Problem mit dem Scabioral-Engpass?
Schon seit September
ist Scabioral® zur oralen Therapie
der Krätze nicht lieferbar. Wirkstoffgleiche Alternativen zum Ivermectin-haltigen Arzneimittel gibt es nur als Import. Der Hersteller begründet die Probleme mit
produktionsbedingten Schwierigkeiten und kündigt an, dass Scabioral® frühestens im Dezember verfügbar sei. Woran liegen die Lieferprobleme genau? Und ist die Krätze - so wie es in den Medien derzeit zu lesen ist - wirklich auf dem Vormarsch?
In Deutschland ist nur Scabioral® (Ivermectin) zur oralen Behandlung der Krätze zugelassenen. Schon seit Anfang September besteht jedoch ein Lieferproblem. Der Hersteller Infectopharm hat den Lieferengpass ans BfArM gemeldet. Infectopharm rechnet frühestens ab 1. Dezember 2017 damit, das in Deutschland zur oralen Behandlung der Scabies zugelassene Ivermectin-haltige Arzneimittel wieder liefern zu können.
Ist die Krätze auf dem Vormarsch?
Was ist der Grund für den Lieferengpass? Focus online titelte am Sonntag „Krätze ist auf dem Vormarsch – doch in Nordrhein-Westfalen fehlt es an Medikamenten“ und bezieht sich auf einen Artikel von RP online, der bereits am 20. Oktober 2017 erschienen war. Dort wird der Lieferengpass vor allem in Bezug auf Kinder als Problem geschildert, weil der Einsatz von Cremes bei Kindern oft nicht ausreiche. Auch bei schweren Formen der Scabies braucht man orales Ivermectin. Um das Ausmaß des Problems zu verdeutlichen, hatte die Redaktion der Rheinischen Post für ihren Bericht bei zehn Apotheken in Düsseldorf nachgefragt. Keine einzige habe das Präparat vorrätig gehabt oder hätte es bestellen können.
In den Medien entsteht der Eindruck, der Lieferengpass sei vor allem in NRW ein Problem. Doch beschränkt sich ein Lieferengpass nicht auf einzelne Bundesländer, sondern betrifft ganz Deutschland. Steckt tatsächlich eine Zunahme der Krätze-Zahlen hinter der Verknappung von Scabioral® in Deutschland? DAZ.online hat bei Infectopharm nachgefragt.
Infectopharm-Geschäftsführer Dr. Markus Rudolph erklärt, ein stetig steigendes Problem in Deutschland
sei die Krätze nicht. Vielmehr beobachte man im Laufe der Geschichte
immer wiederkehrende Scabies-Wellen in Deutschland. Die Fallzahlen der Scabies
lassen sich grundsätzlich schwer verfolgen, weil die Krätze per se nicht meldepflichtig ist. Nur Fälle in Gemeinschaftseinrichtungen müssen dem
Gesundheitsamt gemeldet werden.
Braucht Deutschland orales Ivermectin?
Wenn die Krätze also nicht „auf dem Vormarsch“ ist, was ist dann das Problem? Rudolph spricht von einer „Produktionsthematik“, an deren Lösung Infectopharm mit Hochdruck arbeite. Auf genauere Nachfrage erläutert er, dass Infectopharm generell nur in Deutschland und im europäischen Ausland produziert und dies auch die Produktionsstätte von Scabioral® einschließt.
Die Patientenversorgung sieht der pharmazeutische Unternehmer durch den produktionsbedingten Engpass von Scabioral® nicht gefährdet: Krätze-Patienten könnten weiterhin mit topischen Permethrin-Zubereitungen behandelt werden, diese seien das Mittel der ersten Wahl. Dass die Leitlinien-gerechte Behandlung aller Krätze-Patienten in Deutschland folglich sichergestellt sei, betont Rudolph gegenüber DAZ.online.
Ivermectin als Tablette gibt es in Deutschland erst seit dem 1. Mai 2016. Es wurde auf Drängen der Politik in einem beschleunigten Verfahren zugelassen. Im Herbst 2015 hatten Ausbrüche von Scabies in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen dazu geführt, dass das Bundesgesundheitsministerium für den Import oraler Ivermectin-Präparate eine Ausnahmegenehmigung erteilte. Man wich von der Einzelimport-Regelung ab, weil der Ausbruch mit der zur Verfügung stehenden topischen Therapie allein schwer einzudämmen war. Die beschleunigte Zulassung sollte der Wiederholung solcher Fälle vorbeugen.
Auch wenn es jetzt dennoch Probleme gibt, ein entsprechendes Präparat könnte im Notfall wieder importiert werden – Stromectol® zum Beispiel aus Frankreich. Ob es – jetzt wo es ein zugelassenes Präparat in Deutschland gibt – bezüglich der Erstattung von Importen nach § 73.3 AMG Probleme geben könnte, kann Infectopharm nicht einschätzen. Jedoch sei die Anwendung der oralen Therapie letztlich die Entscheidung des Arztes, die er auch vor der Krankenkasse begründen könne.
Ob es vielleicht bald europaweite Lieferprobleme geben könnte, lässt sich nicht abschätzen. Infectopharm nennt als Beispiel aber Österreich, wo kein orales Präparat zugelassen ist, sodass die Patienten aus dem Grenzgebiet bislang nach Deutschland kamen, um ihre Rezepte einzulösen.
Wer braucht eine orale Therapie bei Krätze?
Laut Leitlinie wird orales Ivermectin dann empfohlen, wenn Patienten auf eine Vorbehandlung mit Permethrin nicht angesprochen haben, aber auch bei immunsupprimierten Patienten und schweren Formen der Scabies (Scabies crustosa). Außerdem sollen Ivermectin-Tabletten auch angewendet werden, wenn eine Ganzkörperbehandlung mit Permethrin aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, beispielsweise wegen organisatorischer Schwierigkeiten in Sammmelunterkünften oder eventuell fehlendem Verständnis (zum Beispiel auch bei Kindern). Ohne eine gesicherte Diagnose stellt ein Pruritus allein aber auch in diesen Fällen noch keine Indikation dar.
Gerade bei Kindern sollte die systemische Therapie nicht leichtfertig eingesetzt werden. Das Problem ist die noch nicht ausgereifte Blut-Hirn-Schranke, die das Risiko für zentrale Nebenwirkungen erhöht. Kinder unter 15 kg Körpergewicht sollten laut Fachinformation nicht mit Ivermectin behandelt werden. Für Kinder unter sechs Jahren lassen sich die Tabletten zur Erleichterung der Einnahme auch zerkleinern. Die Dosierung von Scabioral® erfolgt nach Körpergewicht.
Sowohl für Erwachsene als auch Kinder ist also topisches Permethrin weiterhin die erste Wahl. Die Behandlung von Säuglingen (und Kleinkindern) sollte stationär erfolgen, um eine orale Aufnahme von Permethrin zu vermeiden.
12 Kommentare
Erfahrungen Scabioral
von Jörg am 12.01.2019 um 16:11 Uhr
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Ivermectin wirkt nicht ovozid
von Pittiplatsch am 15.12.2018 um 0:58 Uhr
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Scabioral
von Steffen am 16.05.2018 um 18:03 Uhr
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Hilfeeeeee
von Mike am 11.01.2018 um 19:14 Uhr
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Über Therapieversagen der Topika wird viel zu schnell gesprochen
von Apothekenpraxis 2.0 am 30.10.2017 um 15:15 Uhr
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AW: Über Therapieversagen der Topika wird
von ulinico am 12.11.2017 um 22:32 Uhr
AW: Über Therapieversagen der Topika wird viel zu schnell gesprochen
von Apothekenpraxis 2.0 am 13.11.2017 um 16:10 Uhr
@Myra Bezug aus Frankreich
von Dr. Arnulf Diesel am 30.10.2017 um 12:24 Uhr
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Es bringt niemanden etwas, das Problem klein zu reden
von uli1973 am 24.10.2017 um 23:11 Uhr
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AW: Es bringt niemanden etwas, das Problem
von Myra am 29.10.2017 um 12:12 Uhr
AW: Ivermectin wirkt nicht ovozid
von Jordans am 14.11.2017 um 8:39 Uhr
AW: Es bringt niemanden etwas, das Problem
von Pittiplatsch am 15.12.2018 um 3:14 Uhr
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