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Hammer! Wir Apothekers kriegen 1,7 Milliarden zu viel von der GKV – soll das Honorar-Gutachten berechnet haben. Diesen Quatsch kann man nicht ernst nehmen, meint die Linke Vogler. Was man ernst nehmen muss: Der Medikationsplan funktioniert nicht, sagt der Präsident. Und die Jamaika-Sondierer wissen noch nicht, ob es mit oder ohne Rx-Versandverbot geht. Aber wenigstens das ist klar: Keine Ofenkrusti aus der Apotheke fürs Rezepteinlösen. Mein liebes Tagebuch, Croissants sind uns sowieso lieber.
6. November 2017
2010 – waren das Zeiten, mein liebes Tagebuch! Da residierte die ABDA noch in einem feinen Palais und hatte einen Pressesprecher, Thomas Bellartz, der nebenbei noch an einer privaten Nachrichtenagentur beteiligt sein durfte. Dass da die eine oder andere Verbandsnachricht schon mal zuerst beim eigenen Unternehmen landete und erst verzögert den offiziellen Weg an die Medien nahm, was soll’s. Störgefühle hatte die ABDA dabei wohl nie. Immerhin, der Pressesprecher war präsent, man kannte ihn, er hatte ein gutes Netzwerk, das bis in die politischen Kreise reichte. Ist erstmal von Vorteil. Doch dann kam ein Vorwurf auf: Es soll einen Apotheken-Spion im Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegeben haben. Ein „Maulwurf“ – ein externer IT-Mitarbeiter – soll geheime, apothekenrelevante Dokumente aus dem Bundesgesundheitsministerium gegen Bezahlung an den Ex-ABDA-Pressesprecher weitergegeben haben. Es habe sich dabei um einen Arbeitsentwurf für eine neue Apothekenbetriebsordnung gehandelt, die damals im Entstehen war und die selbst der damalige Gesundheitsminister Rösler nicht gekannt habe. Der Entwurf war bei der privaten Bellartz-Agentur „apotheke adhoc“ aufgetaucht. Röslers Nachfolger Bahr war „stinksauer“ über diese mutmaßlichen Spionagevorgänge und stellte Strafanzeige und Strafantrag. Der Vorfall sorgte letztlich auch bei der ABDA für ein sanftes Beben, das letztlich dazu beitrug, dass der damalige ABDA-Präsident Wolf abtauchen konnte und sein Vize Friedemann Schmidt das Steuer übernahm. Maximale Transparenz forderte Schmidt bei der Aufklärung des Falls. Es wurde ein Sonderbericht über die Verbindungen der ABDA mit El Pato (die Inhaber der Kommunikationsagentur apotheke adhoc) veranlasst, der 2013 erschien und so einige Unregelmäßigkeiten zutage förderte und dazu führte, dass sich die ABDA Compliance-Regeln verordnete. Mein liebes Tagebuch, das bedeutet bei Unternehmen und Organisationen keine Therapietreue, sondern die Absicht, fortan Gesetze und Regeln einhalten zu wollen. Was den Spionagefall an sich betraf – da war erst mal Ruhe angesagt. Jahrelang passierte nicht viel. 2012 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin im BMG Beweismaterial sicher, im Hintergrund sollen Ermittlungen gelaufen sein und erst 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Am 4. Januar 2018 soll im Landgericht Berlin-Moabit die Hauptverhandlung über den Spionagefall beginnen, zehn Verhandlungstage sind dafür angesetzt.
DocMorris ist ein rühriger Versender, politisch gut vernetzt, überall dabei. Eine Lobbyarbeit, von der sich so mancher Verband etwas abschauen kann. Lobbyarbeit – das ist bei DocMorris auch Sponsoring. Zum Beispiel Sponsoring einer CSU-Nachwuchs-Veranstaltung Anfang November in Erlangen. Äußeres Zeichen des Sponsorings: Für die Teilnehmer gibt’s blaue Schlüsselbänder fürs Namensschild mit DocMorris-Aufdruck und -logo. Mein liebes Tagebuch, lässt sich die Junge Union von DocMorris kaufen? Nein, Gott bewahre, wo denkst du hin! „Wir treffen unsere politischen Entscheidungen unabhängig von finanzieller Unterstützung“, heißt es bei den jungen CSUlern, die dann im gleichen Atemzug sagen, dass sie kein Problem damit haben, dass es neben der Apotheke vor Ort einen Rx-Versandhandel gebe. Ja, mein liebes Tagebuch: Steter Tropfen… Oder ein paar Schlüsselbändchen mit Sponsorgeldern dran können schon prägenden Charakter haben.
7. November 2017
Die ausländischen Arzneiversender dürfen Rabatte und Boni geben, wie es ihnen beliebt – und die deutschen Apotheken dürfen gar nichts. Nicht mal einen Gutschein für zwei Wasserwecken oder ein Ofenkrusti, die eine Darmstädter Apothekerin ihren Kunden fürs Rezepteinlösen schenken wollte und dafür verklagt wurde. Das Verfahren schaffte es bis zum Oberlandesgericht, aber auch dieses Gericht hatte kein Einsehen. Selbst so harte Fakten wie Inländerdiskriminierung zählten da wohl nicht. Mein liebes Tagebuch, ist die Welt nicht grausam? Lässt sich die deutsche Justiz da gar nicht erweichen? Warum erlaubt sie der deutschen Apotheke nicht die kostenlose Brötchenspende an ihre Kunden, quasi als lebensrettende Sofort-Maßnahme – für Kunden und Apotheke. Nun, das ist die eine Sichtweise. Man könnte sich aber auch fragen: Oh Gott, mein liebes Tagebuch, wie tief sind wir Heilberufler schon gesunken? Müssen wir schon Gutscheine für Ofenkrustis verschenken, damit uns unsere Kunde lieben? Sind wir als Heilberufler nicht glaubwürdiger, wenn wir gute Beratungsleistungen erbringen und nicht mit Wasserwecken um uns werfen? Und dann, mein liebes Tagebuch, könnte es da noch eine dritte Überlegung geben: Wollten die kämpferische Brötchen-Apothekerin und ihr Anwalt vielleicht einfach mal versuchen, die Inländerdiskriminierung zu knacken? Wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir wissen, ob für das Gericht dieses Thema eine Rolle spielte.
8. November 2017
Darauf wartet derzeit die gesamte Corona der Berufs- und Gesundheitspolitik: aufs Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Apothekenhonorar. Ursprünglich sollte es in diesen Tagen vorgestellt werden, jetzt ist nur noch von „voraussichtlich dieses Jahr“ die Rede. Dabei soll die mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Agentur „2hm“ das Papier Gerüchten zufolge bereits beim Bundeswirtschaftsministerium abgegeben haben. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Oder hängt alles mit Jamaika zusammen? Wollen die Jamaikaner ihre Apothekenpolitik nicht durch ein Gutachten beeinflussen lassen, das seinerzeit ein SPD-Minister in Auftrag gegeben hatte? Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar wiederum fordert Jamaika-Parteien dazu auf, das Gutachten auf alle Fälle zu nutzen.
Mein liebes Tagebuch, und schon gibt es wilde Spekulationen. Einem Gesundheitsexperten zufolge, der angeblich schon mal ins Gutachten schauen durfte, soll die Gutachter-Agentur zu dem Schluss gekommen sein, die deutschen Apotheken seien massiv überfinanziert. Mein liebes Tagebuch, du liest richtig: überfinanziert! Rund 1,7 Milliarden Euro bekämen die Apotheken zu viel. Na, das wäre Hammer, oder? Das hieße auf 19.900 Apotheken umgerechnet, dass jede Apotheke rund 85.000 Euro zu viel von der GKV überwiesen bekommt. Und, oh Wunder, das wäre so in etwa die Summe, die eine durchschnittliche Apotheke mit der GKV erwirtschaftet, praktisch das Teilbetriebsergebnis der GKV-Versorgung. Super gerechnet von der Agentur, oder? Dass man das so passend hinbekommt. Mein liebes Tagebuch, wenn man da mal einfach weiter spinnitisiert und spekuliert, würde das im Klartext also bedeuten, dass die Apotheke die Arbeit für die GKV kostenlos erbringen sollte? Haben die noch alle Tassen im Schrank?
Der Digitalverband Bitkom, ein Zusammenschluss einzelner Branchenverbände der digitalen Wirtschaft, ist skeptisch, was die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens betrifft. Die E-Health-Strategie der Bundesregierung kommt nicht voran und mit der Gematik (die von den Verbänden der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen getragen wird) wird’s gleich gar nichts werden – lässt sich die Kritik zusammenfassen. Bitkom schlägt vor, man sollte die Gematik, in der Ärzte- und Apothekerorgansiationen und der GKV-Spitzenverband an einem Tisch sitzen, in eine Behörde umwandeln und die Verbände sollten über Fachgremien eingebunden sein. Den Rx-Versand thematisiert die Bitkom in ihrem Thesenkatalog zur Digitalisierung im Gesundheitswesen übrigens nicht – das bedeutet wohl, dass die Bitkom davon ausgeht, dass Versand nichts mit dem Digitalen zu tun hat. Womit sie recht hat.
Und gleich nochmal Digitalisierung: Die Wirtschaftsweisen möchten mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen. In seinem jährlichen Gutachten fordert der Wirtschafts-Sachverständigenrat, dass Deutschland hier seinen Rückstand bei der Digitalisierung abbaut. Konkret nennt er die elektronische Gesundheitsakte, die endlich zum Laufen kommen muss. Schneller sollte es auch gehen in den Bereichen Telemedizin, Robotik und Sensorik. Was den Wirtschaftsweisen auch ein Dorn im Auge ist: der restriktive Umgang mit Online-Apotheken. Mein liebes Tagebuch, was heißt hier restriktiv? Die Versandapos haben doch schon mehr Freiheiten als die stationären Apotheken: Im Prinzip stehen die OTC-Arzneimittel bei den Versendern in der Freiwahl, sie sind auf dem Bildschirm für den Kunden frei zugänglich.
Jetzt haben wir’s quasi „amtlich“, zumindest aus präsidialem
Mund: Der Medikationsplan funktioniert
nicht, sagte der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Und man kann ihm nur
zustimmen. In den Apotheken tauchen Medikationspläne kaum auf. Die Hausärzte
könnten das alleine auch kaum leisten, meint Schmidt in einem Beitrag auf dem
Portal MOZ, ein Onlineservice des Märkischen Medienhauses. Wenn der
elektronische Plan kommt, sollten die Apotheker eingebunden werden. Schmidt
fordert, dass der Gesundheitsminister einer neuen Bundesregierung dieses Thema als allererstes angehen müsse. Mein liebes
Tagebuch, wir haben es von Anfang an gewusst: Ein Papier-Medikationsplan, wie
es ihn heute gibt, ohne initiale Apothekerbeteiligung, ist und bleibt Murks. Ob
er allerdings unsere allererste Sorge sein wird? Irgendwie steht da noch
drohend ein Gutachten im Raum, das auf uns zukommt…
9. November 2017
Und sie sondieren und sondieren bis zum Umfallen. Da gibt es sogar schon Geheimpapiere zur To-Do-List. Der Arzneimittelversandhandel soll als Bearbeitungspunkt darin enthalten sein und zwar mit dem Stichpunkt „Versandhandel rezeptpflichtiger Medikamente verbieten”. Mein liebes Tagebuch, Gröhe hat Wort gehalten und das Thema in die Sondierungsgespräche gebracht. Was draus wird, ist natürlich offen.
10. November 2017
Aber genauso steht in den Sondierungspapieren, dass eine flächendeckende Arzneimittelversorgung neben den Präsenzapotheken auch den in- und ausländischen Versandhandel brauche. Ist zwar Quatsch, steht da aber, eingebracht von, na ja, kann man sich schon denken. Ob und wie dieser Konflikt zwischen den beiden gegensätzlichen Ansichten gelöst wird – ist alles noch offen.
Da war doch noch was! Genau! GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband streiten immer noch vor der Schiedsstelle um die Zytopreise in der Hilfstaxe: Die Preise für parenterale Zubereitungen aus Zyto-Fertigarzneimitteln müssen neu vereinbart werden. Während der Apothekerverband auch für die Zytozubereitungen neben dem Arbeitspreis ein pauschales Honorar von 8,35 Euro zuzüglich einer Drei-Prozent-Marge möchte, geht da die Kassenseite nicht mit. Die Verhandlungen dauern an. Mein liebes Tagebuch, scheint eine sehr zähe Baustelle zu werden.
Mein liebes Tagebuch, die Gerüchteküche zum Papier des Honorargutachtens kocht. Was ist dran, dass Apotheken überfinanziert sind? Die Gesundheitsexpertin der Linken, Kathrin Vogler, könnte das gesamte Gutachten nicht wirklich ernst nehmen, wenn es tatsächlich zu so einem Schluss kommen sollte. Sie meint auch, dass das Gutachten dann eine Ohrfeige für die Bundesregierung wäre, weil sie den Apotheken mit der Honorarerhöhung bei Rezepturen und bei der Doku erst vor Kurzem zu mehr Einnahmen verholfen hätte. Auch der Experte der Verbraucherzentrale Bundesverband wundert sich über die Zahlen, die zurzeit in Umlauf sind und befürchtet dann, dass es bald wohl weniger Apotheken gäbe. Also, mein liebes Tagebuch, wir lassen uns mal über ungelegte Eier nicht kirremachen. Noch ist das Gutachten nicht final abgesegnet, noch wird es geprüft und angeblich soll auch das Statistische Bundesamt zur Prüfung hinzugezogen worden sein. Vielleicht entdeckt dieses Amt den Fehler.
Und zum Schluss – damit das mal klar ist: Die Pharmagroßhändler dürfen Rabatte und Skonti gewähren, auch wenn es insgesamt mehr als 3,15 Prozent sind, auch wenn sie dabei ihr 70-Cent-Fixum verpulvern. Das geht aus den Urteilsgründen des Bundesgerichtshofs zum Skonto-Streit vor. Die Richter haben sich da bei ihrem Urteil und bei der Begründung gaaanz eng am Wortlaut der Verordnung entlang gehangelt. Tja, und dort steht, dass der Großhandel höchstens einen Zuschlag von 3,15 Prozent ... zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent erheben darf. Von einem Mindestzuschlag ist das nichts zu lesen, sagen die Richter. Also, Rabatte und Skonti was geht. Armer Großhandel. Und für die Apotheke mag das nur auf den ersten Blick gefallen. Was das langfristig für Folgen hat? Oh, mein liebes Tagebuch!
8 Kommentare
Brisanz verkannt?
von Reinhard Rodiger am 12.11.2017 um 19:26 Uhr
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Keine schlechte Idee
von Bernd Jas am 12.11.2017 um 14:58 Uhr
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November
von Dr. Radman am 12.11.2017 um 11:18 Uhr
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AW: November
von Peter Ditzel am 12.11.2017 um 12:33 Uhr
Von Essig und Öl und über Gerüchte mit Wirkung ...
von Christian Timme am 12.11.2017 um 10:51 Uhr
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Zu Herrn Ströh
von Dr.Diefenbach am 12.11.2017 um 10:47 Uhr
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Der Heilberufler schmilzt
von Ulrich Ströh am 12.11.2017 um 9:27 Uhr
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PR-Desaster für Apotheker
von Thesing-Bleck am 12.11.2017 um 9:04 Uhr
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