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Koalitionsbildung
Was sagt die Apothekenbranche zur Regierungskrise?
Nach der Bundestagswahl steht nun fest, dass sich keine mehrheitsfähige Regierung bilden kann. Eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen wird es nicht geben und auch die SPD will keine neue Große Koalition. Für den Apothekenmarkt, der in vielen Fragen derzeit ohnehin auf wichtige Entscheidungen aus der Politik wartet, bedeutet das noch mehr Ungewissheit. Was sagen Gesundheitspolitiker, Verbände und andere Akteure aus der Branche zur Regierungskrise? Eine Übersicht.
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): „Kompromissfähigkeit
hat dort seine Grenzen, wo der Wählerauftrag nicht mehr erfüllt werden kann.
Wichtig ist und bleibt, die eigenen Ideen und Vorstellungen nicht aus den Augen
zu verlieren.
In meinem Themenbereich Gesundheit, den ich mitverhandelte, habe ich
beispielsweise die Entbudgetierung bei grundversorgenden Haus- und Fachärzten
nicht wiedergefunden, ebenso wie eine dringend erforderliche Stärkung des
Belegarzt- und Beleghebammenwesens. Das werfe ich niemandem vor, aber es zeugt
auch von staatspolitischer Verantwortung eine Koalitions-Ehe nicht einzugehen,
von der man weiß, dass die gemeinsame Basis fehlt und in kürzester Zeit eine
Scheidung nicht auszuschließen ist.
Die Behauptung, dass CDU/CSU und Grüne kurz vor einer Einigung gestanden hätten
ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar. Wie sieht denn der Kompromiss zum
Familiennachzug und beim Klima aus??
Die Entscheidung, die Sondierungsgespräche abzubrechen, ist nicht leicht
gefallen, aber am Ende war kein gemeinsames, zukunftsweisendes Konzept zu
erkennen. Bevor Neuwahlen angedacht werden, wäre es besser, eine Minderheitsregierung in
Betracht zu ziehen. Meine Fraktion wird zukunftsweisende Vorhaben jederzeit
unterstützen.”
Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion: „Es ist bedauerlich, dass die FDP auf der Zielgeraden aussteigt und sich damit aus der Verantwortung stiehlt. Trotz aller Gegensätze hätten wir im Gesundheitsbereich z.B. mit einem Pflegesofortprogramm, der Sicherstellung der Versorgung in ländlichen Regionen, der Geburtshilfe und Notfallversorgung und dem Ausbau von Telemedizin und IT drängende Probleme gemeinsam anpacken können. In diesen Bereichen gab es bereits Einigungen.“
Michael Hennrich, Arzneimittelexperte der CDU-Bundestagfraktion: „Ich hätte das nach diesem Wahlergebnis nicht für möglich gehalten. Ehrlich gesagt, hätte ich den beteiligten Parteien mehr staatspolitische Verantwortung zugetraut und mir diese auch erhofft. Natürlich müssen alle Seiten in solchen Verhandlungen Kompromisse eingehen. Allerdings können Parteien, die rund um die 10 Prozent der Wählerstimmen haben, nicht davon ausgehen, dass all ihre Maximalforderungen durchgesetzt werden. Außerdem darf man auch die derzeitige politische Stimmung im Land nicht vergessen. Es wäre wichtig gewesen, Stabilität zu signalisieren. Ich hoffe nun sehr, dass wenigstens die SPD ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht wird. In der Vergangenheit hat es diese Verantwortung bei der SPD aber in einem hohen Maß gegeben. Bei den dringenden Problemen im Gesundheitswesen, wie beispielsweise beim Pflegepersonal, können wir uns einen Stillstand nicht leisten.“
Franke (SPD): Wir müssen uns unserer Verantwortung stellen
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP auf Twitter: „Die Anzahl an Unwahrheiten, die Union und Grüne nun zu Jamaika verbreiten, zeigt, weshalb es absolut richtig war, die Sondierungen abzubrechen. Inhalte und Vertrauen sind einfach nicht verhandelbar.“
Dr. Edgar Franke (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Bundestags: „In der Gesundheitspolitik gibt es durchaus Trennendes zwischen CDU, CSU, Grünen und FDP. Doch das ist jetzt sicher nicht das Entscheidende. Das Scheitern der Sondierungsverhandlungen ist vor allem ein Scheitern der Kanzlerin. Ein Stück weit mag es auch an der CSU und an der Eitelkeit von Herrn Lindner gelegen haben. Aber die Kanzlerin ist es, die die Torte im Gesicht hat. Nun ist der Bundespräsident Herr des weiteren Verfahrens. Er muss schauen, was jetzt möglich ist. Das SPD-Präsidium hat heute zwar beschlossen, dass wir eine Große Koalition weiterhin ablehnen und Neuwahlen nicht scheuen. Tatsächlich haben wir keine Angst vor Neuwahlen, aber sie stehen jetzt auch erstmal nicht auf der Tagesordnung. Doch natürlich müssen wir uns auch unserer staatsbürgerlichen Verantwortung stellen. Je nachdem, wie Frank-Walter Steinmeier nun vorgehen wird, wird sich die SPD dann verhalten.”
BVDVA: Auch wenn die Sondierungsgespräche aktuell gescheitert sind, dreht sich die Uhr im Apothekenmarkt weiter und Stillstand ist keine Option für die Herausforderungen. Unabhängig von der Regierungsbildung arbeiten Versandapotheken daran die digitale Zukunft weiter zu gestalten und den Patienten zeitgemäße Versorgungsformen zu ermöglichen. Mit Blick auf eine Neuregelung des Arzneimittelpreissystems ist dieser Ausgang der Gespräche jedoch bedenklich. Die aktuelle Lage schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland und spielt den ausländischen Versorgern in die Karten, anstatt auch den deutschen (Versand)Apotheken Spielräume in der Preisgestaltung zu Gunsten der Patienten zu ermöglichen. Dies kann nicht im Sinne einer nachhaltigen und sich zum Standort bekennenden deutschen Wirtschaftspolitik sein.
Andreas May, Adexa-Vorstand: Ich glaube nicht, dass die Wählerinnen und Wähler viel Verständnis dafür haben, dass gewählte Politiker die Verantwortung für das Land aus parteitaktischen Gründen nicht tragen wollen. Für den Apothekenbereich und die Mitarbeiter bedeutet das Scheitern der Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen ein weiteres berufs- und tarifpolitisches Fragezeichen – neben den ausstehenden Ergebnissen des Honorierungsgutachtens und den Folgen des EuGH-Urteils. Diese Unsicherheit ist nicht günstig für jegliche Art der beruflichen Planung. Solange Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe weiter die Amtsgeschäfte führt, ist zwar eine gewisse Kontinuität zu erwarten. Aber für die Apotheken und das ganze Land muss schnell eine tragfähige, demokratisch legitimierte Lösung gefunden werden. Denn Deutschland braucht eine entscheidungs- und handlungsfähige Regierung: für die gewaltigen nationalen wie internationalen Aufgaben, die vor uns liegen.
Kai Senf, Politik-Chef des AOK-Bundesverbandes: Digitalisierung forcieren, Versorgungssektoren vernetzen, Pharmapreise drosseln usw. usf. Im Gesundheitswesen gibt es einen langen Aufgabenzettel. Und diesen bewältigt man nicht in Trippelschritten, sondern mit umfassenden, tiefgreifenden und nachhaltigen Reformen. Allzu viel Zeit sollten sich die Parteien also nicht mehr lassen, um eine handlungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen. Der Politikbetrieb muss endlich „weiter gehen“ – im doppelten Sinne!
ABDA: Die ABDA hat auf die Anfrage von DAZ.online nicht geantwortet
2 Kommentare
Wechselnde Mehrheiten?
von Hummelmann am 20.11.2017 um 21:10 Uhr
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erster Gedanke..
von Christiane Patzelt am 20.11.2017 um 19:43 Uhr
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